Neuer Thriller von Horst Eckert „Manchmal holt die Realität mich ein“

Interview | Düsseldorf · Der Düsseldorfer Autor Horst Eckert verarbeitet den Wirecard-Skandal in seinem neuen Thriller „Das Jahr der Gier“. Hier verrät er, was ihn inspiriert und wie er recherchiert.

 Der Kriminalschriftsteller Horst Eckert lebt seit vielen Jahren in Düsseldorf.

Der Kriminalschriftsteller Horst Eckert lebt seit vielen Jahren in Düsseldorf.

Foto: K. Wewer/Kathie Wewer

Der Wirecard-Skandal war eine Steilvorlage für Horst Eckert, der in seinem gerade erschienenen Thriller „Das Jahr der Gier“ geschickt Realität und Fiktion miteinander verwebt und daraus einen Pageturner macht. Darin lässt er Kriminalrätin Melia Adan ihren dritten Fall lösen, tatkräftig unterstützt durch das Eckertsche Stammpersonal, allen voran Hauptkommissar Vincent Veih. Er muss mit seinem Team die Ermittlungen nach einem Angriff auf den britischen Journalisten Oscar Ravani in der Düsseldorfer Altstadt aufnehmen. Niemand ahnt, dass sie bald tief in einem Fall von internationaler Tragweite stecken werden.

Ihrer Danksagung haben Sie den Satz vorangestellt: „Schriftsteller sind Lügner“. Ist das nicht etwas hart? Es ist doch viel Wahres an Ihren Geschichten.

Horst Eckert Das war bewusst etwas flapsig ausgedrückt. Meine Romane sind ein Spagat zwischen Fantasie und Beschreibung unserer Gesellschaft im Hier und Jetzt. Da wird es natürlich auch politisch. Das macht mir großen Spaß. Die Leser sollen sagen können: Was der da schreibt, kann so passieren. Manchmal holt mich die Realität ein. Während ich beispielsweise über islamistischen Terror in „Sprengkraft“ schrieb, wurde die Sauerland-Gruppe hochgenommen. Das war für mich als Autor eine Möglichkeit, die aktuelle Berichterstattung in meine Geschichte mit einfließen zu lassen.

War das bei Ihrem neuen Roman auch so?

ECKERT Ja. Journalisten, die zu Wirecard recherchiert haben, wurden überwacht. Das wollte ich verarbeiten, und dafür musste ich mir eine Spionagesoftware ausdenken, die verschlüsselte Nachrichten knacken kann. Zeitgleich kam  „Pegasus“ ans Licht, aber es hieß, dass in Deutschland eine solche Software nie eingesetzt werden würde. In meinem Buch geschieht das trotzdem. Erst als ich fertig war, kam heraus, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) und andere tatsächlich „Pegasus“ nutzen, wenn auch in einer abgespeckten, verfassungskonformen Version. Überprüfen lässt sich das nicht, weil BND-Operationen der Geheimhaltung unterliegen.

Klingt noch einer Steilvorlage für jeden Thrillerautor ...

ECKERT So ist es. Das Erstaunliche ist, dass es in der Öffentlichkeit dazu keinen Aufschrei gegeben hat.

Für die Beschreibungen der Polizeiarbeit haben Sie sich fachlichen Rat eingeholt. Ich kann mir vorstellen, dass der BND nicht so kooperativ gewesen ist, oder?

ECKERT Ehrlich gesagt, habe ich es erst gar nicht probiert. Ich kenne jemanden, der beim BND viele Jahre gearbeitet hat. Der hat mir einiges erzählt. Manche Dinge kann man sich auch anlesen. Mit ein paar Klicks im Internet kommt man schon recht weit. Den Rest konnte ich mir mit etwas Fantasie zusammenreimen.

Ist es leichter mit Stammpersonal neue Geschichten zu erzählen oder hemmt das eher?

ECKERT Ja und Nein. Ich glaube, ich hätte „Wolfsspinne“, den Roman über den NSU, auch ganz anders schreiben können. Da hätte ich die Figur des Hauptkommissars Vincent Veih nicht gebraucht. Aber es war schön, die Handlung mit der Geschichte seiner Mutter, eines ehemaligen RAF-Mitglieds, zu verknüpfen. Da sie Terroristin war, wenn auch links, war es reizvoll daraus Verbindungen zum NSU-Fall aufzubauen. Ich hätte das Buch ohne Vincent sicher weniger komplex aufbauen können. Aber ich weiß nicht, ob es dadurch besser geworden wäre, aber sicher anders. Klar, hätte ich auch das aktuelle Buch rund um einen Wirecard-Mitarbeiter als Whistleblower anlegen und auf den Rest verzichten  können. Das wäre aber schade gewesen.

Apropos Whistleblower, den hat es ja tatsächlich gegeben, ebenso wie den Journalisten, der für die Financial Times über Wirecard als erster berichtet hat und der in Ihrer Geschichte in der Düsseldorfer Altstadt überfallen wird.

ECKERT Das stimmt. Der Whistleblower hatte übrigens das Angebot von seinem Finanzchef bekommen, ihn auf eine Dienstreise zu begleiten. Da war ihm klar, dass er kündigen muss, sonst würde er diese Reise nicht überleben. Es war ein Trick, ihn außer Landes zu schaffen, um ihn mundtot zu machen. Das habe ich weggelassen, um die Geschichte nicht zu überfrachten. Stattdessen habe ich mir für den Einstieg den Überfall auf den Journalisten in der Altstadt ausgedacht.

Wie schwer war es, ein Thema von internationaler Tragweite am Ende auf die lokale Ebene Düsseldorfs herunterzubrechen?

ECKERT Ich habe die trockenen wirtschaftstechnischen Details weitgehend weggelassen: Wie betrügt man. Wie schafft man es Milliarden verschwinden zu lassen. Wie kann man einen Konzern so aufbauschen, dass Anleger ihm das Geld nur so hinterherwerfen, die er dann veruntreut. Aber die Dimension, die der Skandal am Ende hatte, fand ich spannend zu erzählen. Je mehr ich dazu recherchiert habe, desto mehr bin ich auf all diese schillernden und haarsträubenden Details gestoßen, wie dieses Palais in München, das es wirklich gibt. Dort hat der inzwischen international gesuchte COO Jan Marsalek, der bei mir im Buch Marek Weiss heißt, hochrangige Politiker, Wirtschaftsbosse und auch Vertreter des Geheimdienstes empfangen. Es wird gemutmaßt, dass er sich in Russland aufhält, weil er dort gute Kontakte unterhält. Bei mir geht es dann etwas anders aus.

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