Drohende Amtsenthebung Fall Hennes überschattet das Erzbistum Köln

Köln/Düsseldorf · Dem Pfarrer, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, droht die Amtsenthebung. In letzter Instanz entscheidet Rom.

 Dunkle Wolken über den Turmspitzen des Kölner Doms.

Dunkle Wolken über den Turmspitzen des Kölner Doms.

Foto: imago/JOKER/imago stock&people

Es schien ein Tag der Schadensbegrenzung zu sein: Am Donnerstagmorgen empfing der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, den Tags zuvor „geschassten“ Düsseldorfer Pfarrers Ulrich Hennes. Am Abend traf dann in der Landeshauptstadt Weihbischof Dominikus Schwaderlapp den Kirchenvorstand von St. Lambertus, der Pfarre von Hennes.

Doch so schnell scheinen sich die dunklen Wolken über dem Erzbistum nicht verscheuchen zu lassen. Zu lange schon bewegt die Menschen der „Fall Hennes“, zu undurchsichtig sind die Gründe bis heute geblieben. Allein die karge Faktenlage hinterlässt Fragen: Seit dem 19. März ist Hennes beurlaubt. Grund ist der Vorwurf der sexuellen Belästigung eines 20-jährigen Mannes 2001. Erst prüfte die Staatsanwaltschaft den Vorgang und stellte das Verfahren ein. Dann wurde mit dem Paderborner Theologen Rüdiger Althaus ein unabhängiger kirchlicher Gutachter beauftragt, der Hennes ebenfalls entlastete. Eigene Recherchen des Erzbistums kamen zu einem anderen Ergebnis. Danach soll Hennes damals die seelsorgerische Notlage des jungen Mannes sexuell ausgenutzt haben. Der Kölner Erzbischof hat Hennes am Mittwoch vom Amt des Stadtdechanten entbunden und darüber hinaus ein Verfahren zur Amtsenthebung als Pfarrer eingeleitet.

Das Althaus-Gutachten habe „offenbar das falsche Ergebnis“ gebracht, sagte gestern Peter Schnatenberg unserer Redaktion. Und: „Mir scheint, dass Köln unbedingt Gründe brauchte, um Ulrich Hennes böse erscheinen zu lassen, um ihn als Pfarrer entlassen zu können. Die Schilderung der sexuellen Belästigung stamme „aus dem Reich der Phantasie und ist nicht wahr. Wahr ist, die beiden Männer haben gemeinsam gekocht, mehr nicht!“

Rechtlich wolle man nach Schnatenbergs Worten nun gegen drei Dinge vorgehen: gegen eine Amtsenthebung als Pfarrer, gegen eine Entpflichtung als Stadtdechant, vor allem „gegen das Zelebrationsverbot, das ist nach kanonischem Recht nämlich nur als Strafmaßnahme vorgesehen und war von Anfang an unrechtmäßig.“

Während der Zeit der Suspendierung darf Hennes nach Angaben des Münsteraner Kirchenrechtlers Thomas Schüller seine Weihegewalt nicht ausüben. Allerdings nach Abschluss des Verfahrens, selbst wenn Hennes seines Amtes als Pfarrer enthoben wurde. Er dürfte also weiterhin Gottesdienste feiern. Auch in finanzieller Hinsicht wird es keine Änderung geben. Der Kardinal kann im Fall der Amtsenthebung ihn in den vorzeitigen Ruhestand versetzen und zahlt ihm dann seine Pension. „Kardinal Woelki muss für den Pfarrer sorgen, er bleibt lebenslang Alimentations-verpflichtet“, so Schüller. Denkbar wäre aber auch, dass Hennes in einer anderen Diözese unterkommt, dies aber nur mit Genehmigung des Kardinals. So etwas käme nach den Worten des Kirchenrechtlers gelegentlich vor.

In einem Brief an Kardinal Woelki bat gestern der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel darum, „das Verfahren gegen Ulrich Hennes nunmehr zeitnah zum Abschluss“ zu bringen – mit „seiner vollständigen Rehabilitation“. Danach sieht es derzeit nicht aus, und schon gar nicht nach einer schnellen Lösung. Sollten die sogenannten Pfarrkonsultoren die Amtsenthebung bestätigen, müsste Ulrich Hennes eine Verwaltungsbeschwerde bei der Kleruskongregation in Rom einlegen. Die prüft den Fall dann erneut – mit heimischer Beteiligung: Kardinal Woelki ist Mitglied der Kongregation, wie es zuvor schon sein erzbischöflicher Vorgänger, Joachim Kardinal Meisner, gewesen ist.

Das ganz Verfahren dürfte fast ein Jahr dauern. In dieser Zeit bliebe Hennes suspendiert. Es dürfte aber auch kein anderer Pfarrer auf seine Stelle berufen werden, sondern nur ein Pfarrverwalter. Die Gemeinde von St. Lambertus wird längere Zeit also verwaist bleiben.

So komplex das Verfahren zur Amtsenthebung als Pfarrer ist, so leicht ist die Amtsentbindung von Hennes als Stadtdechanten. Diese kann Kardinal Woelki sogar ohne Angaben von Gründen vollziehen. Nach all den erregten Debatten, die es seit Monaten um Fall gab und gibt, wäre ein Rückkehr als Stadtdechant ohnehin schwer vorstellbar.

Für viele in der Stadt und im Bistum bleiben die Vorgänge um Ulrich Hennes schwer verständlich. Dies vor allem nach der strafrechtlichen und kirchenrechtlichen Entlastung. Von einem „Freispruch erster Klasse“ spricht Oberbürgermeister Geisel.

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