Interview mit CDU-Mittelstandsvereinigung in Düsseldorf „Die Rücknahme der Grünen Welle für Autos war falsch“

Der neue Vorstand der CDU-Wirtschaftsvereinigung über die Umweltspuren, die Digitalisierung der Stadtverwaltung und die schwere Suche nach Grundstücken für Betriebe in der wachsenden Stadt.

 Hagen Lippe-Weißenfeld (l.) und Stefan Golißa beim Gespräch in der Redaktion der Rheinischen Post. Beide sind im Mai neu in den Vorstand der MIT gewählt worden.

Hagen Lippe-Weißenfeld (l.) und Stefan Golißa beim Gespräch in der Redaktion der Rheinischen Post. Beide sind im Mai neu in den Vorstand der MIT gewählt worden.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Die einflussreiche Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in der CDU (MIT) hat seit Mai einen neuen Vorstand. Stefan Golißa ist neuer Vorsitzender, Hagen Lippe-Weißenfeld einer von sieben Stellvertretern.

In den Herbstferien startet die dritte Umweltspur. Was halten Sie von dem Konzept?

Stefan Golißa Ich sehe das sehr kritisch. Der Oktober zum Beispiel wird wieder ein Messemonat, in dem wir noch mehr Verkehr im Norden der Stadt bekommen. Ich finde es bedenklich, wenn bald die wichtigsten Zufahrten zur Innenstadt durch die Umweltspuren verengt werden. Ich glaube auch nicht, dass das viele Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt. Dafür fehlt auf vielen Verbindungen noch das Angebot. Ich als Anwohner im Norden denke da zum Beispiel an die Probleme mit der U79. Viele Leute wollen umsteigen, aber nicht, wenn es viel länger dauert.

Düsseldorf muss aber etwas tun.

Golißa Ich glaube, dass man den Verkehrsfluss durch viele kleine, kurzfristig umsetzbare, Eingriffe insgesamt deutlich verbessern könnte. Ich denke insbesondere an intelligentere Ampelschaltungen. Die „Grüne Welle“ ist auf vielen Strecken zurückgenommen worden. Das ist falsch. Ein Ausbau des ÖPNV ist sinnvoll. Aber die Verkehrsarten müssen gleichberechtigt behandelt werden.

Hagen Lippe-Weißenfeld Ich vermisse ein Gesamtkonzept für die Mobilität in Düsseldorf. Die Stadt macht gerade den dritten Schritt vor dem ersten, zum Beispiel mit dem Vorschlag einer City-Maut. Es fehlt auch organisatorisch eine klare Struktur. Die neue städtische Mobilitätsgesellschaft, die jetzt gegründet werden soll, wird ein Rohrkrepierer, weil daran weder Rheinbahn noch Stadtwerke beteiligt sind. Dabei sind die es, die sich mit Mobilität auskennen!

Golißa Wichtig ist aus unserer Sicht auch, dass wir beim Zeitplan für Verkehrswende und Klimaschutz realistisch bleiben. Die Unternehmen tun bereits viel für den Umwelt- und Klimaschutz. Wer aber eine Maschine über 30 Jahre abschreiben muss, kann sich nicht alle drei Jahre ein neues Modell kaufen, nur weil es technisch moderner ist.

Herr Golißa, Sie führen einen Dachdeckerbetrieb, haben eine Kneipe in Lohausen übernommen, haben zwei kleine Kinder und sind Bezirksbürgermeister. Warum auch noch der Vorsitz der MIT?

Golißa Ich glaube, dass man mitmachen muss, wenn man etwas bewegen will. In der Politik werden oft Sachverstand und Bezug zur Realität vermisst. Ich glaube, dass ich das für meinen Bereich als Handwerker mitbringe. Natürlich geht das alles nur, weil ich Leute habe, auf die ich mich verlassen kann. Ein Meister in meinem Betrieb übernimmt viel Verantwortung und ich habe jemanden, der die Kneipe führt.

Welche Themen drängen aus Ihrer Sicht für die Wirtschaft?

