Düsseldorf Düsseldorf — die Stadt der Brücken

Düsseldorf · Manche sind 150 Jahre alt, die Jüngste steht erst ein paar Monate: 350 Mal wird in Düsseldorf ein Fluss oder Flüsschen, Bach oder Graben, Kanal oder Rinnsal überbrückt - und allein sieben Mal der Rhein. Doch die Bauwerke aus Beton und Stahl, Stein und Holz halten nicht ewig, deshalb werden sie regelmäßig kontrolliert und repariert. Das kostet die Stadt jedes Jahr Millionen.

Düsseldorf: Die Stadt der Brücken
6 Bilder

Düsseldorf: Die Stadt der Brücken

6 Bilder
Foto: Endermann, Andreas

Die zierliche "Goldene" im Hofgarten ist die älteste Düsseldorfer Brücke, unter ihr schwimmen Enten und Schwäne schon seit 1856. Die spektakulärste ist bis heute die Oberkasseler Brücke, die 1976 in einer weltweit einmaligen Schiebung in ihre heutige Lage versetzt wurde. Eine der beliebtesten ist der Fuß- und Radfahrerbrücke im Medienhafen — all diese Brücken verbinden nicht nur zwei Punkte miteinander, sie prägen die Stadt mit einer unverwechselbaren Silhouette.

Eine steile Treppe führt hinab in die Finsternis, in die Eingeweide der Kniebrücke. Dunkelgrauer Beton, niedrige Decken, darüber rauscht der Verkehr, darunter sind die Rheinwiesen zu sehen. Das ist der Arbeitsplatz eines Spezialtrupps, der im Auftrag der Stadt zurzeit an der Brücke im Einsatz ist - Beton-Prüfung von unten. Wie oft das zu geschehen hat, regelt in allen Details DIN-Norm 1076: alle vier Monate ein Kontrollgang, alle drei Jahre eine große Inspektion. "Da wird jedes, aber auch wirklich jedes einzelne Bauteil kontrolliert", erläutert der Bauingenieur Andreas Schmitz, zuständig im Amt für Verkehrsmanagement für Unterhaltung und Sanierung aller Brücken und Tunnel.

Er weist auf eine Schweißnaht mit verdächtiger Spur. "Das sind die Stellen, wo häufig Risse auftreten." Hier wird nun genau gemessen, wie tief der Riss ist, ob er an einer entscheidenden Stelle auftritt und Folgeschäden zu befürchten sind. Und: ob die Sicherheit möglicherweise gefährdet ist. Das alles sind Kriterien, ob sofort oder später saniert wird. "Die Sicherheit hat bei unseren Entscheidungen oberste Priorität", versichert Schmitz. Bis der Drei-Mann-Trupp mit seiner Inspektion der Kniebrücke fertig ist, werden drei Monate vergehen. An guten Tagen schaffen sie 50 Meter, dabei werden auch alle Betonwände abgeklopft, Seile und Fahrbahndecken geprüft, jeder Pfosten des Geländers begutachtet. 6,1 Millionen Euro gibt die Stadt pro Jahr für die Inspektion und Instandhaltung ihrer Brücken und Tunnel aus. "Gut investiertes Geld", meint Schmitz, denn ständige Kontrolle und Reparatur erhöhe die Haltbarkeit.

Ewig hält so eine Rheinbrücke dennoch nicht. Ursprünglich war ihre Lebensdauer mit etwa 100 Jahren errechnet worden. Aber in jenen Jahren, als sie gebaut wurden, rollten vielleicht tausend Autos über ihren Asphalt, heute sind es rund 50 000 — über jede Brücke, jeden Tag. Zweiter Feind des Materials ist das Streusalz im Winter, es dringt in die Beton-Poren, frisst den Stahl an. "Aber 80 Jahre werden sie bei guter Pflege wohl trotzdem halten", meint Schmitz. Das könnte bedeuten, dass die Südbrücke (die offiziell "Josef-Kardinal-Frings-Brücke" heißt), als älteste der Nachkriegsbrücken 1951 eröffnet, in rund 20 Jahren allmählich einer Nachfolgerin Platz machen müsste. Investitionen, die im Moment nicht erforderlich sind, werden deshalb aufgeschoben. So tragen die Rheinbrücken alle noch eine Sprengvorrichtung in ihrem Kern, installiert in den Zeiten des Kalten Krieges. "Da musste nur ein Zünder eingesetzt werden und man hätte auf den "Go"-Knopf drücken können, um eine Brücke im Angriffsfall zu sprengen" so Schmitz. Längst hat der Bund erlaubt, diese Vorrichtungen zu entfernen, aber das würde viel Geld kosten, also bleiben sie, wo sie sind. Relikte aus der Vergangenheit. Die Südbrücke gilt mit ihrer flachen Konstruktion als die Schlichte unter den Rheinbrücken, von denen die meisten mit eleganten Schrägseilen und dominanten Pylonen architektonische Ausrufezeichen setzen. Und Rekorde aufstellten. So war die Theodor-Heuss-Brücke 1957 die größte Schrägseilbrücke der Welt. Auch die Oberkasseler Brücke trumpft auf, ihr Pylon ragt mit 104 Metern in den Himmel. Außerdem kann sie die spannendste Geschichte bieten.

