Für krebskranke Kinder Der elfjährige Tim aus Düsseldorf spendet seine Haare

Düsseldorf · Tim van de Berg hat die längsten Haare aus seiner Klasse. Er lässt sie wachsen, seit er acht ist - denn er will sie spenden, damit daraus eine Perücke für ein krebskrankes Kind wird. Am Donnerstag ist es nun soweit: Der lange Zopf kommt ab.

 Ziemlich bald wird diese Haarpracht nicht mehr den Kopf von Tim van de Berg, sondern von einem krebskranken Menschen zieren. Denn er spendet seinen Zopf für eine Perücke.

Ziemlich bald wird diese Haarpracht nicht mehr den Kopf von Tim van de Berg, sondern von einem krebskranken Menschen zieren. Denn er spendet seinen Zopf für eine Perücke.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Manchmal sollte man Kinder eben doch fernsehen lassen. Bei Tim van de Berg hatte ein Bericht im Kinderkanal auf jeden Fall eine positive Wirkung. 2017 schaute der Elfjährige einen Nachrichtenfilm über ein Mädchen, das seine langen Haare spendete, damit daraus eine Echthaarperücke für einen krebskranken Menschen wird. „Da habe ich gedacht, das will ich auch machen“, erzählt Tim und fährt mit seinem Skateboard eine Kurve. „Die, die keine Haare haben, wollen ja bestimmt eine Perücke.“

Den dicken Anorak hat er abgelegt, damit er seine Ellenbogenschützer anziehen kann. Er skatet gern – wir haben uns an der Halfpipe vor dem Apollo getroffen. Sein dunkelblonder Zopf ist in seinem Schal versteckt. Aber wenn er den Helm und das Zopfgummi ablegt, kommt die Haarpracht zum Vorschein: „60 Zentimeter vom Scheitel bis zu den Spitzen“, sagt er stolz. Und seine Mutter fügt hinzu: „Im Sommer, wenn die Luft feucht ist, hat er richtige Locken.“

Tim sei schon immer eigen mit seinen Haaren gewesen, erzählt Tanja van de Berg. Wenn seine Mutter mit der Schere ran wollte, begann sie schon ein paar Wochen vorher, vorsichtig zu fragen. Der Friseurbesuch am Donnerstag wird erst der zweite seines jungen Lebens sein. Nervös? „Nö“, sagt Tim. Nicht mehr ganz so lange Haare zu haben, hat ja auch Vorteile. Zum Beispiel fragt ihn auf der Jungentoilette dann keiner mehr, ob er hier auch richtig ist – wie es passierte, als er im Sommer aufs Gymnasium wechselte. In seiner Klasse hat keiner so lange Haare wie er – nicht mal die Mädchen.

Und dass er seine Mähne morgens und abends ordentlich durchbürsten muss, damit sie nicht verknotet, wird er auch nicht vermissen – ebenso wenig wie das minutenlange Föhnen nach dem Haarewaschen.

Die Friseurin wird seine Haare oben und unten zu einem festen Zopf zusammenbinden. „Hoffentlich tut das nicht weh“, sagt Tim – nun doch etwas besorgt. Dann wird der Zopf abgeschnitten und Tim bekommt eine neue Frisur. Kinnlang sollen die Haare werden, seine Mutter hat schon Fotos vom Wunsch-Haarschnitt herausgesucht.

Dass Kinder in Tims Alter ihre Haare spenden, sei gar nicht so selten, sagt Ulrich Bohnen aus dem Beirat der Stifung „It’s for Kids“. Dass Jungen es tun, aber schon. „Das ist schon etwas besonderes, was Tim da tut – auch, so lange dran zu bleiben.“ Die Hildener Stiftung hat sich auf Kreativspenden zugunsten von Kindern spezialisiert. Sie arbeitet bundesweit mit 3000 Friseuren zusammen, die die Zöpfe abschneiden und in vorfrankierten Umschlägen zu einer Zweitfrisuren-Manufaktur bei Borken schicken. Die neue Frisur für die Haarspender gibt es oft gratis dazu.

Die Manufaktur Rieswick spendet den Gegenwert der Haare: einen Teil bekommt It’s for Kids, ein anderer Teil wandert in einen Fonds. Menschen bis 18 Jahre, die wegen einer Erkrankung eine Perücke brauchen, bekommen die Zuzahlung aus diesem Fonds finanziert, wenn sie ihre Perücke über Rieswick beziehen.

Wenn Tim van de Berg über seine Haarspende spricht, klingt es so, als sei es das natürlichste von der Welt. Gleichzeitig ist ihm eins wichtig: dass viele davon erfahren. Eigentlich hatte er sich gewünscht, dass der Kinderkanal berichtet. Stattdessen hat seine Mutter nun die Rheinische Post und einen Fernsehsender informiert, der zum Friseurtermin kommen wird.

„Auch andere sollen Haare spenden“, sagt Tim. „Sonst landen die doch einfach nur im Müll.“ Als neulich sein Vater beim Friseur war, war Tim dabei und hat der Friseurin von seiner Spende erzählt. „Sie fand das gut!“ Der Blick in die Mülltonne im Friseurladen hat ihn ein bisschen enttäuscht: „Eigentlich müsste man diese ganzen Haare sortieren und daraus Perücken machen.“

Wenn Tims Zopf ab ist, wird er mit Haaren ähnlicher Struktur und Farbe zusammengebracht. Für eine fertige Perücke braucht man fünf oder sechs Zöpfe. „Gerade für Kinder ist es schlimm, wenn sie ihre Haare verlieren“, sagt Ulrich Bohnen. „Und wer sich dann keine Echthaar-Perücke leisten kann, leidet besonders. Man sieht eben sofort, dass es sich um Kunsthaar handelt.“

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