Kolumne Mein Düsseldorf Darf es auch ein Faustgruß sein?

Düsseldorf · Das nächste Level der Corona-Lockerungen: Es werden wieder Hände geschüttelt. Für viele ist das der nächste Schritt zur Normalität, andere wollen das alte Ritual hingegen gar nicht zurück. Unsere Autorin gehört dazu.

 In der Corona-Pandemie war das Händeschütteln als Grußformel verdrängt worden – von einem Faustgruß oder einem freundlichen Lächeln, auf das dieses Schild hinweist.

In der Corona-Pandemie war das Händeschütteln als Grußformel verdrängt worden – von einem Faustgruß oder einem freundlichen Lächeln, auf das dieses Schild hinweist.

Foto: dpa/Felix Kästle

Mein erster Händedruck seit ungefähr eineinhalb Jahren ereignete sich vor zwei Wochen. Vor dem Rathaus streckte mir ein Politiker bei unserer ersten Begegnung seit Monaten freundlich die Hand hin, ich ergriff sie – und muss im nächsten Moment recht erschrocken dreingeschaut haben. „Irgendwann muss man damit ja schließlich wieder anfangen“, meinte er aufmunternd. Seitdem habe ich darüber nachgedacht – und frage mich: Wieso eigentlich?

Die Begegnung mit dem Händedruck blieb kein Einzelffall. Noch am selben Abend hat mir jemand bei einer kleinen Veranstaltung ebenfalls die Hand gereicht (Ich habe sie wieder ergriffen; der Reflex ist auch nach langer Pause schwer auszuschalten.), zwei Tage später bei einem Interview lief es ähnlich. Offenbar sind wir angesichts des Standes der Impfkampagne an einem Punkt, an dem die Sehnsucht nach mehr Normalität uns auch bei den Begrüßungsritualen einholt. Aber während kaum jemand in meinem Umfeld etwas dagegen hat, dass man wieder essen gehen kann, gehen die Meinungen beim Händeschütteln weit auseinander.

„Von mir aus muss das nicht wieder anfangen“, hat eine Freundin  mir schon vor Monaten gesagt. Sie erzählte Horror-Geschichten von schwitzigen Händen oder den Menschen, deren allzu weicher Händedruck frappierend an einen toten Hamster erinnert. Nun sind solche Extrembeispiele für mich nicht das  Argument – die eingangs geschilderten Begrüßungen jedenfalls waren alle normal, nicht schwitzig, nicht zu lau und auch nicht Typ Schraubzwinge.

Und doch hat Corona für viele von uns die Wahrnehmung verschoben, wie viel Raum man auch in der Öffentlichkeit für sich haben möchte. An der Supermarktkasse werden viele von uns nie wieder das In-den-Nacken-Atmen des Hintermannes ertragen wollen, nachdem wir so lange den 1,5-Meter-Abstand genossen haben. Ich habe neulich von Bekannten die Aussage gehört, es gebe keinen Grund mehr, im Winter maskenfrei in einem vollen Rheinbahn-Bus zu fahren, wenn um einen herum gehustet wird. Und ich persönlich stehe heute genervt auf, wenn sich in der Bahn ein Fremder auf den Platz direkt neben mir setzt – zu nah, nicht persönlich gemeint.

Der Verzicht aufs Händeschütteln wird schwieriger, weil immer zwei dazu gehören. Wenn man nun also nicht mehr reflexhaft nach einer dargebotenen Hand greift – wie erklärt man’s? Besonders in Düsseldorf, wo das gesellschaftliche Leben ausgeprägt und gleichzeitig die Welt so klein ist, dass man sich immer wieder trifft? Ratgeber empfehlen für solche Situationen etwa festen Augenkontakt – und raten dazu, offen die eigenen Motive zu erklären.

Dann stellt sich noch die Frage nach der Alternative. Den etablierten Faustgruß, übrigens ja ebenfalls nicht komplett kontaktfrei, aber weit lockerer als ein Händedruck, finde ich angenehm und persönlich, weil man sich dabei wie beim Händedruck anschaut. Der Ellbogen-Check ist wegen der nötigen Verrenkung etwas unpersönlicher, aber eine charmante Alternative.

Wenn man sich über die Wahl des alternativen Grußes nicht einig ist, kann es freilich so kommen wie neulich bei einem Event auf einer Baustelle am Flughafen. Da habe ich einen prominenten Vertreter der Düsseldorfer Wirtschaft freundlich mit der Faust gegen den Ellbogen geboxt (nicht sehr doll). Ich hätte schwören können, er hat zuerst mit der Faust angetäuscht. Aber ich verbuche das unter Lerneffekten.

Meinung Wie wollen Sie es mit dem Händeschütteln halten? Schreiben Sie mir an nicole.lange@rheinische-post.de

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