Gegenentwürfe zum Zurheide-Riesenmarkt Klein, kleiner, Supermarkt

Düsseldorf · 2017 soll in Düsseldorf der wohl größte Lebensmittelladen Deutschlands eröffnen. Aber kommt es bei Supermärkten wirklich auf die Größe an? Drei Beispiele, die das Gegenteil zeigen.

Düsseldorf: Kleine Supermärkte mit großen Angebot
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Kleiner Laden, großes Sortiment

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12.000 Quadratmeter, 65.000 Produkte, 200 Mitarbeiter - die Dimensionen, die dem Familienunternehmen Zurheide für ihre nächste Filiale vorschweben, sind schwindelerregend. Ursprünglich sollte der Riesen-Edeka bereits in diesem Oktober im Ex-"Kaufhof" an der Berliner Allee eröffnet werden. Nun ist es doch erst 2017 soweit. Dann eröffnet dort auf zwei Etagen einer der größten Lebensmittelläden Deutschlands inklusive Gastronomie.

Währenddessen gibt es in Düsseldorf noch Supermärkte, die mit einem Bruchtteil dieses Platzes auskommen. Auf wenigen Quadratmetern ein geeignetes Sortiment anzubieten, ist eine Herausforderung. Wir haben drei Lebensmittelläden in Düsseldorf gefragt, wie sie mit dem begrenzten Platz ihrer Filialen umgehen. Das Geheimnis: Augenmaß beim Einkauf, Kreativität bei der Inneneinrichtung - und ganz viel mit dem Kunden sprechen.

Beispiel 1: Rewe City in der Kö-Galerie, 1000 Quadratmeter

Normale Rewe-Filialen sind zwischen 2500 und 3000 Quadratmetern groß, die kleineren "Rewe City"-Läden zwischen 400 und 1000. Wie kommt man als Marktleiter mit begrenztem Platz klar?

"Es kommt darauf an, das optimale Sortiment für die Kundschaft zu finden", sagt Sven Sprenger. Eigentlich logisch. Hier am Standort heißt das: Luxus. Wer in der Kö-Galerie einkauft, kommt wahrscheinlich aus den Büros der Umgebung oder als reicher Tourist aus dem Nahen Osten. Deswegen gibt es hier Trüffelbutter, Trüffelöle und Trüffel pur, über 100 Sorten Champagner, edles Voss- oder Fiji-Mineralwasser und Cognac für 4200 Euro die Flasche.

Dafür verzichtet Sven Sprenger beim Einkauf auf Tier- und Babynahrung. "Die gibt es sowieso in der Drogerie nebenan." Statt vielen verschiedenen Sorten Weizenmehl gibt es eben nur zwei — meist die billige Eigenmarke plus ein Markenprodukt. Und was nicht gekauft wird, fliegt gnadenlos raus. Pflaumenmus zum Beispiel. "Wir haben uns das angeguckt: Das läuft hier einfach nicht", sagt Sprenger und zuckt mit den Schultern. "Keine Ahnung, warum nicht."

Angst vor der Konkurrenz des neuen Riesen-Ladens ab 2017 habe er nicht, sagt Sprenger. "12.000 Quadratmeter muss man auch erst mal mit Sortiment vollkriegen", sagt er. "Und dafür braucht man dann eben 250 verschiedene Sorten Mehl. Aber braucht der Kunde die auch?"

Im Video erklärt Marktmanager Sven Sprenger, warum es nicht auf die Größe ankommt:

Beispiel 2: Feinkost Cayan in Oberkassel, 450 Quadratmeter

Eigentlich ist Sengül Usta (38) ihr Laden viel zu groß. "Früher hatte wir 60 Quadratmeter hier gegenüber", sagt sie und seufzt leise. "Das war auch ganz schön — klein und fein." Ein Obst- und Gemüseladen war das hauptsächlich. Auch heute noch fällt bei "Feinkost Cayan" sofort das frische Sortiment am Eingang ins Auge, das Sengül Ustas Mann jeden Morgen beim Großmarkt einkauft.

