Sonia Ben Hedia aus Düsseldorf Diese Frau wollte nie Wissenschaftlerin werden - jetzt hat sie einen Preis für ihre Promotion

Düsseldorf · Eigentlich wollte Sonia Ben Hedia nie Wissenschaftlerin werden. Jetzt hat sie für ihre Doktorarbeit einen Preis bekommen. Was kommt als Nächstes? Ein Leben in Texas – die Düsseldorferin wandert aus.

 Sonia Ben Hedia in ihrem Büro an der Universität. Die Linguistikerin forscht zum Zusammenhang zwischen Sprache und Denkprozess.

Sonia Ben Hedia in ihrem Büro an der Universität. Die Linguistikerin forscht zum Zusammenhang zwischen Sprache und Denkprozess.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Ordentlich stehen die Ordner Reihe für Reihe im Regal. Sorgfältig beschriftet mit „Theorie 1“, „Theorie 2 und „Theorie 3“. Zwei Zimmerpflanzen säumen den sauberen, großen Schreibtisch in Sonia Ben Hedias Büro in der Heinrich-Heine-Universität, auf dem ein großer Bildschirm und ein kleiner Laptop stehen. Vor dem großen Bildschirm sitzt Sonia Ben Hedia, sommerlich gekleidet. Bunte Post-its am Bildschirm fehlen. „Ich finde Unordnung schrecklich“, sagt die Doktorandin. „Aber mein Leben habe ich nicht so ganz durchgeplant.“

Eigentlich wollte Ben Hedia nie Wissenschaftlerin werden. Studiert hatte sie Lehramt – inklusive eines erfolgreich abgelegten Staatsexamens. Und nun? In vier Wochen wandert sie in die USA aus. Mit im Gepäck: Den vor wenigen Wochen für ihre Doktorarbeit gewonnenen Drupa-Preis, den die Universität jährlich besonders anerkennungswürdigen Dissertationen der Philosophischen Fakultät verleiht, dotiert mit bis zu 6000 Euro. Wie passt das alles zusammen? Die 30-Jährige hat eine einfache Antwort: Strukturiertheit im Job und Offenheit und Pragmatismus im Leben.

„Ich hatte nie das Ziel, in der Wissenschaft zu arbeiten“, sagt Ben Hedia, die in Siegen geboren und aufgewachsen ist. Ihre Mutter ist Dolmetscherin für Russisch – ein erster Kontakt mit Sprachen. Beide Eltern haben nicht studiert. Nach dem Abitur begann sie ihr Lehramtsstudium in den Fächern Geschichte und Anglistik. „Die Uni war ja da, also machste das dort“, sagt die junge Wissenschaftlerin. „Während des Staatsexamens habe ich dann gemerkt, dass Linguistik mein Ding ist.“

Dank ihrer guten Noten wurde Ben Hedia einem Düsseldorfer Professor als Doktorandin empfohlen. „Ich wurde ihm quasi angedreht“, beschreibt sie lachend. „Als mir die Promotion angeboten wurde, habe ich gedacht, das mache ich mal.“ Über Methoden, Analyseverfahren und empirische Daten habe sie damals eigentlich nichts gewusst, sagt Ben Hedia. „Vielleicht war es mein großes Glück, dass ich am Anfang so naiv war“, sagt Ben Hedia.

Viereinhalb Jahre später hält Ben Hedia den Drupa-Preis für ihre Promotion in den Händen. Summa cum laude lautet das Ergebnis. Stolz sei sie. „Dank der Rede bei der Preisverleihung weiß meine ältere Schwester jetzt auch, was ich die letzten Jahre gemacht habe“, sagt sie lachend. „Gemination and degemination in English affixation“, heißt der Titel ihrer Arbeit. Verkürzt gesagt hat Ben Hedia untersucht, wie Wörter mit einem Affix, also einer Vor- oder Nachsilbe, ausgesprochen werden – und zog daraus Rückschlüsse, wie unser Gehirn sie verarbeitet.

Das Thema für ihre Arbeit wurde ihr zugeteilt. „Ich habe es einfach so hingenommen.“ Strukturalistische Linguistik ist mittlerweile ihre Leidenschaft. Die Systeme und Strukturen hinter Sprache seien spannend. „Es ist so faszinierend, wie wir Sprachen erwerben und nutzen können“, sagt Ben Hedia, während sie den leise ratternden Drucker mit prüfenden Blicken begutachtet. „Aber nur als Wissenschaftler im Kämmerchen sitzen könnte ich nicht.“ An der Heine-Uni hat sie neben ihre Promotion viele Seminare gegeben. Der Kontakt zu Studierenden sei super gewesen.

Ben Hedia wohnt in der Düsseldorfer Innenstadt: ““ch mag es, einfach durch die Stadt zu laufen und etwas essen oder trinken zu gehen.“ Reisen ist ihr großes Hobby. Die nächste Reise wird auch die bisher größte in ihrem Leben. „In vier Wochen wandere ich in die USA aus“, erzählt die Wissenschaftlerin. Der vorläufige Schlussstrich unter ihre Forscherkarriere. Fünfeinhalb Jahre hat sie mit ihrem Mann aus Texas, den sie durch einen Schüleraustausch kennengelernt hat, eine Fernbeziehung geführt. Alle drei Monate haben sie sich gesehen. „Ich wusste immer, nach der Promotion gehe ich rüber“, sagt Ben Hedia.

Wie es dort beruflich weitergeht? „Keine Ahnung.“ Das sei das Problem, wenn man so viele Interessen habe. Sie überlegt: „Eventuell ein Job in der Sprachtechnologie. Es muss inhaltlich schon anspruchsvoll sein, aber vielleicht probiere ich auch einfach irgendwas aus.“ Doch nur Wissenschaft kann sie sich nicht vorstellen. „Ich muss etwas mit Menschen machen.“ Ben Hedia schaut auf ihr Bücherregal mit den ordentlich gestapelten Ordnern zur Promotion: „Ich bin hier so reingerutscht, also rutsche ich auch woanders rein.“

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