Schrill, laut, ordinär Die schwache XXXL-Cindy

Düsseldorf · Der Saal im Savoy war voll. Viele sahen so aus wie sie: blond, rund, gut gelaunt, ein Röschen oder ein blinkendes Krönchen im Haar. Nur die lila-farbene Pannesamt-Hose fehlte. Alle waren sie Fans von Ilka Bessin alias Cindy aus Marzahn.

 Cindy aus Marzahn ist in Düsseldorf gefloppt.

Cindy aus Marzahn ist in Düsseldorf gefloppt.

Foto: Gladbacher Bank

Wer. ins Theater, in die Oper oder ins Kabarett geht, nimmt normalerweise etwas für sich mit. Entweder ist man sehr berührt von dem Erlebten. Oder man hat etwas dazu gelernt. Oder man hat sich einfach nur gut unterhalten, konnte den Arbeitstag vergessen, etwas abschalten. Bei Cindy aus Marzahn geht das nicht. Der Abend mit der schrillen, lauten, ordinären Berlinerin (zumindest spielt sie diese Rolle) hinterlässt nichts als inhaltsfreie Leere und Langeweile.

100 Minuten lang dauert das Programm der selbst ernannten Prinzessin, die immer ganz in Rosa, Pink oder Lila auftritt. Mit XXXL-Schlabbershirt und figurbetonender Pannesamthose. 100 humorfreie, quälende Minuten, in denen die Wörter mit "f" und "v" tausendfach zu oft ausgerufen werden, und in denen zu viele Geschlechtsteile beim Namen genannt werden.

Eines aber muss man dem Shootingstar der Kabarettszene lassen: Die gelernte Köchin, die 1999 überhaupt zum ersten Mal auf einer Bühne stand, ist gut gecoacht. Sie kann sich auf der Bühne bewegen, ihre Pointen sitzen, sie nimmt sich selbst auf den Arm. Sie gibt zu, dass sie weder singen noch breakdancen kann, tut's aber trotzdem. Darüber lacht sie dann selbst am meisten: "Ich bin manchmal so lustig . . .".

Außerdem bezieht sie geschickt das Publikum ein. Warum denn diese Gäste eine halbe Stunde zu spät kämen? Ob ihnen das denn nicht peinlich sei? Schließlich stehe mit ihr doch die Trägerin eines Comedy-Preises auf der Bühne. Da könne man doch schon pünktlich sein. Dann fragt sie, ob Axel aus der siebten Reihe schwul sei. Axel nickt. "Ich möchte einmal einen Abend ohne homosexuelles Publikum erleben", klagt Cindy auf der Bühne.

Auch mit Erik und Marko in der ersten Reihe flirtet sie, vergisst deren Namen nicht, bindet sie in ihre Dialoge mit ein. Plötzlich entdeckt sie ein junges Mädchen in der dritten Reihe. Wie sie denn heiße, und wie alt sie sei? Die elfjährige Santana verändert plötzlich das Bewusstsein der Künstlerin. Bei jedem ordinären Witz, der mehr als unter die Gürtellinie geht (und davon gibt es zu viele in dem Programm), verdreht sie die Augen Richtung Santana und entschuldigt sich. "Deine Mutter wird dir heute noch viel erklären müssen."

Cindy aus Marzahn erzählt im Verlauf des Abends von ihren Männern, von ihren Internetbekanntschaften, von ihrem Job als "Key Account Assistant Management Assistant" in Rudis Resterampe oder von den Erlebnissen auf dem Arbeitsamt. Die klingen autobiographisch. Denn Ilka Bessin, wie Cindy richtig heißt, war lange arbeitslos, bis sie von ihren Auftritten leben konnte. Nach ihren Ausbildungen zur Köchin und Hotelfachfrau gab's keine Arbeit für sie.

Vier Jahre war sie ohne Job, machte mal hier, mal dort ein Praktikum. Ihr Traumberuf: Clown. Vor etwa vier Jahren dann der Auftritt im Quatsch Comedy Club. Seitdem steht sie als schräge Schlampe aus dem ostdeutschen Teil von Berlin auf der Bühne. Seit einigen Tagen liegt die neue DVD vor, die Liste mit Merchandising-Artikeln wird immer länger. Cindys Markenzeichen: das pinkfarbene T-Shirt mit dem Aufdruck "Alzheimer-Bulimie". Erklärung: "Du frisst den ganzen Tag und vergisst abends zu kotzen."

Genau das ist ihr Niveau, ihr Wortschatz. Den aber finden ihre Fans absolut himmlisch, da fühlen sie sich zuhause und aufgehoben. Auch das Publikum am Freitag im Düsseldorfer Savoy johlte, klatschte, gab "standing ovations". Auch die drei Frauen und zwei Männer aus Gladbeck in der fünften Reihe waren schier aus dem Häuschen. Sie waren stilecht im Cindy-Design erschienen, hielten den ganzen Abend über Transparente hoch und amüsierten sich wie doll. Am Ende, als alle standen, schubst die eine Jüngere die eine Ältere an und sagt: "Siehste, Mama, ist doch besser als die Flippers."

(RP)
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