U-Bahn in Düsseldorf Auf Tour mit der Security der Rheinbahn

Düsseldorf · Während andere in der Altstadt feiern, passen die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes auf, dass an den U-Bahnhöfen alles ruhig bleibt. Unsere Autorin war eine Nacht mit ihnen unterwegs.

Der Rheinbahn-Sicherheitsdienst im Einsatz
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Der Rheinbahn-Sicherheitsdienst im Einsatz

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Foto: Anne Orthen

Er ist stellvertretender Leiter der Rheinbahn-Security, 48 Jahre alt, Mutter Kroatin, Vater Ungar, in Düsseldorf geboren und aufgewachsen. Erst war er Filialleiter bei der Metro, dann sieben Jahre mit der Weißen Flotte auf dem Rhein unterwegs. "Dann wollte ich nachts und am Wochenende weniger arbeiten, damit ich meine Familie öfter sehe, und habe von einem Tag auf den anderen gekündigt." Er grinst. Seit Ende 2008 arbeitet er als Sicherheitsmitarbeiter. Dazu gehören natürlich auch Nacht- und Wochenendschichten. So wie an diesem Freitag.

Karneval und das erste Wochenende - da geht es richtig rund

Ein ruhiger Abend. Das sagen die Sicherheitsmänner einander, wenn sie sich auf dem Bahnsteig treffen. Kein Vergleich zu Karneval. Kein Vergleich zum ersten Wochenende des Monats. Da ist meistens viel los, weil das Gehalt den Feiernden ein Loch in die Tasche brennt. Zum Monatsende hin sind dann alle pleite und trinken lieber ein Gläschen zu Hause. Das merken die Sicherheitsleute an der Heinrich-Heine-Allee sofort.

"Ich will das gar nicht hören", sagt Sandor Paradi. "Wenn du oben ins Auto einsteigst und nach Hause fährst, dann kannst du sagen: War ein ruhiger Abend." Er klopft auf Holz. Heute keine "Maßnahme", bitte. So nennt er es, wenn etwas passiert, jemand Ärger macht, die Polizei kommen muss. An weniger ruhigen Abenden gibt es das: Pöbeleien, Prügeleien, Vandalismus. Maßnahmen.

14 Mann sind an diesem Abend im Einsatz, Sicherheitsleute der Firmen Klüh und I.S.O. Paradi selbst ist bei der Rheinbahn direkt angestellt. Klüh ist mit acht Mann für die Sicherheit auf den U-Bahnhöfen der Wehrhahn-Linie zuständig. I.S.O. sichert mit sechs Mann die U-Bahnhöfe Heinrich-Heine-Allee, Steinstraße/Königsallee, Oststraße, Hauptbahnhof. Weitere Sicherheitsleute begleiten Busse und Bahnen sowie Ticketkontrolleure.

Psychologie ist das Werkzeug der Sicherheitsleute

Sie sind immer zu zweit unterwegs. Volkan (24) steht gegen Mitternacht mit seinem Partner am Nordende der Passage im U-Bahnhof Heine-Allee. Sie beobachten die Reisenden auf dem Weg zu den Bahnsteigen. Viele haben ein Bier dabei, manche essen im Gehen eine Pizza. Oben dürfen sie das. Unten nicht. Volkans Hauptbeschäftigung heute Abend: Rheinbahnkunden auf das Verzehrverbot aufmerksam machen. Trotzdem: Er findet diesen Job spannend. Seit einem halben Jahr ist er dabei. Vorher hat er als Postbote gearbeitet. "Ich habe seitdem hunderte, tausende Charaktere kennengelernt."

Psychologie ist das Entscheidende, findet auch sein Chef. Erfahrung. Den anderen mit einem Blick einschätzen. Deeskalieren. Sandor Paradi gestikuliert viel, und er sagt, dass das hilft: beruhigende Gesten machen, den anderen nicht anfassen, aber die Hände trotzdem immer oben - das ist auch ein Schutz. "Immer zum Größten in der Gruppe hingehen. Den fragen: Was ist hier los? Ganz ruhig." Wenn einer in der U-Bahn raucht, nicht direkt anranzen. Höflich sagen, dass das hier nicht geht. "Komm, jetzt ziehst du noch einmal und dann machst du die Kippe bitte aus."

Zwei Minuten mit einem Pöbler - eine Ewigkeit im Untergrund

Manchmal nützt das nichts. Manchmal will das Gegenüber nur eins: Streit. Zu viel Promille, zu viel Testosteron. Manchmal ist die Prügelei schon in vollem Gang. So wie neulich, als Paradi und ein Kollege an der Rolltreppe am Bolker Stern standen. Da fingen aus dem Nichts Jugendliche an, auf einen am Boden einzutreten. "Da drüben, bei der Laterne", zeigt Paradi, und zieht an seiner Zigarette. "Wir sind hin und haben die auseinandergerissen. Die Polizei war noch nicht da. Die hätten den kaputt getreten."

