Interview mit Dirk Elbers "Düsseldorf ist immer mehr Architekturstadt"

Düsseldorf · Der Oberbürgermeister Oberbürgermeister Dirk Elbers plädiert bei den neuen Innenstadt-Plänen für den Entwurf von Christoph Ingenhoven.

Herr Elbers, derzeit wird über die Ideen für die Innenstadt diskutiert. Welchen Einfluss hat Architektur auf die Entwicklung der Stadt?

Elbers Wir werden mehr und mehr zu einer Architekturstadt. Das zeigt auch das Interesse der Besucher an Architektur-Führungen. Ich bin froh, dass damals im Hafen die Gehry-Bauten entstanden sind, obwohl es massive Bedenken gab. Heute sind sie ein beliebtes Postkarten-Motiv und aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Ähnlich ist es mit dem Arag-Haus, dem Sky Office oder dem Gap 15. Mir ist wichtig, dass in unserer Stadt besondere Architektur entsteht.

Die Gebäude von Libeskind kommen nicht bei jedem gut an ...

Elbers Ich finde es gut, dass die Leute darüber diskutieren. Das spricht für die Qualität und schafft Identifikation. Es hat viel Kraft gekostet, das Projekt Kö-Bogen umzusetzen. Und ich bin sehr froh, dass die ursprünglichen Pläne für den Jan-Wellem-Platz nicht umgesetzt wurden. Sonst hätten wir dort einen langweiligen Klotz. Mit Libeskind haben wir nun ein architektonisches Ausrufezeichen und eine neue Aufenthaltsqualität gewonnen.

Beim Kö-Bogen II ist die Diskussion neu entbrannt, nachdem Sie die Bebauung der Fläche neben dem Dreischeibenhaus, das so genannte Baufeld 4, zur Disposition gestellt haben. War das eine Rolle rückwärts?

Elbers Ganz im Gegenteil. Es war ein Blick nach vorn. Ich gebe zu, dass ich mir vor dem Abriss des Tausendfüßlers nicht genau vorstellen konnte, wie das gesamte Areal aussehen wird. Es ist klar, dass Architekten eher dafür plädieren, eine Fläche zu bebauen. Für mich steht aber die Aufenthaltsqualität für die Menschen im Vordergrund.

Das letzte Wort hat der Rat. Welcher Entwurf gefällt Ihnen am besten?

Elbers Ich finde den Gedanken richtig, an der Schadowstraße einen größeren Gebäuderiegel und am Dreischeibenhaus so reduziert wie möglich zu bauen, damit der Blick aufs Schauspielhaus frei bleibt. Der Vorschlag von Christoph Ingenhoven verbindet auf spannende Weise diese Gedanken mit nicht alltäglicher Architektur. Er ist mein Favorit.

Er lässt das Baufeld 4 aber nicht frei, wie Sie es sich bisher gewünscht haben, sondern setzt dorthin einen kleinen Pavillon mit schrägem Dach...

Elbers Damit kann ich gut leben. Das Gebäude ist am höchsten Punkt nur zehn Meter hoch und nicht 25 wie bei früheren Vorschlägen. Das Konzept hat eine Architektursprache, die man versteht, und den großen Vorteil, dass dadurch der Gustaf-Gründgens-Platz endlich belebt wird. Das Dreischeibenhaus behält seinen Charakter als Solitär.

Ein heikler Punkt in diesem Bereich sind die Hochbahnsteige, die störende Hürden sein werden. Wäre es nicht sinnvoller, beide Bahnsteige zwischen P & C und Tuchtinsel zu platzieren?

Elbers Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn man darüber noch mal intensiv nachdenken und eine Lösung finden würde, die Aufenthaltsqualität für den neuen Platz ermöglicht. Ich kann nur hoffen, dass die Rheinbahn nicht allzu viele Absperrgitter aufstellt.

Wir haben beim Kö-Bogen erlebt, dass es sich lohnt, neu nachzudenken. Ist das bei der Verlängerung der Rheinuferpromenade auch so?

Elbers Das ist ein Prozess, der seit vielen Jahren läuft. Ich selbst habe dieses Thema bereits 2008 angeregt. Es gilt auch hier genau zu überlegen, was die beste Lösung ist. Ich bin nicht sicher, dass sie mit dem Vorschlag von Niklaus Fritschi, sein Konzept vom Altstadtufer einfach fortzuführen, erreicht wird. Also: keine Schnellschüsse. Nach meiner Wiederwahl werde ich auch hier einen Diskussionsprozess anstoßen und verschiedene Architekten ansprechen.

Düsseldorfs Bevölkerung wächst. Wie gehen Sie damit um?

Elbers Düsseldorf ist eine sehr attraktive Stadt. Wir sind geburtenstark und haben viele Zuzüge, vor allem von jüngeren Menschen. Es gibt wenige andere deutsche Großstädte, denen es ebenso geht. Wir gehen davon aus, dass die Stadt weiter wächst. Das ist gut so, ist aber zugleich eine Herausforderung. Es gibt einen starken Zuzug in Trendvierteln wie Flingern, Pempelfort oder Unterbilk. Für uns ist es wichtig zu analysieren, wie sich die Stadtteile entwickeln, auch in ihrer Altersstruktur.

