Housing First in Düsseldorf „Die Straße vergisst dich nicht“
Düsseldorf · Der Düsseldorfer Verein Housing First vermittelt Wohnungen, die Privatpersonen kaufen, an obdachlose Menschen. 24 von ihnen konnten so bereits in eine eigene Wohnung ziehen. Jetzt geht es für den Verein um die Förderung fürs nächste Jahr.
In der Wohnung von Alex N. ist es sehr ordentlich. Das Bett ist frisch gemacht, alles ist geputzt, nichts Unnötiges liegt herum. Überhaupt eine Wohnung zu haben ist für Alex N. aber noch neu, Ende Mai ist er in die Einzimmer-Wohnung in Eller eingezogen. Vorher hat er mehr als 20 Jahre lang auf der Straße gelebt. „Ich bin in schwierigen Verhältnissen groß geworden, hab viel Scheiße gebaut und war auch mal in der JVA“, sagt er. „Ich hab schon in Hamburg und Paris gelebt, aber eigentlich immer auf der Straße.“
2018 kam er dann nach Düsseldorf, im vergangenen Jahr hat er Alena Hansen kennengelernt. Sie ist Sozialarbeiterin bei Housing First und trifft Alex über einen Kollegen erstmals. Danach treffen sie sich immer wieder, bauen Vertrauen auf und beantragen einen Personalausweis für Alex. Das eröffnet etwa die Möglichkeit, Leistungen zu beantragen und in eine Krankenversicherung einzutreten. Irgendwann fragt Hansen, ob er Interesse an einer Wohnung habe. „Zuerst hatte ich Bedenken, aber nachdem ich mehr und mehr in meinem Leben geregelt habe, dachte ich, das wäre eigentlich ganz schön“, sagt er. „Gerade die Winter sind hart und je älter man wird, desto schwieriger wird das Leben auf der Straße.“
Alex N. kommt auf die Warteliste von Housing First. Aktuell stehen circa 15 bis 20 Personen darauf. Der Verein hat sich im vergangenen Jahr gegründet und wird von der Stadt mit zwei Stellen gefördert, sagt Julia von Lindern, Sozialarbeiterin bei fiftyfifty und Vorstandsvorsitzende des Vereins. Das Ziel ist es, Menschen unmittelbar aus der Wohnungslosigkeit zu holen. „Dafür suchen wir Investoren, teilweise Unternehmen wie Vonovia oder die LEG, hauptsächlich aber Privatpersonen, die bereit sind, Wohnungen zu kaufen, die dann an Menschen wie Alex vermietet werden“, sagt sie. Zur Vermietung gibt es keine Vorbedingungen, die Menschen werden auch über die Wohnungsfindung hinaus begleitet. „Und für die Eigentümer gibt es den vollen Service, vom Makler bis hin zum Mietvertrag, wir kümmern uns um alles“, sagt von Lindern.
Das hat auch Carl S. überzeugt. Er kennt den Verein über Michael Busch, den Geschäftsführer von Thalia, der sich von Anfang an für Housing First engagierte. „Ich fand die Grundidee einfach ausgezeichnet und wollte die Arbeit unbedingt unterstützen“, sagt er. Mit Hilfe des Vereins erwirbt er die Wohnung in Eller, Alex N. steht inzwischen in der Warteliste ganz oben. Nun sitzen sie gemeinsam am Tisch, Carl S. sagt: „Wenn wir noch einen Dritten finden, reicht’s für ne Runde Skat“.
In der Nacht, bevor er die Wohnung zum ersten Mal gesehen hat, konnte er kaum schlafen vor Aufregung, sagt Alex N. „Ich will jetzt versuchen, einen Job zu bekommen. Ich habe endlich was geschafft im Leben.“ Für ihn ist es aber wichtig, nie zu vergessen, wo er herkommt. „Die Straße hat mich ja auch ernährt. Ich sag gerne, du vergisst vielleicht die Straße, wenn du von ihr weg bist, aber die Straße vergisst dich nicht.“ Er habe dort gute und schlechte Erfahrungen gemacht, seine Freunde sieht er immer noch regelmäßig. Wenn sie Interesse hätten an einer Wohnung, würde er sie unterstützen; aber nicht jeder wolle das.
Für den Verein Housing First geht es jetzt darum, sicherzustellen, dass die Förderung um ein weiteres Jahr verlängert wird. Dazu brauchen sie die Politik und die Zustimmung der Stadt, aber auch Menschen, die eine Wohnung bereitstellen wollen. Der Erfolg gibt ihnen recht: Geplant war, im ersten Jahr 20 Menschen in Wohnungen unterzubringen. 24 sind es bisher, bis zum Abschluss ihres ersten Jahres im September stehen noch vier weitere Einzüge an.