Lippe-Weißenfeld Die Digitalisierung der Stadtverwaltung ist ein ganz wichtiger Punkt. Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet Kommunen bis zum Jahr 2022, 575 Dienstleistungen digital bereitzustellen. Das erzeugt immensen Umsetzungsdruck und verlangt nach einer Gesamtstrategie. Düsseldorf sollte die Digitalisierung als Chance begreifen und vorweggehen. Ich könnte mir einen digitalen Showroom am Rathaus vorstellen, in dem Bürger und Schulklassen sozusagen zum Anfassen vorgeführt bekommen, was digital heute schon alles möglich ist.

Golißa Ich weiß aus der Praxis, wie wichtig eine digitale Verwaltung ist. Die Bürger gehen privat vielleicht ein bis zwei Mal pro Jahr zum Amt, ein Unternehmen hat ein bis zwei Kontakte pro Woche. Bei uns im Betrieb geht das vom Antrag auf ein Parkverbot – das läuft in Düsseldorf sehr gut – über eine Baustelleneinrichtung bis zur Genehmigung dafür, ein Gerüst aufzustellen. Wenn das alles schnell und stressfrei geht, ist das ein echter Standortfaktor.

Die MIT kritisiert auch, dass die Leitung der Wirtschaftsförderung immer noch unbesetzt ist.

Lippe-Weißenfeld Ja. Das ist ein Armutszeugnis für die Stadt, schließlich geht es dabei auch um Wertschätzung für Unternehmen. Düsseldorf sollte nach unserer Ansicht wieder einen Dezernenten für Wirtschaft bekommen, am besten für Wirtschaft und Digitalisierung. Dann würde der Ansprechpartner für die Unternehmen in der Verwaltungskonferenz, also beim wöchentlichen Treffen der Spitzenbeamten, mit am Tisch sitzen. Das wäre ein gutes Signal.

Düsseldorf wächst rasant. Firmen beklagen, dass sie kaum Flächen finden. Was könnte die Stadt tun?

Golißa Das ist ein großes Problem. Ich habe zuletzt häufig von Firmen gehört, die sich erweitern oder neu ansiedeln wollen, aber abblitzen – auch in den Nachbarkommunen. Ein Grund ist die Konkurrenz mit dem boomenden Wohnungsbau. Darauf müssen wir reagieren. Ich fände es gut, wenn ein fester Anteil von Gewerbeflächen bei Bebauungsplänen vorgeschrieben wird, zum Beispiel zehn Prozent.

So wie Sozialwohnungen beim Handlungskonzept Wohnen.

Golißa Ja. Dann weiß jeder Investor vorher, was ihn erwartet. Früher war es selbstverständlich, dass Gewerbe und Wohnen nebeneinander existierten. Zum Beispiel auf der Birkenstraße in Flingern, wo viele Unternehmen in Hinterhöfen angesiedelt waren, sieht man das noch gut. Das verstehe ich unter Urbanität in den Quartieren. Natürlich entstehen dadurch auch Konflikte. Wenn ich um 7.30 Uhr die Kreissäge anschmeiße, stört das sicher Leute. Aber in einer Stadt braucht auch die Wirtschaft ihren Platz. Und teuer wird ein Haus bekanntlich bei Fehlern in der Planung. Wenn man neue Quartiere richtig plant, kann man direkt die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen beziehungsweise berücksichtigen.

Wie bewerten Sie die Nominierung von Marie-Agnes Strack-Zimmermann als OB-Kandidatin der FDP?

Golißa Frau Strack-Zimmermann hat sicher einiges in der Stadt bewegt, das ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist fraglich, ob sie genug Stimmen bekommen kann, um die Wahl zu gewinnen. Ich bin sehr gespannt, wen die CDU aufstellt. Jeder spekuliert natürlich darüber. Wir brauchen einen starken Kandidaten, der 10.000 Mitarbeiter führen kann und auch eine gewisse Affinität zur Wirtschaft mitbringt. Ich wäre nicht unglücklich, wenn das Gerücht stimmt, dass Hildegard Müller antritt.

Lippe-Weißenfeld Wichtig wäre, dass die oder der nächste OB ein motivierender Teamplayer ist mit der Fähigkeit, dauerhaft Kompetenz um sich zu scharen. In einer Stadt wie Düsseldorf ist es wie auf dem Bau: Es gibt viele Aufgaben, und alle sind vernetzt. Da müssen viele fähige Menschen zusammenarbeiten.

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