Schottische Musik aus Düsseldorf Die große Dudelsack-Musik aus Düsseldorf

Düsseldorf · Die Band „The Rhine Area Pipes & Drums“ machte die Musik bei TV-Shows bundesweit populär. Nun übergibt der „Pipe Major“ an einen Jüngeren.

 Mehr als 40 Jahre lang hat Klaus Glocksin (74) aus Angermund die Band geleitet.

Mehr als 40 Jahre lang hat Klaus Glocksin (74) aus Angermund die Band geleitet.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Sie haben schon für die Queen gespielt, als Elisabeth II. 1992 auf Staatsbesuch in Deutschland war. Sie standen mit Rod Stewart und Mike Oldfield auf der Bühne. Sie waren in den TV-Shows von Rudi Carrell und Thomas Gottschalk. Sie haben bei der Eröffnung von Düsseldorfs Bundesgartenschau für den guten Ton gesorgt und auch beim Landesfest, als NRW 70 Jahre alt wurde. Immer unüberhörbar, vielstimmig und mit einem Sound, als sei das schottische Hochland in die niederrheinische Tiefebene gerutscht: „The Rhine Area Pipes & Drums“ – 15 Männer und eine Frau. Tonangebend: Klaus Glocksin (74), der sich vor mehr als 40 Jahren in einen Dudelsack verliebt hat und mit seiner Band uralte Klänge auf die Show-Bühne katapultiert.

Wenn er über seine Musik spricht, klingt das beinahe so, als würde er von einem Fitness-Programm berichten: Die Lunge wird trainiert, als absolviere sie einen Waldlauf, das Gedächtnis wird geschult, die Fingerfertigkeit gefordert – und alles gleichzeitig. Da wird der ganze Mann gefordert. Glocksin preist in höchsten Tönen, was dabei herauskommt: ein absolut spezieller Klang – „einzigartig“.

Dabei mochte er diesen in seiner Jugend nicht. Ein Freund hat ihn schließlich infiziert mit dieser Art der Musik und für das Britische im Allgemeinen, denn der sammelte Uniformen, Helme – und besaß einen Dudelsack. Das ist wohl der Moment, in dem wir genauer hinsehen sollten, wie dieses merkwürdige Instrument funktioniert: Da ist zunächst ein roter Stoffbeutel, die Umhüllung eines Ledersacks, durch ein Blasrohr wird Luft in den Sack gepumpt – „fünf Liter Lungenvolumen“, sagt der Experte. Eine Flöte spielt die Melodie, drei Pfeifen spielen die Begleittöne, alles zusammen erzeugt den unverwechselbaren Klang.

„Der Dudelsack ist eines der ältesten Musikinstrumente der Welt“, weiß Klaus Glocksin. Und wurde wohl von den Kelten in den Nordwesten Europas transportiert, vor allem nach Schottland. Erst durch den Einsatz als Militärinstrument — nach seinen Klängen lässt sich zackig marschieren — wurde der Dudelsack weltweit bekannt. Glocksin brachte sich Anfang der 1970er Jahre selbst die ersten Stücke bei, übte stundenlang, spielte manchmal auf Partys. „Das kam gut an, die Leute fanden das exotisch.“ Aber im Publikum war irgendwann ein Kenner, ein Offizier der britischen Rheinarmee, der hörte auch die Fehler und bot ihm erst Unterricht und dann die Möglichkeit, in der Dudelsackband der Royal Airforce zu spielen.

Seine eigene Band „The Rhine Area Pipes & Drums Düsseldorf“ gründete er 1977 (mit seinem Freund Peter Bongartz) und weiß auch noch genau, wo die Premiere war: beim Schützenfest in Derendorf. „Danach ging‘s Schlag auf Schlag.“ Stadtfeste, Schützenfeste, Firmenjubiläen, manchmal Karneval. Schon bald immer öfter große Musik-Shows und Fernsehauftritte, „wir haben in großen Hallen und Arenen gespielt – und mit berühmten Leuten.“ Und auch für berühmte Leute: So waren sie zu Gast beim Sommerfest von Helmut Kohl, als der Kanzler war, und bei Johannes Rau, als der Ministerpräsident war. Mit wachsender Popularität haben sie offenbar einen Boom ausgelöst. „Vor 40 Jahren interessierte sich hierzulande kaum jemand für Dudelsackmusik, heute spielen in Deutschland mehr als 100 Bands.“

Auch zwei CDs (aus den Jahren 1989 und 2000) verewigen ihre Musik, auf denen sie traditionellen Märschen ein klingendes Denkmal setzen, aber auch „Amazing Grace“ auf ihre Weise interpretieren. Denn längst haben sie dem Dudelsack und den klassischen schottischen Trommeln moderne Arrangements verpasst und ihnen neue Begleiter an die Seite gegeben: Keyboard und E-Gitarre. Und sie haben tatsächlich seit einigen Jahren die erste Frau in ihren Reihen. „Wir haben uns lange gesträubt, weil traditionell in Militärkapellen ja auch keine Frauen spielten.“ Aber dann hat Corinna Menz, Offizierin bei der Bundeswehr, ihnen wohl neue Flötentöne beigebracht: „Bei ihr sind wir weich geworden.“

Mehr als 40 Jahre hat Klaus Glocksin die Band geleitet, hat Gastspiele organisiert, Finanzen geregelt, Ersatzteile für Instrumente besorgt. Nun übergibt er die Funktion des „Pipe-Major“ an einen Jüngeren: Markus Sevos. Aber spielen wird er weiterhin, denn das sei ja das Faszinierende am Dudelsack: „Man lernt nie aus.“ Apropos Lernen: Die Band erarbeitet zwar ihre Stücke nach Noten, spielt aber schließlich aus dem Gedächtnis. „Eine enorme Leistung bei einem Repertoire von mehr als 70 Stücken.“

An den großen Wettbewerben nimmt die Band mittlerweile nicht mehr teil – da teilten sich lange Zeit die berühmten Profigruppen von schottischen Regimentern die ersten Plätze. Inzwischen hat der Dudelsack längst neue Regionen erobert, heute gehen Preise und Trophäen für die besten Solo-Pfeifer und Pipe Bands oft nach Übersee, nach Kanada. Dort leben einige der wahren Meister des schottischen Dudelsacks.

Die lange Liebe zu dieser Musik hat bei Klaus Glocksin auch eine andere Leidenschaft befeuert: Er sammelt Garde-Uniformen britischer Regimenter. Die berühmteste von allen, die von der Wache des Buckingham-Palastes in London (mit Bärenfellmütze) getragen wird, ist Prunkstück in seinem Arbeitszimmer. In einer Vitrine versammeln sich Dolche, Messer, Helme, Schultergürtel von verschiedenen Regimentern – very british.

Im Schrank hängt das wichtigste Kleidungsstück eines Dudelsackspielers: der Kilt im traditionellen Schottenkaro. Überraschend schwer ist dieser Rock, denn dafür werden fast acht Meter Stoff in Falten gelegt — ein Stück fürs Leben. Nun ist vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, die eine Frage zu stellen, Sie wissen schon. Klaus Glocksin, der Schottland mehrfach bereist hat, winkt ab: „Ich könnte Ihnen natürlich erzählen, was Schotten unterm Schottenrock tragen, denn ich weiß es.“

Dann lächelt er und lässt die Frage noch einen Moment im Raum schweben wie die letzten Klänge einer Melodie. Man muss ja schließlich nicht alle Geheimnisse ausplaudern.

Der nächste öffentliche Auftritt der Band ist am 9. Februar bei der Karnevalssitzung der Stachelditzkes im Schlösser Quartier Bohème.

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