Seuchengefahr Die Wildschweine kommen jetzt auch nach Düsseldorf

Düsseldorf · Dank des Maisanbaus leben Wildschweine wie im Schlaraffenland. Jetzt kommen die ersten Schwarzkittel auch an den Rand von Düsseldorf. Die Schweinepest verschärft die Lage.

 Die Zahl der Wildschweine ist explodiert. An der Grenze zu Hilden, unweit Haus Horst, wurden sie gesehen, ebenso im Hasseler Wald.

Die Zahl der Wildschweine ist explodiert. An der Grenze zu Hilden, unweit Haus Horst, wurden sie gesehen, ebenso im Hasseler Wald.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Zwar sollen die mitteleuropäischen Wälder schon zu Römerzeiten so voll von Wildschweinen gewesen sein, dass sie 50 Prozent der Nahrung der am Rhein heimischen Germanen ausmachten, aber dennoch sind die borstigen Tiere in Düsseldorf bis dato Mangelware. Die Industrialisierung verdrängte die Wildschweine um 1900 aus weiten Teilen Deutschlands, vor allem aus dem rheinischen Industrierevier. Dichte Besiedlung und viel Gewerbe ließen keinen Platz für die einzigen wehrhaften Wildtiere unserer Breiten. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich die Lage zu wenden.

Als eines der wenigen Tiere profitiert das Wildschwein von der Intensivierung der Landwirtschaft. Wurden 1960 gerade mal 60.000 Tiere von deutschen Jägern im ganzen Land erlegt, waren es in den frühen 2000er Jahren schon mehr als eine halbe Million erlegter Sauen pro Jahr. 2016 wurden allein im dichtbesiedelten NRW 34.000 Wildschweine zur Strecke gebracht, 2200 davon wurden Opfer des Straßenverkehrs.

In dieser Folge ist das einst wildschweinarme benachbarte Bergische Land heute ein Schwarzwild-Kerngebiet. Nur nach Düsseldorf, da trauten sich die Schweine nicht. Doch die Zeichen verdichten sich, dass die Tiere den Weg an den Rhein gefunden haben. Förster und auch zahlreiche Spaziergänger berichten davon. Dass dies kein Ammenmärchen ist, bestätigt der Kreisjagdberater für Düsseldorf, Jürgen Wippermann. An der Grenze zu Hilden, unweit von Haus Horst, habe er schon mehrmals welche gesehen. Ebenso gebe es sie im Hasseler Wald.

An der Stadtgrenze jedenfalls sind die Wildschweine schon. Birgit Gierlings lebt seit 25 Jahren in der Nachbarstadt Hilden. Mit ihrem Hund Noah streift sie viel durch die Wälder an der Stadtgrenze zu Düsseldorf. „Das erste Mal wurde ich 2007 von einem Wildschwein angegriffen“, sagt Gierlings. Seitdem erhöhe sich die Zahl der Tiere von Jahr zu Jahr. Und Gierlings betont, dass es sich nicht um die Wildschweine im dortigen Gatter handelt. Gierlings ist selbst Jägerin und sagt, die Tiere verhalten sich absolut genau so heimlich wie Tiere im Sauerland oder in der Eifel, und nicht wie zahme Zootiere.

Die Förster der Landeshauptstadt warnen vor den wildlebenden Tieren. Wildschweine gelten als die einzigen Wildtiere unserer Breiten, die im Zweifel auch für den Menschen gefährlich werden können. Fühlen sie sich in die Enge gedrängt von Menschen oder Hunden, reagieren sie zum Teil sehr aggressiv. Besonders ist das der Fall, wenn sie Nachwuchs haben, was seit einigen Jahren nicht nur im Frühjahr der Fall ist.

Frischlinge bekommen die Borstentiere wegen der guten Ernährungslage durch die Landwirtschaft heute beinahe ganzjährig. Die Förster der Stadt  haben Verhaltensregeln für den Fall der Begegnung mit Wildschweinen zusammengestellt: Fußgänger und Radfahrer sollten Ruhe bewahren und sich von den Tieren langsam zurückziehen. Sie sollten nicht versuchen, die Schweine anzufassen. Hunde sollten angeleint werden. Wildschweine sollten zudem auf keinen Fall gefüttert werden, denn dadurch verlieren die Wildtiere ihre natürliche Scheu vor dem Menschen und die Konflikte für alle Beteiligten sind programmiert.

Aber warum kommen die Wildschweine in die Großstadt? Für die meisten Experten ist das eine Folge der veränderten Landwirtschaft. Heute wird der Maisanbau vorangetrieben, unter anderem, weil daraus Biogas gewonnen wird, was staatlich gefördert wird. Und Maisschläge sind für Wildschweine in zweierlei hinsicht ein Schlaraffenland. Einerseits sind die Tiere ganz wild auf den proteinreichen Mais. Andererseits bieten die hohen Pflanzen ein ideales Versteck. Kreisjagdberater Wippermann berichtet davon, dass die Tiere wenig Scheu haben und wenige Meter von Menschen entfernt in den Maisschlägen verharren.

Dieses Jahr ist die Population besonders groß und aktiv, da in Deutschland ein so genanntes Mastjahr ist. Das heißt, dass etwa Buchen und Eichen besonders viele Bucheckern und Eicheln produzieren, die den scheuen Tieren als kraftvolle Nahrung dienen.

In den vergangenen Monaten verschärfte sich die Wildschweinlage erschreckend. Der Grund ist die so genannte Afrikanische Schweinepest. Diese ist für Wildschweine aber eben auch für Hausschweine tödlich. Um eine weitere Ausweitung der Seuche zu verhindern, hat das NRW-Umweltministerium die Schonzeiten gelockert und die Jäger zu mehr Abschüssen aufgefordert. Bislang mit Erfolg. So wurden im abgelaufenen Jagdjahr in NRW 66.000 Wildschweine erlegt gegenüber 39.000 im Vorjahr. Auch jüngere Tiere ohne eigenen Nachwuchs dürfen nun ausnahmsweise erlegt werden. Dass die Entscheidung richtig war, zeigte sich im September: In Südbelgien wurde das erste befallene Tier West-Europas gefunden.

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