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Früher Düsseldorf, jetzt L.A. Mr. Music in Hollywood

Düsseldorf · Früher lebte und studierte Julian Scherle in Düsseldorf. Mit seiner experimentellen Musik ist er inzwischen ein gefragter Filmkomponist. Für ein von Morgan Freeman produziertes Drama ließ er einen Einkaufswagen „singen“.

Julian Scherle wohnte in Oberbilk und studierte an der Robert-Schumann-Hochschule, bevor er nach L.A. zog, um als Filmkomponist zu arbeiten.

Julian Scherle wohnte in Oberbilk und studierte an der Robert-Schumann-Hochschule, bevor er nach L.A. zog, um als Filmkomponist zu arbeiten.

Foto: Julian Scherle

Wenn Julian Scherle Musik für Filme oder Serien komponiert, kann selbst ein ausgedienter Einkaufswagen zum Musikinstrument werden. Den sogenannten Score für den Film „Princess of the Row“ (2019), den Hollywood-Star Morgan Freeman produzierte und in dem Martin Sheen mitspielt, vertonte er „quasi aus Trash“, also Müll und Schrott, wie er erzählt. Mit einem Kontaktmikrofon zog der Absolvent der Robert-Schumann-Hochschule dafür durch Los Angeles, klopfte wie ein Kind auf alte Metalltöpfe, Gläser oder Flaschen, um herauszufinden, wie das klingt. Mit einem Geigenbogen strich er schließlich über einen Einkaufswagen, den er zum Missfallen seiner Ehefrau mit nach Hause gebracht hatte. Als er ihn von der Plastikummantelung befreit hatte und mit dem Bogen darüber strich, „da fing das Teil an zu singen“, sagt Scherle.

Vor zehn Jahren zog der heute 37-Jährige von Düsseldorf nach Los Angeles, um als Filmkomponist zu arbeiten. Anfangs war er Praktikant und „Assistant Composer“ von Klaus Badelt, der (zum Beispiel mit Hans Zimmer) die Musik zu „Fluch der Karibik“ komponierte. Später arbeitete er mit Grammy- und Emmy-Preisträger Mac Quayle für erfolgreiche Serien wie „American Horror Story“ und „Mr. Robot“ zusammen. Sein Sprung in die Selbstständigkeit war dann eine couragierte, wirtschaftlich riskante Entscheidung in einer Stadt, die Künstler auffressen und wieder ausspucken kann. Sie bedeutete auch erst einmal den Abschied von den großen Produktionen und vor allem Small-Budget-Filme.

Doch Scherle lag richtig: Die Liste seiner Film- und Serienprojekte ist beeindruckend. Darunter sind Filme wie aktuell der Thriller „Missing“ oder „Heart of Champions“ (2021), bei dem ein Orchester erstmals seine Kompositionen einspielte, was er einen seiner besonderen Karrierehöhepunkte nennt. Und Serien wie „Luden“ (2023), die im Hamburg der 1970er- und 1980er-Jahre spielt: „Ich bin großer Fan der Musik dieser Zeit und hatte sehr viel Spaß, einen authentischen Sound (Soul, Funk, Glamrock, Synth) zu kreieren, alles mit Synthesizern, Instrumenten und Equipment aus dieser Zeit.“

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Der 37-Jährige reiht sich ein in den Kreis international erfolgreicher deutscher Filmkomponisten: Der ebenfalls aus Düsseldorf stammende Filmkomponist Hauschka alias Volker Bertelmann kann am Sonntag sogar erneut auf einen Oscar hoffen – dieses Mal für seine Filmmusik für „Im Westen nichts Neues“. Mehrfach wurde auch der ehemalige Punkrocker Scherle, der die Toten Hosen und die Ärzte zu seinen Jugend-Idolen zählt, für seine Musik nominiert und ausgezeichnet: etwa für „Heart of Champions“ oder für den „Best Score“ für „Princess of the Row“ bei den Los Angeles Film Awards 2021. Ein Projekt, das Scherle „sehr erfüllend“ fand: Anderthalb Jahre arbeitete er daran, hatte Zeit, Ideen auszuprobieren, sie reifen zu lassen, was ihm wichtig ist. Ein Kontrast zu Serien wie „American Horror Story“: „Für eine Episode hatten wir oft nur eine Woche Zeit.“

