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Leserforum „Straßennamen sind auch ein Teil der Düsseldorfer Stadtgeschichte“

Düsseldorf · Seit Oktober prüft eine Historiker-Kommission Straßennamen darauf, ob sie unverdiente Ehrungen sind. Viele Düsseldorfer sehen das mit Unbehagen, zeigt unser Leserforum.

 Straßenschilder in Düsseldorf.

Straßenschilder in Düsseldorf.

Foto: Maren Könemann

Es ist die höchste Ehrung, die eine Stadt vergeben kann: eine Straße oder einen Platz nach einer Persönlichkeit zu benennen. Rund 100 der knapp 3500 Straßen aber tragen Namen von Menschen, bei denen es zumindest Zweifel daran gibt, ob diese Ehre verdient ist. Verstrickungen in den Nationalsozialismus, rassistisch geprägtes Handeln, Menschenverachtung in der Kolonialzeit – danach schauen die Historiker im wissenschaftlichen Beirat, der seit Oktober das Straßenverzeichnis nach einem „ausgeklügelten System“ durchforstet, wie Bastian Fleermann sagt.

Der Leiter der Mahn- und Gedenkstätte gehört zu dem Beirat, der frühestens zum  Jahresende dem Stadtrat seine Ergebnisse vorlegen will. „Nicht wir, sondern der Rat entscheidet, ob Straßen umbenannt werden“, sagt Fleermann. Von der Idee, etwa die Petersstraße einfach einem anderen, netteren Menschen zuzuschreiben als dem einstigen Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika, den man dort seiner Brutalität wegen den „Hänge-Peters“ nannte, hält Fleermann nichts. Ebenso wenig reichten erklärende Tafeln unter den Straßenschildern. Es gebe genügend verdiente Persönlichkeiten, nach denen man eine Straße neu benennen könnte, „auch die ein oder andere Frau“.

Die Prüfliste ist übrigens geheim,  öffentliche Diskussionen dürfen „für die wissenschaftliche Betrachtung keine Rolle spielen“, sagt Fleermann. Doch vor allem die Anwohner der Urdenbacher Straßen, die nach Kolonialherren benannt sind, wissen längst, dass Lüderitz, Soden und Peters auf der Liste stehen. Nicht nur sie sehen das zwiespältig, wie unser Leserforum zum Bericht in  der vergangenen Woche zeigt. Hier einige Reaktionen.

Richard Kampes „Folgte man der Argumentation der Initiatoren konsequent, könnte man nahezu alle Namensgeber aus vordemokratischen Zeiten in allen Ländern der Welt in Frage stellen. Wichtiger wäre es, sich im Sinne von Aufklärung, Information und seriöser Geschichtsvermittlung zu engagieren. Ergänzende Hinweistafeln, die auch auf die kritischen Aspekte des Namensgebers hinweisen, wären eine Möglichkeit. Noch wichtiger wäre es jedoch, unseren Geschichtsunterricht an den Schulen endlich im Sinne einer umfassenden, unideologischen und differenzierten Wissensvermittlung zu optimieren. Dann kann man auch souverän mit seiner Geschichte und deren Personen umgehen, ohne diese durch fragwürdigen und kostspieligen Aktionismus in Zeiten leerer Kassen und wichtigerer Prioritäten zu eliminieren.“

