Apollo Varieté Der Mann mit den Muskeln

Düsseldorf · Anfänglich sieht alles noch ganz harmlos aus. Doch schon wenige Minuten später stockt dem Zuschauer der Atem. Encho Keryazov ist Handartist, und zwar ein ganz außergewöhnlicher. Mit nacktem Oberkörper, offensichtlich bestens durchtrainiert, betritt er in einer eleganten weißen Hose mit Glitzer-Ornamenten an der Seite, die Bühne.

 Encho Keyryazov mit seinem Sohn Titi vor dem Apollo. Dort tritt er noch bis zum 8. Juli auf.

Encho Keyryazov mit seinem Sohn Titi vor dem Apollo. Dort tritt er noch bis zum 8. Juli auf.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Das kahlköpfige Schwergewicht verbeugt sich, lächelt, dann besteigt er eine sich langsam drehende Scheibe und setzt dort zwei etwa einen Meter hohe Metallstangen ein. Jetzt demonstriert er Körperbeherrschung par excellence: Zunächst balanciert er im Handstand, dann einhändig – mal waagerecht, mal senkrecht. Doch das ist nichts gegen das, was als Höhepunkt folgt.

Inzwischen hat er die beiden Stangen ausgewechselt. Sie reichen fast an die Decke. Und das Ganze toppt er noch, indem er Stein für Stein, bis zu sieben, auf jeder Stange noch weiter nach oben balanciert – im Handstand, versteht sich – draufsetzt. Eine wackelige Angelegenheit. Und dann kommt’s: Mit einem spektakulären Abfaller stößt er die Steine seitlich weg und steht senkrecht wieder auf den beiden Stangen im Handstand – und dies ohne Netz und doppelten Boden.

Mit dieser außergewöhnlichen Nummer trat der 43-Jährige schon mehrfach im Zirkus Roncalli auf. Zur Zeit ist er im Apollo Varieté zu sehen, während sein jüngster Sohn in die Zirkusschule von Roncalli geht. Die hat sein ältester Sohn schon abgeschlossen.

Dabei stammt Keryazov gar nicht aus eine Zirkusfamilie, seine Eltern waren beide Lehrer. Doch der (heute kaum vorstellbar) schmächtige Junge begann schon im Alter von sechs Jahren mit dem Akrobatik-Training, obschon ihm die Trainer die körperlichen Voraussetzungen dafür absprachen. „Ich war mit fünf Jahren zum ersten Mal im Zirkus – und fasziniert. Von der Livemusik, von der Akrobatik, von allem“, sagt Keryazov. „Ich wollte Akrobat werden, und der Traum wurde wahr“, sagt er. Allerdings musste er dafür hart arbeiten. Zunächst musste er seine Eltern überzeugen. Das sei ein richtiger Kampf gewesen. Aber seine Sportlehrerin war mit seinen Eltern befreundet und konnte Starthilfe leisten.

Zwar trat er noch nicht im Zirkus auf, trainierte aber hart, und bescheiden erklärt er, dass er mit 14 Jahren Jugendmeister in Sportakrobatik war. Er wurde Mitglied der bulgarischen Nationalmannschaft und Landesmeister der Sportakrobatik. „Zu Zeiten des Kommunismus’“, ergänzt er. Die seien nicht einfach gewesen. Doch der junge Encho schaffte den Absprung und schloss sich mit 16 Jahren der Jockey-Reitetruppe Romanovi an und tourte sieben Jahre im Zirkus durch Europa.

Bis er seine eigenständige Equilibristik-Nummer entwickelt. „Ich glaube, heute ist sie perfekt.“ Mehr könne man nicht mehr ändern. In Monaco erhielt er beim Zirkusfestival dafür den „Silbernen Clown“, eine der höchsten Auszeichnungen der Branche. Dafür trainiert er hart, geht fünfmal die Woche ins Fitnessstudio und achtet auf seine Ernährung.Denn mit seinen 80 Kilo bringt er nicht unbedingt die Figur eines Handakrobaten mit. 4000 Kalorien nimmt er zu sich. Die benötigt er, vor allem isst er Fleisch. Doch sein Problem seien die Süßigkeiten, meint er. Und da er im Apollo Varieté immer als Letzter auftritt, isst er vor der Vorstellung nicht, sondern erst danach – also weit nach 22 Uhr.

Noch bis zum 8. Juli ist Encho Keryazov in Düsseldorf zu sehen, danach geht es in den Wintergarten nach Berlin.

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