Es sind diese zwei, drei Minuten, bevor die Polizei da sein kann - die machen Paradi zu schaffen. "Wenn ich einem gegenüber stehe, der mich schlagen will - und ich kann nur sagen: Ganz ruhig. Aber der will zuschlagen. Zwei, drei Minuten - das ist nichts. Aber in so einer Situation ist das eine Ewigkeit." Die Sicherheitsmänner fordern dann per Funk die Leitstelle auf, die Polizei zu rufen. Oder sie holen direkt eine Streife vom Bolker Stern dazu.

Der härteste Fall, an den Sandor Paradi sich erinnern kann? Schon ein paar Jahre her. Einer seiner Männer forderte einen Raucher auf, die Zigarette auszumachen. Der zog eine Waffe und hielt sie dem I.S.O.-Wachmann an den Kopf: "Sag das noch mal!" Dann verschwand der Bewaffnete in der Menge.

Beschimpfungen sind an der Tagesordnung

Halb zwei. Sandor Paradi dreht eine Runde. Einmal zum Hauptbahnhof und zurück. An der Oststraße, bewachen Kamal (28) und Ariel (32) heute einen leeren Bahnsteig. Vor ein paar Stunden hat es hier noch einen kleineren Einsatz gegeben, ein Junkie wurde beim Drogenkonsum erwischt. In der Passage liegen noch blutige Taschentücher, auf dem Kachelboden sind eingetrocknete Flecken. Daneben eine Spritzenverpackung. Die Oststraße hat ein Drogenproblem. Heute sind aber nicht mal Dealer unterwegs.

Langweilig ist ihm nicht, sagt Ariel. Man könne sich ja miteinander unterhalten. Er ist erst seit wenigen Wochen dabei. Argentinier, blond und blauäugig, mit europäischen Wurzeln. Oft wird er als Kanacke beschimpft. "Das werden wir alle", sagt Sandor Paradi. "Selbst von Türken." Neulich habe ihn ein Jugendlicher gefragt, wo es zur U75 gehe. Er habe es erklärt. "Danke, du Hurensohn", war die Antwort. Er schüttelt den Kopf.

Am Hauptbahnhof ist mehr los als an der Oststraße, aber auch hier ist alles ruhig, bestätigen die Kollegen ihrem Chef. Sandor Paradi fährt gleich wieder zurück. Hier sind genug Männer im Einsatz.

Heinrich-Heine-Allee, Aufgang Opernhaus. Zigarettenpause. Adthe ist auch dabei. Ein hochgewachsener 24-Jähriger. Dass er Boxer ist, sieht man seinem Gesicht nicht an. Offenbar hat er eine gute Deckung. Er mag den Job. Was ihn nervt, sind die Leute, die ihn dafür beschimpfen, was er macht. "Wir tun das alles nicht zum Vergnügen", sagt er. "Und werden dann noch als Ein-Euro-Jobber und Schlimmeres beschimpft." Auf die Sicherheitsleute schauen viele herab. Dabei werden sie nach Tarif bezahlt. Nicht üppig - aber immerhin.

Prügelei am U-Bahnsteig

Halb vier. Zeit für - was? Frühstück, Mittagessen, Abendessen? Wie immer man eine Mahlzeit um diese Uhrzeit nennen will. Im Büro des Sicherheitsdienstes sitzen die Kollegen um den Tisch herum. Einer isst Obst, der nächste Suppe. Sandor Paradi hat sich ein paar Pommes geholt. Zwei der Männer diskutieren über die politische Lage in der Türkei, über Erdogan, den Putsch, die abgesagten Veranstaltungen in Deutschland. Leidenschaftlich, laut, aber humorvoll. Dann geht auf einmal das Funkgerät. Zum ersten Mal in dieser Nacht: eine Maßnahme. Prügelei um die Ecke, auf dem Bahnsteig. Drei, vier Sicherheitsmänner laufen los, auch Sandor Paradi.

"Vorurteile funktionieren hier nicht", hat er am Anfang des Abends gesagt. Jetzt stellt sich heraus, was er meint. Die vier, die aufeinander los sind, stehen in der Passage, zehn Meter voneinander entfernt. Dazwischen Sicherheitsleute. Zwei sehen aus wie Studenten. Zwei wie Oberschüler - und zwar eher Mathe- als Sport-Leistungskurs. Worum es ging? Unklar. Paradis Männer reden mit beiden Parteien. "Ich möchte, dass ihr euch die Hände gebt", sagt einer der Sicherheitsleute. Nach einigem Hin und Her vertragen sich die Streithähne und gehen getrennte Wege.

Nicht mehr lange bis Dienstschluss um sechs. "Am Ende will ich nur eins: Dass alle Männer gesund nach Hause gehen", sagt Sandor Paradi. Heute sieht es so aus, als würde das klappen.

(hpaw)
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