Industrieclub-Gespräche Dieter Kempf Düsseldorf für Gründer uninteressant

Düsseldorf · Der Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom glaubt, dass die Landeshauptstadt zu reich sei, um Start-ups anzulocken. Dass digitale Image, das die Stadt sich selbst zuschreibt, wird anderswo nicht registriert. Trotzdem sieht Dieter Kempf Chancen.

 IT-Unternehmer Dieter Kempf sieht eine Campus-Atmosphäre in einer Stadt für Start-ups als förderlich an.

IT-Unternehmer Dieter Kempf sieht eine Campus-Atmosphäre in einer Stadt für Start-ups als förderlich an.

Foto: Andreas Endermann

In Düsseldorf haben Unternehmen wie der Mobilfunk-Riese Vodafone, der chinesische Handyhersteller ZTE oder der Netzwerkausrüster Ericsson ihren Deutschlandsitz. Doch reicht das auch, um für Gründer attraktiv zu sein? Dieter Kempf lehnt sich beim Gespräch im Industrieclub in seinen Sessel zurück und schweigt. Der Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom zögert lange, bevor er dann doch antwortet. Das Urteil über die Stadt, die sich selbst so gern als digitale Metropole sieht, fällt ernüchternd aus.

Düsseldorf feiert sich selbst gerne als digitale Stadt. Nehmen Sie das auch aus der Vogelperspektive so wahr?

Kempf Es ist natürlich schwierig, sich als Bitkom-Präsident in regionale Grabenkämpfe zu stürzen. Wenn ich mich aber allein auf die Ergebnisse unserer Umfragen verlasse, dann rangiert Düsseldorf beim Thema Start-ups im Vergleich mit anderen deutschen Städten nicht vorne. Die Musik spielt dann doch eher woanders. Was hingegen die Telekommunikation und auch die digitale Kreativbranche angeht, ist Düsseldorf natürlich eine der absoluten Top-Städte in ganz Deutschland.

Was machen Städte wie Berlin denn besser als Düsseldorf?

Kempf Ein wichtiger Aspekt ist das Lebensgefühl: In Berlin haben viele Gründer das Gefühl, auf einem Campus zu leben. Man läuft sich in vielen Vierteln permanent über den Weg, kann sich austauschen. Berlin hat sich natürlich auch historisch anders entwickelt, es zieht viele junge Leute aus den unterschiedlichsten Ländern an. Diese Internationalität ist wichtig für eine Start-up-Kultur. Es muss sich ein Kreislauf bilden, zu dem auch die Finanziers gehören. Im Moment erleben wir, dass sich die Investoren in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg und teilweise auch noch in München tummeln.

Es reicht also das Gefühl, auf einem Campus zu leben, um eine Stadt für junge Gründer attraktiv zu machen?

Kempf Für die Start-ups ist es wichtig, eine Gründerkultur vorzufinden. Ich sage scherzhaft immer: Man muss nach 23 Uhr noch eine Pizza kaufen können. Das klingt lächerlich, aber wenn man sich überlegt, warum sich die Start-up-Szene in Berlin so stark entwickelt, dann liegt das auch daran, dass dort rund um die Uhr die Post abgeht.

Was unterscheidet gute und schlechte Standorte für die Digitalwirtschaft in Deutschland außer den Öffnungszeiten der Pizzerias?

Kempf Der entscheidende Punkt wird die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Menschen, das heißt die Anzahl der Hochschulen in der Region. Das ist wichtig für alle Unternehmen, nicht nur für Start-ups.

Das Netz an Universitäten ist in NRW sehr dicht. Das würde die Pläne der Ministerpräsidentin ja begünstigen. Hannelore Kraft hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, NRW müsse "the place to be" für die digitale Wirtschaft sein. Wie weit ist man davon noch entfernt?

Kempf Ich glaube, NRW hätte große Chancen. Viele Industriebrachen würden sich hervorragend eignen für die Ansiedlung eines Campus. Gerade im Ruhrgebiet gibt es ja viele Städte mit optimalen Bedingungen. Aber das ist natürlich für jene Bundesländer etwas leichter, die momentan ein wenig mehr Geld haben, als für NRW, wo es in jede zweite Wand hinein pfeift. Ich finde es sehr gut, dass Nordrhein-Westfalen ein eigenes Programm aufgelegt hat. Wenn man es aber inhaltlich mit dem von Sachsen, Bayern oder Hamburg vergleicht, sind da natürlich schon deutliche Unterschiede.

Düsseldorf hat die NRW-Probleme nicht, die Stadt ist reich. Warum liegt sie im Vergleich mit anderen Städten trotzdem hinten?

Kempf Die Frage ist, ob man sich als Start-up im digitalen Bereich in einer reichen Stadt wohlfühlt. Da würde ich ein großes Fragezeichen hinter machen. Das gilt übrigens nicht nur für Düsseldorf, sondern auch für meine Heimatstadt München. Wenn ich Start-up-Gründer bin, kann ich vieles machen, nur keine Miete von 25 Euro pro Quadratmeter bezahlen.

Das Problem müsste Hamburg doch auch haben.

KEmpf Das habe ich den Regierenden Bürgermeister Olaf Scholz auch gefragt beim IT-Gipfel im vergangenen Jahr. Er sagte mir allerdings, dass das nicht generell gilt, es gäbe dort auch günstige Ecken. Ich glaube, Düsseldorf gilt als zu wohlhabend und damit teuer, um für junge Gründer interessant zu sein.

Muss man erst arm werden, um für Start-ups attraktiv zu sein?

Kempf "Arm, aber sexy" hat das ja mal ein Berliner Bürgermeister genannt. Ich glaube, dass allein ist es nicht. Man muss - wie gesagt - eine Campus-Atmosphäre in der Stadt schaffen. Es gibt in jeder Stadt Ecken, die nicht zu den hochpreisigen gehören. Da reicht im Zweifel sogar ein Container-Dorf.

Es gibt eine Düsseldorfer Gründer-Initiative, die genau das fordert.

Kempf Die Erfahrung zeigt, dass so etwas funktionieren kann. Die wichtige Frage ist, ob man diese Unternehmen in der Wachstumsphase halten kann. Oft fehlt dann das Kapital - aber das, da muss man ehrlich sein, ist ein deutschlandweites Problem. Hier könnte ja gerade Düsseldorf seine Stärken ausspielen.

THORSTEN BREITKOPF, CONRAD RADING UND FLORIAN RINKE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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