Vergrößert haben sich die Ustas, als um die Ecke eine Rewe-Filiale einzog. "Wären wir immer noch so klein, gäbe es uns jetzt nicht mehr", ist die Inhaberin sicher. In Oberkassel besetzt "Feinkost Cayan" eine Nische: Hier gibt es ein gemischtes Angebot aus türkischen und deutschen Produkten. "Meine Kunden kommen her, weil sie die türkischen Produkte suchen", sagt Sengül Usta. Zum Beispiel die türkischen Snacks wie Sonnenblumenkerne — oder die Crèmes, Oliven und eingelegten Gemüsesorten aus der Kühltheke. Bio-Artikel, Haushaltswaren oder Tiefkühl-Kost sind dagegen deutschen Fabrikats.

Auch auf 450 Quadratmetern muss Usta als Einkäuferin wählerisch sein. "Ich kann nicht sechs Sorten Zahnpasta ins Regal stellen — bei mir gibt es zwei", sagt Usta. Das richtige Sortiment für Standort und Ladenfläche zu finden, sei anfangs schwierig gewesen. "Aber ich habe viel mit meinen Kunden geredet, immer gefragt, was sie brauchen. Der Rest ist Bauchgefühl."

Im Video erklärt Inhaberin Sengül Usta, wie sie mit ihrem kleinen Laden in Oberkassel eine Nische besetzt:

Beispiel 3: Markthalle in Pempelfort, 36 Quadratmeter

Büdchen? Kiosk? Nein, das hier ist die "Markthalle”. Eine von dreien in Düsseldorf. Diese hier an der Jülicher Straße betreibt Haris Pandza (33). Das Konzept: weg vom "schummrigen, altbackenen Büdchen-Image"; maximales Sortiment auf minimalem Platz; und Produkte, die man teils hier zuerst findet. "Wir hatten Ben&Jerry's-Eis oder Club Mate, als es das noch nicht im Supermarkt gab", sagt Pandza, selbsternannter Getränkenerd, für den eine Limo namens "Soulsoda" das nächste große Ding ist. "Ich suche ständig nach neuen Produkten, zum Beispiel in sozialen Netzwerken. Und wenn Leute mit was Neuem auf mich zukommen, stelle ich das für vier Monate probeweise ins Regal - immer."

In der Markthalle gibt es das übliche Kiosk-Sortiment — Getränke, Snacks, Tabakwaren. Dazu kommen eine Frischetheke mit Milchprodukten und Sandwiches sowie alltägliche Lebensmittel wie Dosensuppen oder Nudeln. "Bei 36 Quadratmetern müssen wir hochstapeln", sagt Pandza. Bis unter die Decke. Eigentlich hat er aber kein Platzproblem. Denn er betreibt aus der Markthalle heraus zwischen 18 Uhr und Mitternacht einen Lieferservice. Umsatz macht er also auch mit Ware, die nicht im Laden zu sehen ist, sondern auf etwa 120 Quadratmetern Lagerfläche im Innenhof steht.

Auf Zurheides Mega-Markt freut sich der Mann mit dem ganz kleinen Laden jetzt schon. "Klar", sagt er. "Ist doch total faszinierend, wie sowas funktioniert." Er habe Respekt davor, eine solche Maschinerie am Laufen zu halten. "Sogar bei uns fehlt ja ständig was im Regal und man muss nachbestellen. Wie muss das erst auf 12.000 Quadratmetern sein?"

In diesem Video erklärt Inhaber Haris Pandza, wie er es schafft, mit 36 Quadratmetern Ladenfläche auszukommen:

Dass der Trend zu immer größeren Supermärkten geht, bestätigen Experten nicht. "Verbraucher suchen anlassbezogen unterschiedliche Vertriebsformate nebeneinander auf", sagt Susanne Eichholz-Klein vom Institut für Handelsforschung in Köln. Es gebe durchaus einen Trend zum "One-Stop-Shopping", also dem Gedanken, in einem Laden alles zu finden, was man braucht. "Das beflügelt die Großflächen, während andere Konzepte in City-Lagen auf kleinerer Fläche unter anderem mit Convenience-Produkten den Konsumenten erreichen." Sprich: Von hungrigen Bürohengsten profitiert der kleine Supermarkt mit der Salatbar und den Fertiggerichten.

(hpaw)
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