Düsseldorfer Busfahrer im Streik „Wir werden zum Teil übel beschimpft“

Interview | Düsseldorf · Horst Kolbe ist 45 Jahre alt und Busfahrer in Düsseldorf. Im Interview erklärt er, warum er am Donnerstag streikt, und erzählt von permanentem Zeitdruck und einer kurzen Irrfahrt.

 Herr Kolbe ist Busfahrer bei der Rheinbahn und streikt am Donnerstag mit seinen Kollegen.

Herr Kolbe ist Busfahrer bei der Rheinbahn und streikt am Donnerstag mit seinen Kollegen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Herr Kolbe, Sie und Ihre Kollegen sorgen am Donnerstag mit Ihrem Streik erneut dafür, dass für viele Düsseldorfer das Leben in Corona-Zeiten noch schwieriger wird. Finden Sie das angemessen?

Horst Kolbe Der Streik ist sicher nicht gut für die Menschen und er tut uns auch leid. Aber es war nicht vorherzusehen, dass die Tarifverhandlungen in Zeiten einer Pandemie nötig sein würden. In unserer Situation wird es Zeit, dass sich etwas tut, und diese Forderung müssen wir mit Nachdruck vertreten. Es ist zehn Jahre gespart worden im öffentlichen Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen, jetzt müssen wir etwas zurückbekommen.

Aber der Streik trifft doch ganz unmittelbar die Falschen und nicht die Arbeitgeber.

Kolbe Nur so können wir aber deutlich machen, dass wir systemrelevant sind.

Wie viel Geld verdient ein Busfahrer?

Kolbe Bei Berufsbeginn sind es 2522 Euro, nach 20 Jahren 2836. Diese im öffentlichen Nahverkehr eingeführte Entgeltgruppe sollte abgeschafft werden, da sie deutlich geringere Gehaltssprünge vorsieht.

Und wie kommen Sie mit dem Geld über die Runden?

Kolbe Wir, das sind meine Frau und mein 15-Jähriger Sohn, kommen klar. Das liegt aber auch daran, dass wir sehr wenig Miete zahlen und meine Frau noch 400 Euro im Monat dazu verdient. Ich habe aber auch Kollegen, die haben einen Nebenjob oder müssen aufstocken. Je nach Steuerklasse bleiben den jungen, alleinstehenden Kollegen gerade einmal 1400 Euro netto. Und das bei den Mieten in Düsseldorf. Ein Urlaub ist da nicht drin. Das darf einfach nicht sein. Die geforderten 4,8 Prozent mehr Lohn brauchen wir wirklich.

Wenn Sie mehr Geld verdienen, bleiben der öffentlichen Hand wohl weniger Mittel etwa für Kindergartenplätze. Ist das gerecht?

Kolbe So weit darf es natürlich nicht kommen. Kindergärten oder auch Schulen dürfen nicht darunter leiden. Der Bund muss dem öffentlichen Nahverkehr viel stärker helfen. Vor allem, wenn er es wirklich ernst meint mit der Verkehrswende und seinen Bemühungen gegen den Klimawandel. Und wenn ich sehe, welche staatliche Unterstützung Lufthansa oder auch die Bahn bekommen, kann ich nicht nachvollziehen, warum da der ÖPNV deutlich zu kurz kommt.

Wie sieht der Arbeitsalltag eines Busfahrers aus?

Kolbe Er beginnt in der Frühschicht gegen 3.30 Uhr. In der Spätschicht dauert die letzte Fahrt nach Benrath zum Betriebshof bis 2.30 Uhr. Diese unterschiedlichen Arbeitstage können auch aufeinander folgen. Eine Schicht dauert laut Arbeitsvertrag sieben Stunden und 48 Minuten plus eine halbe Stunde Pause. Allerdings dauern die Schichten unterm Strich immer länger und wir häufen alle Überstunden an – dabei beginnt unsere Arbeitszeit erst, wenn wir vom Hof rollen. Da wir so gut wie nie pünktlich an der Endhaltestelle ankommen, bleibt uns oft nicht mal Zeit, um auf die Toilette zu gehen. Wir sollen zwar unsere Pause machen, aber wie erklären sie das den Fahrgästen, die pünktlich losfahren wollen? Mir ist es ein Rätsel, warum die Fahrpläne nicht angepasst werden, die sind schlecht geplant. Der Verkehr nimmt zu, die Arbeitsbelastung steigt und man steht eigentlich permanent unter Zeitdruck.

Wie gefallen Ihnen da die Umweltspuren?

Kolbe Die an der Uni-Klinik ist sehr gut für uns. Wir kommen einige Minuten schneller durch und sind pünktlicher. Nur in der Rush Hour bringt sie nicht viel, da wir dafür länger auf der Autobahn im Stau stehen. Hier müsste für uns die Standspur geöffnet werden.

Wie verändern mehr Verspätungen den Kontakt zu den Fahrgästen?

Kolbe Sie sind dadurch viel öfter gereizt. Wir müssen uns ganz schön was anhören und werden zum Teil übel beschimpft. Nur aufgrund der Ticketkontrolle beim Einstieg bin ich neulich als Nazi betitelt worden. Das ist natürlich nicht schön. Kollegen sind auch schon bespuckt worden. Auch große Schülergruppen können schon allein aufgrund des Lautstärkepegels eine Belastung sein – und sagen lassen sie sich oft auch nicht viel. Wenn man da als Arschloch beschimpft wird, ist das noch harmlos.

Wie reagieren Sie auf solche Anfeindungen?

Kolbe Man muss ruhig bleiben. Und die Dinge erklären, obwohl das nicht immer geht, wenn da noch eine lange Schlange dahinter steht. Aber auf jeden Fall ruhig bleiben.

Haben Sie schon mal jemanden aus dem Bus werfen müssen?

Kolbe Einmal musste ich einen Betrunkenen bitten, das Fahrzeug zu verlassen, da er andere Fahrgäste belästigt und nur noch rumgeschrien hat. Ich bin an einer Haltestelle zu ihm hin und musste letztlich mit der Polizei drohen, damit er ging.

Macht Ihnen der Beruf angesichts dieses Stresses überhaupt Spaß?

Kolbe Ja, im Grunde tut er das, sonst könnte ich das nicht machen. Die meisten Fahrgäste benehmen sich ja auch. Manche von ihnen grüßen mich mit Namen, weil ich sie oft fahre. Oder ich bekomme sogar mal eine Tafel Schokolade geschenkt. Dieser Kontakt zu den Fahrgästen ist das Schöne an dem Beruf.

Haben Sie Lieblingsstrecken oder Routen, die Sie nicht so gerne fahren?

Kolbe Ja klar. Garath oder die Altstadt zu später Stunde sind bei vielen Kollegen tatsächlich nicht so beliebt. Ich persönlich bin lieber auf einer langen Linie eingeteilt, da man auf einer kurzen Route von einer halben Stunde dann auch 13 mal am Tag die gleiche Strecke fahren muss.

Und haben Sie sich schon mal verfahren?

Kolbe Einmal. Da hatte ich zwei Fahrten hintereinander mit der 730 und der 785, da läuft ein Teil des Weges gleich, und so bin ich wie bei der Fahrt zuvor an einer Stelle geradeaus gefahren, an der ich hätte rechts abbiegen müssen. War aber nicht so schlimm, wir mussten nur zwei Haltestellen auslassen.

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