Düsseldorf Düsseldorf – junge Kunst aus Brasilien

Düsseldorf · Eine Ausstellung im KIT stellt stark gesellschaftlich ausgerichtete Werke vor.

 Jonathas de Andrade vor Plakatmotiven, mit denen seine Mutter in den 80er und 90er Jahren Erwachsenen Lesen und Schreiben beibrachte.

Jonathas de Andrade vor Plakatmotiven, mit denen seine Mutter in den 80er und 90er Jahren Erwachsenen Lesen und Schreiben beibrachte.

Foto: Andreas Bretz

Wer wissen will, wie junge Künstler in anderen Ländern arbeiten, ist im Düsseldorfer KIT, dem Ausstellungsraum im Tunnel am Mannesmannufer, stets am rechten Ort. Russland und Großbritannien, Belgien und die Niederlande haben dort schon Gastspiele gegeben, jetzt ist Brasilien an der Reihe mit einer Generation, die nach der Diktatur in Freiheit aufgewachsen ist.

Während sich die Kunst hierzulande gern – und oft ironisch – mit sich selbst befasst, mit ihrer Geschichte und den Grenzen ihrer Möglichkeiten, merkt man den acht Brasilianern an, dass sie mitten in einem harten Leben stehen. Das Land ist in kurzer Zeit zum wirtschaftlichen Riesen emporgewachsen, doch wie überall, wo es Sieger gibt, sind auch Opfer zu beklagen.

Marcelo Cidade hat mitten im abschüssigen Tunnelraum eine Plakatwand errichtet, die ihre Botschaft auf der Rückseite verkündet. Juscelino Kubitschek, von 1956 bis 1961 Staatspräsident von Brasilien, ernennt dort General Lott zum demokratischen Präsidenten. Das Schwarzweiß der Darstellung rückt die Szene in eine skeptische Distanz. Ebenfalls von Cidade stammen zwei an gegenüberliegenden Wänden befindliche Rechtecke aus Glasscherben – eine Anspielung auf die gefährlichen Zäune, mit denen sich Hausbesitzer in den wohlhabenden Vierteln brasilianischer Megastädte vor Kriminellen zu schützen suchen.

Jonathas de Andrade hat aus Plakatmotiven, mit denen seine Mutter in den 80er, 90er Jahren Erwachsenen das Lesen und Schreiben beibrachte, eine Installation geschaffen. Er zeigt dabei einerseits, wie jung der zivilisatorische Prozess in seiner Heimat noch ist, andererseits spielt er mit Klischees von Brasilien, die auch andere Künstler in dieser Schau zitieren: Bananen zum Beispiel, Samba und den Cocktail Caipirinha.

Auch Matheus Rocha Pitta steht mit beiden Beinen in der Gegenwart. Er verbindet acht Fotografien mit einem Raum, auf dessen Boden sich geöffnete Lebensmittel-Behälter befinden: Flaschen, Dosen, Gläser. Der Künstler lädt das Publikum dazu ein, die Lebensmittel zu verwenden, bevor sie verschimmeln.

Mauricio Ianes schließlich hat für das KIT die Installation "Progresso" entworfen: Fotografien davon, wie der Künstler das mit Grafitpulver auf den Boden geschriebene Wort "Fortschritt" in einer Performance zerstörte. Thema ist der Missbrauch des Begriffs Fortschritt in der brasilianischen Geschichte.

So kratzen die Künstler dieser Ausstellung unter dem optimistischen Titel "Avante Brasil" beharrlich am Lack der Gegenwart, um darunter Schichten offenzulegen, die ihre Landsleute heute offenbar gern im Verborgenen beließen. Auch diesmal also schafft es das KIT, das Publikum nicht nur für die Kunst eines Landes zu interessieren, sondern auch für die Gemütslage seiner Bewohner.

Ausstellung im KIT, Mannesmannufer 1 b, Düsseldorf, bis zum 8. September; geöffnet Dienstag bis Sonntag 11–18 Uhr; Eintritt: vier Euro; Jugendliche bis 18 Jahren zahlen keinen Eintritt.

(RP)
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