Düsseldorfer Hinterhöfe Ein Hinterhof für die Kunst

Düsseldorf · Aus einem Autohof in Flingern ist ein Künstlerquartier mit Ateliers entstanden, in dem auch Ausstellungen und Konzerte stattfinden.

Düsseldorf: So sieht es im Künstler-Hinterhof Quartier 8 in Flingern aus
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So sieht es im Künstler-Hinterhof Quartier 8 in Düsseldorf aus

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Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Der erste Besuch im Quartier 8 beginnt häufig mit einem Irrtum. Denn wer vom Eingang aus in den Hinterhof des Hauses Schwelmer Straße 8 schaut, blickt auf einen großen Clown, der häufig als Indiz für eine Kita oder einen Spielplatz missinterpretiert wird. Doch bei der Figur im Innenhof handelt es sich um ein Kunstwerk, angefertigt von keinem Geringeren als Jacques Tilly. Denn zwischen Wohnhäusern und Garagen hat sich in dem Hof ein Hotspot für Kreative entwickelt.

Entstanden ist das Quartier 8 vor drei Jahren. Zuvor befand sich auf dem Gelände ein trister Autohof, doch das wollte Besitzer Joachim Johänning ändern und begann, die ehemaligen Garagen an Kreative zu vermieten. So siedelten sich zahlreiche Menschen in dem Hinterhof an. Darunter befinden sich Künstler, aber auch Unternehmer aus der Kreativbranche. „Es ist eine Brutstätte der Ideen“, sagt Johänning.

Einer der ersten Mieter war der Videoproduzent Björn Tessnow, der in seiner Parzelle ein kleines Studio eingerichtet hat. Dort wurde unter anderem die Talkshow „Düsseldorf hält zusammen“ produziert, die mit Beginn der Corona-Krise bei Facebook und Youtube ausgestrahlt wurde. Wenige Meter daneben hat der Künstler Erik Mamberger sein Atelier. Dort malt er oder arbeitet an Skulpturen. Einige davon – aus alten Fahrradteilen hergestellte Insekten – sind auf den Dächern der Garagen ausgestellt. „Insekten haben etwas Mechanisches“, erklärt er seine Faszination für die von vielen Menschen als Ungeziefer gebrandmarkten Tiere. Doch bei den Einzelstücken auf den Dächern wird es nicht bleiben.

Nach Wunsch von Besitzer Joachim Johänning soll dort ein begehbarer Skulpturenpark entstehen. Ein weiteres Kunstwerk hat sich der Inhaber dafür bereits gesichert: das Facebook-Monster von Jacques Tilly, das auf einem Mottowagen beim diesjährigen Rosenmontagszug durch Düsseldorf fuhr..

Der Skulpturenpark steht – wie der gesamte Hinterhof – jedem Interessierten offen. „Das Quartier soll nicht nur ein Begegnungsort für uns, sondern auch mit den Leuten draußen sein“, erzählt Julia Cicek. Die Produktdesignerin hat ebenfalls ein Atelier gemietet, wo sie ihre neueste Kreation, eine Rankhilfe für Pflanzen in Form einer Giraffe, herstellt und vertreibt. An der Gemeinschaft in dem Hinterhof schätzt sie den gegenseitigen Austausch. Wenn jemand Hilfe brauche, könne er sich jederzeit an seine Nachbarn wenden. Daraus seien manchmal sogar gemeinsame Projekte entstanden. Zudem sitzen die Mieter gerne abends zusammen, um den Tag ausklingen zu lassen. Auch die Pflege des Innenhofs wird von den Mietern gemeinschaftlich übernommen. Neben den einzelnen Ateliers gibt es noch einen Gemeinschaftsraum, der stunden- und tageweise gemietet werden kann. Dort finden zum Beispiel Sprachseminare oder Kurse für Aktmalerei statt.

Um den besagten Austausch mit Menschen außerhalb des Quartiers zu ermöglichen, gibt es in dem Hinterhof regelmäßig offene Veranstaltungen. Die Mehrheit davon wird von Katja Panyutina organisiert, die in dem Hinterhof als Kuratorin und sogenannte Quartierschreiberin arbeitet. So gab es bereits verschiedene Ausstellungen, von denen immer auch ein Andenken im Hof zurückbleibt, Lesungen, Konzerte und sogar eine Fashion-Show. Dabei präsentierte der Düsseldorfer Modedesigner Martin Appelt seine neueste Kollektion, mit der er zuvor bereits auf den Laufstegen in Paris und Mailand zu Gast war. Dass er seine Werke trotzdem noch im Quartier 8 vorstellte, hatte vor allem einen emotionalen Grund: „Ich bin fast jeden Tag hier, für mich ist das hier ein Zuhause.“

 Quartiersbesitzer Joachim Johänning (v.l.) mit seinen kreativen Mietern Björn Tessnow, Erik Mamberger, Katja Panyutina, Çigdem Gedik, Julia Cicek und Tochter, Diana Schulz, Martin und Verena Appelt 

Quartiersbesitzer Joachim Johänning (v.l.) mit seinen kreativen Mietern Björn Tessnow, Erik Mamberger, Katja Panyutina, Çigdem Gedik, Julia Cicek und Tochter, Diana Schulz, Martin und Verena Appelt 

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)
 Erik Mamberger und seine Skulptur einer Gottesanbeterin

Erik Mamberger und seine Skulptur einer Gottesanbeterin

Foto: Daniel Schrader
 Die Sonne, die über dem Quartier scheint, hat Jacques Tilly kreiert.

Die Sonne, die über dem Quartier scheint, hat Jacques Tilly kreiert.

Foto: Daniel Schrader
 Der Quartiersbesitzer Joachim Johänning (l.) mit dem Modedesigner Martin Appelt

Der Quartiersbesitzer Joachim Johänning (l.) mit dem Modedesigner Martin Appelt

Foto: Daniel Schrader
 Julia Cicek mit der von ihr designten Rankhilfe in Form einer Giraffe

Julia Cicek mit der von ihr designten Rankhilfe in Form einer Giraffe

Foto: Daniel Schrader
 An vielen Stellen finden sich große und kleine Kunstwerke wie diese drei tierischen Figuren.

An vielen Stellen finden sich große und kleine Kunstwerke wie diese drei tierischen Figuren.

Foto: Daniel Schrader

Worte, die Besitzer Joachim Johänning gerne hört. Denn er ist in dem Hinterhof nicht nur Vermieter, sondern auch ein Förderer der Künstler, da er einerseits verhältnismäßig wenig Miete für die Ateliers verlangt, sich andererseits aber auch aktiv in die Gestaltung und Entwicklung des Quartiers einbringt. Durch die Corona-Krise kam das Leben in dem Hinterhof zwar ein wenig ins Stocken, doch sobald es die Lage wieder zulässt, soll es wieder neue Ausstellungen und Veranstaltungen im Quartier 8 geben, um den Austausch in dem Hinterhof wiederzubeleben.Aber auch abseits davon ist jeder Passant eingeladen, einen Blick in die bunte Welt des Künstlerquartiers zu werfen, sich mit den Künstlern auszutauschen und vielleicht auch inspirieren zu lassen. Denn die größte Freude für Joachim Johänning wäre es, wenn sich Nachahmer für sein Projekt finden würden. „Wir wollen ein Beispiel für andere sein.“

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