In Trendvierteln gibt es die Gefahr, dass sie von der Gruppe der 30- bis 45-Jährigen dominiert werden. Kann man gegensteuern?

Elbers Man kann die konkreten Bedürfnisse erfassen und planerisch entsprechende Voraussetzungen schaffen. Jedes Viertel ist anders. Bei mir in Vennhausen ist die Bevölkerung deutlich älter als in der Innenstadt. All das erfassen wir mit dem Stadtentwicklungskonzept Stek, das wir bis 2025 fortschreiben. Menschen leben in ihren Stadtteilen und die quartiersnahe Versorgung wird immer wichtiger. Wo Bevölkerung wächst, muss auch ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen.

Hat Düsseldorf zu wenig davon?

Elbers Das kann man pauschal nicht so sagen. Immerhin haben wir eine Leerstandsquote von 3,5 Prozent, das entspricht mehr als 10 000 Wohnungen. Natürlich ist die Nachfrage in Düsseldorf sehr hoch, das ist aber in München, Frankfurt und Hamburg nicht anders. Und natürlich sind manche Fußballspieler bereit, viel Geld in den Wohnraum zu investieren. Aber sie sind eine Minderheit. Ich habe aber alle Bürger, vor allem Familien im Blick.

Die Bevölkerungswanderung insgesamt hat in Düsseldorf zwar einen positiven Saldo, unterm Strich verlieren wir aber bei Familien und Senioren. Ist das nicht bedenklich?

Elbers Wir steuern dem entgegen mit dem Handlungskonzept Wohnen, das zum Glück parteiübergreifend mit breiter Mehrheit im Rat, leider ohne die SPD, vergangenes Jahr beschlossen worden ist. Das Konzept wirkt und sorgt für eine gute Mischung, die wichtig ist. Wir wollen ja keine Inseln schaffen, sondern, dass Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten zusammenleben. Das gelingt mit dem Konzept an vielen Stellen, zum Beispiel beim Glasmacherviertel, Grafental oder beim Rewe-Gelände in Unterbach.

Die besondere Herausforderung ist die Frage, wie wir im Alter leben wollen. Wie gehen Sie damit um?

Elbers Die älter werdende Gesellschaft ist ein großes Thema der Zukunft. Dabei spielen alternative Wohnformen wie Mehr-Generationen-Häuser eine große Rolle. Auch Pflege werden wir neu denken müssen. Viele Unternehmen bieten heute zum Beispiel nicht nur Betriebskitas, sondern auch betriebliche Alterseinrichtungen an. All das ist ein Lernprozess.

Investoren beklagen, dass die im Handlungskonzept vorgeschriebene Grenze für preisgedämpften Wohnraum bei maximal 8,50 Euro pro Quadratmeter liegt. Das sei keinesfalls rentabel.

Elbers Es stimmt. Alles, was unter zehn Euro liegen soll, ist schwer umzusetzen. Das heißt, man muss entweder das Grundstück oder die Gebäude subventionieren. Sonst finden Sie keinen Investor. Aber noch mal: Unser Gesamtpaket inklusive der vergünstigten Darlehen der Stadtsparkasse greift bereits. Und weil beispielsweise das Glasmacherviertel nun mehr Wohnungen erhält, entsteht dort auch viel preiswerter Wohnraum.

Der OB-Kandidat der SPD, Thomas Geisel, wirft Ihnen vor, nur in Prestigeobjekte der Innenstadt zu investieren und die Stadtteile zu vernachlässigen. Hat er Recht?

Elbers Das ist Unsinn, den ich nicht nachvollziehen kann. Es ist auch falsch, Innenstadt gegen Stadtteile auszuspielen. Die Innenstadt ist wichtig für die gesamte Stadt. Ist sie attraktiv, zieht das Investoren an und bringt Steuereinnahmen. Wir haben in der Nachbarschaft viele Beispiele: Wo sich die Kräne nicht mehr drehen, veröden die Innenstädte. Dann brauchen Sie auch über die Stadtteile nicht mehr zu reden. Mir sind die Stadtteile genauso wichtig wie die Innenstadt.

Was investieren Sie in die Stadtteile?

Elbers Die Summe, die wir in das Gesamtprojekt Kö-Bogen stecken, stellen wir jedes Jahr für die Familien bereit. Wir investieren in Kitas und Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen und Kinderspielplätze. Wir haben 60 Kunstrasenplätze — die sind nicht in der Innenstadt. Und ich kann gar nicht zählen, bei wie vielen Richtfesten zu Dreifachsporthallen ich in meiner Amtszeit war. Nehmen Sie die Familienzentren oder die "Zentren plus" für Senioren — das ist alles Stadtteilpolitik. Die beste U3-Versorgungsquote in den Kitas haben wir mit 60 Prozent übrigens in Garath.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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