Schon 1898 wurde an ihrer Stelle eine Brücke über den Strom in den jungen Stadtteil Oberkassel gebaut, als erste Rheinüberquerung im Düsseldorfer Raum überhaupt. Nachdem sie in den letzten Kriegstagen 1945 gesprengt worden war, gab es in den Jahren des Wiederaufbaus nur ein enges Provisorium, ein Nadelöhr ins Linksrheinische. Schließlich entschied man sich in den 70er Jahren zu einem Neubau, weil die Straßenbahn endlich nach Oberkassel rollen sollte. Ein Entschluss, der weltweit für Schlagzeilen sorgen sollte.

Denn die neue Brücke wurde direkt neben ihrer alten Verwandten errichtet, um den Verkehr während der Bauzeit nicht zu strangulieren. Dann wurde die alte Brücke abgerissen und der fertige Neubau mit einem Gesamtgewicht von 12 500 Tonnen um exakt 47,50 Meter verschoben. "Eine Aufsehen erregende Ingenieursleistung", kommentiert Schmitz (39) das Ereignis, das in jeder Stadt-Chronik zu finden ist. Er war zu diesem Zeitpunkt gerade drei Jahre alt.

Aber nicht nur die großen Beton/Stahl-Kolosse am Rhein prägen das Stadtbild, sondern auch die vielen kleinen Brücken. Die erste Brücke entstand nach einem Streit der Stadtspitze. Die Herren konnten sich nicht einigen: Die einen wollten den Kö-Graben schnurgerade anlegen, die anderen gaben einem forschen Zickzack ihre Stimme. Schließlich wurde er ganz schlicht und bekam 1801 Düsseldorfs erstes Brückchen, das ein Zollhäuschen trug. Beides ist längst verschwunden. Heute ist die älteste Kö-Brücke, die die beiden Boulevard-Seiten miteinander verbinden, die Girardet-Brücke von 1907, deren Jugendstil-Laternen am Abend sanftes Licht verbreiten.

Seit etwa 60 Jahren werden in Düsseldorf Fußgängerbrücken gebaut, manchmal in weitem Schwung wie an der Rotterdamer Straße, früher oft mit heftiger Steigung, die für Stöckelschuh-Damen kaum zu erklimmen war. Aus kantigem Stein erhebt sich die Pfeiffer-Brücke seit 1907 über die Ludenberger Straße. Sie ist nach ihrem Stifter Wilhelm Pfeiffer, einem Düsseldorfer Bankier, benannt und sorgte, kaum war sie fertig, auch schon für große Aufregung. Denn der preußische Kronprinz hatte in jenen Tagen seinen Besuch in Düsseldorf angekündigt, die Menschen strömten zusammen, um des Kaisers Sohn zu bewundern — und trampelten in Scharen über den frischen Beton der Brücke. Der Hochgeborene war längst wieder weg, als in Düsseldorf immer noch gestritten wurde, wer den Brückenboden ausbessern sollte. Jahrzehnte dauerte der Briefwechsel zwischen den Behörden und der Betonfirma. Keiner wollte für die Kosten aufkommen — langsam wurde das Bauwerk morsch, geriet in Vergessenheit und wurde erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von der Stadt repariert. In die Schlagzeilen geriet die Brücke noch mal 2008, als vermutlich Kinder Steinchen und Glassplitter von oben auf die Fahrbahn warfen — ein Auto wurde schwer beschädigt. Ärger verursachte auch lange Zeit die Fleher Brücke, eine der großen Rheinquerungen. Über 35 Jahre kämpfte eine Bürgerinitiative gegen die Geräuschkulisse, die Lastwagen und Autos erzeugen, wenn sie über die Dehnungsfugen an den Auffahrten rollten. Diese Konstruktionen sorgen dafür, dass sich der Stahl bei Kälte ausdehnen kann, im Winter aber sind sie durchaus mehrere Zentimeter breit. Jeder Reifen, der darüber fährt, erzeugt ein Dröhnen.

Schließlich hatte der lange Kampf der Anwohner Erfolg. Das Land, zuständig für die Autobahnbrücken, willigte ein, die Krachschläger auszutauschen, Flüsterasphalt zu verlegen und eine Lärmschutzwand zu installieren.

Einen schwierigen Start hatte auch das jüngste Kind der Düsseldorfer Brückenfamilie, der "Überflieger" an der Völklinger Straße, der im Juli eröffnet, zunächst von den Autofahrern kaum als neuer Weg in den Hafen genutzt wurde. "Das hat sich mittlerweile geändert", versichert Andreas Schmitz. Im August war dann die Sicherheit des filigranen Bauwerks noch mal überprüft worden. Ergebnis: "Der Überflieger erfüllt alle Anforderungen und Richtlinien." Zügig rollte vom ersten Tag nach ihrer Eröffnung 2002 der Verkehr über die Flughafenbrücke — jeden Tag mehr als 65 000 Autos. Sie gilt als schneller Weg zur Messe und zum Airport. Auf den Reißbrettern der Planer war die 1289 Meter lange Rheinquerung über Jahrzehnte entwickelt worden, nach ihrer Vollendung verringerten sich die Anreisezeiten schlagartig und die Stadtteile im Düsseldorfer Norden wurden durch den Ausbau der A44 vom Verkehr entlastet.

Über eine der beliebtesten Düsseldorfer Brücken fahren keine Autos. Das 150 Meter lange Stück, das seit 2005 eine Brücke über den Medienhafen schlägt, ist für Fußgänger und Radfahrer reserviert und mit seinen vielen Stufen ein Ort zum Schlendern, Schauen, Sitzen. Im Sommer packen die Büroleute mittags ihre Lunchpakete aus, abends genießen unzählige Paare Romantik mit Rheinblick: ein Brückenschlag für die Menschen.

(rl/ac)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort