Düsseldorf Die Welt trifft sich im Internat

Düsseldorf · Das Theodor-Fliedner-Internat in Kaiserswerth ist das einzige in Düsseldorf. 57 Schüler aus der ganzen Welt leben dort miteinander, darunter etliche Flüchtlinge. Lebenswelten prallen sanft aufeinander.

Jeanette, Lisa und Kristi sitzen an einem Tisch. Kekse liegen hübsch auf einer Etagere angerichtet darauf; Kaffee, Wasser und Tee stehen parat. Für sich genommen ist das schon eine Nachricht. Denn die Geschichten der drei Schüler könnten unterschiedlicher kaum sein. Ihre Lebenswege nicht anders verlaufen und ihre Herkünfte nur kaum verstreuter sein. Jeanette ist 16 Jahre alt, sie kommt aus Togo, Westafrika. Kristi ist 18 Jahre alt, er kommt aus Albanien, Südosteuropa - und schließlich Lisa, 16, aus Düsseldorf. Dass sie zusammen an einem Tisch sitzen, der so reichlich gedeckt ist, entspringt Zufall, Schicksal und Glück.

Die Drei sitzen fast jeden Tag am selben Tisch, in der selben Mensa. Sie wohnen und leben zusammen - im Theodor-Fliedner-Internat in Kaiserswerth. Das Internat ist das einzige in Düsseldorf und eines der wenigen, das sich überhaupt in einer Großstadt angesiedelt hat. Seit der Abspaltung von dem gleichnamigen Gymnasium 2004 ist die Diakonie Kaiserswerth Trägerin des Internats. Seit 2009 nimmt es auch Flüchtlinge wie Jeanette oder Kristi auf und ist deswegen 365 Tage im Jahr geöffnet.

Jeanette ist seit fünf Monaten in Düsseldorf. Und trotzdem spricht sie schon Deutsch. Jeden Tag bekommt die Togolesin Einzelunterricht, damit sie sich noch besser verständigen kann. Sie näht sehr gerne; in den Nähkursen ist Jeanette die Beste. Das macht der 16-Jährigen Freude, wie ihre funkelnden Augen verraten. Sie besucht eine Ganztagsschule außerhalb, wie die meisten Schüler im Internat. Und ist wahnsinnig fleißig, wie Cornelia Völker verrät.

Völker leitet das Internat, kennt jeden ihrer Schüler mit Namen und wenn sie auf dem Flur einen Ehemaligen trifft, hält sie für ein kurzes Gespräch an. Einem hat sie bei der Suche nach einer Wohnung geholfen - erfolgreich. "Wir können die Flüchtlinge ja nicht losschicken und sagen: Unsere Aufgabe ist erledigt", sagt Völker. Sie kümmert sich um jeden und alles. "Habt ihr alles für die Wohnung?", fragt sie den Ehemaligen noch.

Internate kämpfen gelegentlich mit Klischees. Doch dass sie nicht zwingend elitär sind, das sieht man in Kaiserswerth. Denn dort wird jeden Tag Integration betrieben. Von den 57 Jugendlichen kommt etwa die Hälfte aus dem Ausland, viele als so genannte "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge". Ein Begriff, der Emotionalität möglichst weit von sich fernhält.

Jochen Schänzer von der Kaiserswerther Diakonie sagt: "Ein beispielhafter Ort für Integration." Kristi findet das auch. Der Albaner ist jetzt seit gut zwei Jahren im Theodor-Fliedner-Internat und besucht die Albrecht-Dürer-Berufsschule. Im Moment macht er ein Praktikum im angrenzenden Kindergarten. Kristi will Erzieher werden. "Das macht mir großen Spaß", sagt er.

Im Internat ist das Leben gut organisiert. Mittwochs müssen die Schüler putzen, morgens um halb sieben kommt der Weckdienst. Sie waschen Wäsche, bügeln, räumen selbst auf. "Wir erziehen zur Selbstständigkeit", sagt Cornelia Völker. Frühstück, Mittagessen und Abendessen gibt es in der Mensa, wobei Lisa, Jeanette und Kristi in ihren jeweiligen Schulen essen. Ob das Essen schmeckt? Die drei Schüler lachen nur verschmitzt. "Essen ist immer ein Anlass für Kritik", sagt Völker. Der Caterer verwendet das "Cook-and-Chill-Verfahren". So wird für jeden alles frisch aufbereitet. Im Keller gibt es noch Sauna, Tischtennisplatte und Kicker, Fahrradwerkstatt und Mädchenzimmer. Vor der Tür einen neuen Pool. "Ein kleines bisschen Elite", sagt Völker.

(RP)
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