Scherles Musik verbindet sich am besten mit Filmen und Serien, die wie er neue Wege ausloten, narrativ oder technisch, eine besondere Message haben. Das Indie-Drama „Princess of the Row“ erzählt die Geschichte eines schwarzen Pflegekindes, das sich nicht davon abbringen lassen will, bei seinem obdachlosen, geistig kranken Kriegsveteranenvater auf der Straße, im Armenviertel (Skid Row) von L.A. zu leben. Scherle verleiht dem Film mit seiner Musik eine dokumentarische Authentizität und Emotionalität, die nie abdriftet ins Kitschige. Der Protagonist von „Mr. Robot“ (Oscar-Preisträger Rami Malek) ist ein junger Programmierer, der am Tag als Cybersecurity-Ingenieur arbeitet und nachts zum Selbstjustiz-Hacker wird. Als er von einer Untergrund-Hacker-Gruppe rekrutiert wird, muss er eine wichtige Entscheidung treffen. Die Musik dazu ist stark von Sound Design und elektronischer Musik geprägt. Im Thriller „Missing“, das zum jungen Genre „Desktop-Film“ gehört, sucht eine Tochter von L.A. aus ihre während eines Kolumbien-Urlaubs verschwundene Mutter. Alles, was auf der Leinwand passiert, findet in Echtzeit auf einem Bildschirm (Handy, Laptop) statt. „In dem Projekt habe ich unter anderem machine learning in den Kompositionsprozess mit einbezogen“, also mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet, sagt Scherle.

„Musik war immer ein großer Bestandteil meines Lebens“, sagt Scherle, der aus Mittelfranken stammt. Und das Experimentieren. Sein Vater war Gitarren- und Lautenmeister, gab daheim Workshops. Scherle war immer umgeben von Musik und Instrumenten. Sein Klavierunterricht begann mit fünf. Alte Musik anderer zu spielen: Daran hatte er allerdings nie viel Spaß. Als er sechs oder sieben Jahre alt war, nahm er seine erste Klavierkomposition mit dem Diktiergerät seiner Mutter auf. „Ich fand schon immer, dass es mehr Spaß macht, neue Sachen zu erfinden“, sagt der Mann mit den langen blonden Haaren. Mit zehn Jahren sah und hörte er Luc Bessons Film „Das fünfte Element“. „Man kann so etwas Großartiges mit Musik schaffen!“, habe er damals entdeckt. Als er die Musik auf eine Kassette überspielte und sie seiner Klavierlehrerin vorspielte, wusste die nichts damit anzufangen: „Die Musik ist sehr percussive und synthdriven“, sagt Scherle und lacht.

An seine Düsseldorfer Zeit, als er am Institut für Musik und Medien der Robert-Schumann-Hochschule studierte und in Oberbilk lebte, erinnert er sich gerne zurück. Das sei eine „schöne Community“. Während seines Studiums lernte er, wie man ein Schlagzeug aufnimmt, einen Kompressor baut oder wie man eine Kamera bedient, viel auch über Sound Design, was ihn anfangs begeisterte. In Projekten mit anderen Studierenden (Kurzfilme oder Catwalk-Shows zum Beispiel) probierte er sich künstlerisch und technisch aus. Den Studierenden-Wettbewerb von Henkel für eine Somat-Werbung gewann er: „Ich weiß noch, wie ich in meinem klitzekleinen Raum in meiner Oberbilker WG an der Mintropstraße mit einem Fünf-Euro-Mikrofon und meiner alten Gitarre, die ich habe, seit ich 15 war, alles einklöppelte und aufnahm.“ Seine Vorstellung von der Arbeit als Sound Designer stellte sich mit der Zeit allerdings als „zu romantisch“ heraus: Schnell langweilte er sich, realistisch klingende Geräusche zu entwickeln, etwa von einer Tasse, die auf dem Tisch abgesetzt wird.

Sich spontan mit jemandem verabreden zu können: Das hat ihm im übersichtlichen und mit einem gut ausgebauten ÖPNV ausgestatteten Düsseldorf immer gefallen. Anders ist es nun in seiner neuen Heimat L. A., wo er mit seiner Frau lebt. Dort ist er auch immer wieder erschüttert von den wachsenden Armutsvierteln, gerade seit Corona.

„Alles ist Musik“, ist der Multi-Instrumentalist (Klavier, Cello, Violine u. a.) überzeugt, der sein Musikstudio daheim als „Raumschiff“ bezeichnet. Ein alter Einkaufswagen könne ebenso „singen“ wie eine pneumatische Müllpresse, die ihn einst in einem Düsseldorfer Restaurant begeisterte, wo er arbeitete. „Diese verschiedenen tonalen Elemente, die alle gleichzeitig zu hören waren, wenn die Presse runterging, produzierten einen unfassbar coolen Sound. Und ich realisierte: Sogar eine Müllpresse kann Musik machen.“

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