Rudolf Gottschlich  „Es besteht ganz sicher ein Konsens darüber, dass die Namen von Personen, die in vergangenen Zeiten schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, auf einem Straßenschild nichts zu suchen haben. Problematischer wird dies aber bei Persönlichkeiten, die zu ihrer Zeit durchaus gängige, uns heute aber nicht mehr akzeptabel erscheinende Ansichten vertreten oder aus heutiger Sicht unheilvolle Entwicklungen angestoßen oder an ihnen mitgewirkt haben (prominentes Beispiel: Bismarck). Sollten auch deren Namen von Straßenschildern getilgt und durch Namen von „gesellschaftlichen Vorbildern“ ersetzt werden? Und sind wirklich viele „unverdächtige“ auf Straßenschildern verewigte Personen tatsächlich uneingeschränkt als „gesellschaftliche Vorbilder“ zu betrachten? Man nehme Luther (eklatanter Antisemitismus) oder Kant  mit seiner mit der heutigen Vorstellung kaum zu vereinbarenden Auffassung zur Gleichstellung und Gleichwertigkeit von Mann und Frau – weitere Beispiele ließen sich leicht finden. Insgesamt sollte man meiner Meinung nach in der Frage der Straßenbeschilderung ein offensiveres, konstruktiveres Vorgehen bevorzugen: Beispielsweise könnte man die Namensschilder von „problematischen“ (nicht aber von verbrecherischen!) Persönlichkeiten so belassen, sie aber nicht nur mit Geburts- und Todesdatum versehen, sondern auch mit einem Hinweis auf eine (städtische?) Website  (wir leben im „digitalen Zeitalter“!), auf der man eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Persönlichkeit findet. (Vielleicht erreicht man auf diese Weise nur wenige Interessierte – die Uninteressierten  erreicht man aber über eine Umbenennung der Straße schon gar nicht!)  Oder wie wäre es, wenn in einer Stadtteilschule einmal im Rahmen eines passenden Fachgebietes das Thema „Straßennamen in unserem Stadtviertel“ durchgesprochen würde und die Namensgeber vorgestellt und kritisch bewertet würden?

Björn Christian Gerow „Ich hatte mich seit meinem Umzug nach Urdenbach gefragt, wieso „unsere“ Straße Pfitznerstraße heißt. Namensgeber ist Hans Pfitzner, ein heute weitgehend unbekannter und unbedeutender Musiker und Komponist mit zumindestens zweifelhafter rechtsnationaler Gesinnung vor und während der NS-Zeit: Heute würde/sollte sicherlich niemand auf die Idee kommen, Straßen nach ihm zu benennen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, zunächst die Anwohner der betroffenen Straße zu informieren und nach ihrer Meinung zu befragen. Die meisten wissen sicherlich nicht, wer der Namensgeber ihrer Straße ist. Danach kann/sollte man in einem transparentem Prozess vor Ort entscheiden, ob die Straßenbezeichnung bleibt oder eben geändert wird.“

Günther Rolf Rotteveel In Urdenbach sollen vier Straßen umbenannt werden, obwohl sogar in Namibia diese Namen beibehalten werden. Ganz schöner Irrsinn. Im Zuge dessen, schlage ich deshalb vor, die Königsallee wieder in Kastanienallee zurückzubenennen. Damals wurde ja auch nur aus Rücksicht gegenüber einem Regime der Namenswechsel vollzogen. Es wäre eine logische Konsequenz. Vielleicht tut es aber auch nur ein erklärender Zusatz zu den Straßenschildern, wie von CDU und Grünen beantragt?!

Ilse-Angelika Jones  Ich möchte die Lyrikerin Rose Ausländer für die Umbenennung einer Straße ins Gedächtnis rücken. Sie hat ihre letzten Jahre im Nelly-Sachs-Haus verbracht und häufig im Ratinger Tor aus ihren Werken vorgelesen. Dort habe ich sie auch persönlich kennengelernt. Sicher sei ihrer würdevoller zu gedenken als so manchen anderen.

Andreas Butz „Solche unliebsamen Straßennamen können doch, wie Stolpersteine mahnend erinnern. Freilich hinkt mein Vergleich, bezogen auf das Leid; es geht mir jedoch darum, dass wenn diese  Straßennamen ausradiert werden, auch ein Stück Erinnerung verschwindet. Vielleicht sind es nur zehn Leute im Jahr, die einen der Namen recherchieren. Wer  die Schulzeit absolviert hat und sich auf dem Weg zum „alten Menschen“ befindet, hätte höchstens noch Geschichtskontakt über Artikel, wie diesen hier in der Rheinischen Post. Das ist – unter den heutigen politischen und wirtschaftlichen Aspekten –  nicht ausreichend. Denn letztlich schlägt sich die reiche Welt auch heute noch mit ähnlichen Problemen herum. Auch wenn diese  vielleicht im Zusammenhang mit Akkus, Smartphones oder Lebensmitteln stehen: Das traurige Erbe der bedauerlichen Kolonialzeit hat überlebt, wenn auch anders.“

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