Serie: Starke Polit-Frauen (6) Die Resolute

Düsseldorf · Beatrix Philipp gehört zur alten Garde der Düsseldorfer CDU. Sie studierte mit Rudi Dutschke, war alleinerziehende Mutter. Seit 13 Jahren ist sie Bundestagsabgeordnete - und soll die Kanzlerin fast zum Weinen gebracht haben.

 Mit Schäuble auf einer Linie: Beatrix Philipp (CDU) auf dem heimischen Sofa.

Mit Schäuble auf einer Linie: Beatrix Philipp (CDU) auf dem heimischen Sofa.

Foto: RP, W. Gabriel

Der verhüllte Berliner Reichstag hat einen Sprung. Deutlich zieht er sich über das Glas des Rahmens über dem Sofa von Beatrix Philipp. Und keiner will's gewesen sein. Die 62-Jährige wohnt in einer großen, alten Rather Villa mit Tochter Michaela, Schwiegersohn und den vier Enkeln im Alter von vier bis elf Jahren unter einem Dach. Tobende Kinder im Wohnzimmer sind also Alltag. Philipp blickt kopfschüttelnd auf die Wand. "Der Sprung ist nicht schlimm, aber wer es war, soll auch dazu stehen." Hintenrum ist nämlich nicht ihr Ding, "lieber zanke ich mich". Punkt.

Philipp sagt ihre Meinung - direkt und unverblümt. Das hat auch Kanzlerin Angela Merkel zu spüren bekommen. In einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Gesundheitsreform Ende Oktober 2006 gerieten die ostdeutsche Regierungschefin und die Bundestagsabgeordnete aus dem tiefsten Westen heftig aneinander: Philipp warf Merkel vor, sie ebne damit den Weg zur DDR-Medizin. Den Vergleich mit der DDR lasse sie nicht zu, habe die Kanzlerin, den Tränen nah, geantwortet. "Wenn man ein anderes System möchte, muss man das auch sagen", findet Philipp, Tochter eines Arztes. Ähnlich klar befürwortet sie Online-Durchsuchungen ("Ich verstehe nicht, dass die Bürger dem Staat weniger trauen als Aldi, Plus und Metro, denen sie bedenkenlos sämtliche Daten geben"), kritisiert Familienministerin Ursula von der Leyen ("Ich finde nicht seriös, was sie macht") und macht aus ihrer Sympathie für Horst Seehofer keinen Hehl ("Wir sind beide Krebse").

Den Mut zum Disput hat sie bereits als Studentin gelernt. Als sie sich in einen Studenten aus Frankfurt verliebte, ihren späteren Mann, studierte die gebürtige Mönchengladbacherin in der Metropole am Main. Es war die Zeit der 68er. Theodor Adorno lehrte, Philipps Kommilitonen waren Rudi Dutschke und Daniel Cohn-Bendit. "Wir diskutierten uns die Köpfe heiß, ich wollte von ihnen wissen, was die Alternative sein sollte zu dem System, das sie kritisierten." Eine Antwort bekam sie nicht. "Die haben doch nur Leute manipuliert." 1972 trat Philipp in Düsseldorf in die CDU ein. Sie wurde Mitglied des Ortsverbands Rath, in dem zu dieser Zeit eine junge Frau Schriftführerin war: Hille Schüssler, heute die Frau von OB Joachim Erwin. "Ich habe mitgekriegt, wie es angefangen hat", sagt Philipp. Erwin, damals Chef der Jungen Union, sei wie heute gewesen: "Ecken und Kanten, dickes Fell und weichester Kern."

Ähnlich wie sie selbst. Denn so resolut die Frau mit den kurzen grauen Haaren und dem klaren Blick einerseits auftritt, so weich kann sie werden, wenn es um ihre Familie geht. Als Tochter Michaela und Sohn Peter, der übrigens im Nachbarhaus wohnt, noch klein waren, ließ Beatrix Philipp die Kinderfrau immer schon um 6.30 Uhr kommen - damit sie selbst nicht die Kinder wecken musste. "Das zu stören, finde ich ganz furchtbar." Auch an ihre Mutter, die sie mit ihrer Tochter in der Familienvilla gepflegt hatte, bis sie vor zwei Jahren 84-jährig starb, denkt sie immer noch voller Liebe. Und auf ihren Sohn, Mitglied der erfolgreichen A-capella-Kombo "Waschkraft", ist sie mächtig stolz.

Zehn Jahre saß Philipp im Stadtrat, ist bis heute mit CDU-Ratsfrau Hildegard Kempkes dick befreundet, beide Familien besitzen in Sichtweite Ferienhäuser im Burgund. Die Kommunalpolitik sei ihre wichtigste Zeit gewesen, sagt Philipp. Schattenseiten gab es auch: 1977 wurde ihre Ehe geschieden - für eine CDU-Politikerin damals ein Skandal. Kritik kam vor allem von Frauen, "die kämpfen mit anderen Mitteln". Leiterin der Katholischen Grundschule Paulusplatz konnte Philipp 1982 erst werden, als der damalige Stadtdechant Bernard Henrichs mit der Faust auf den Tisch schlug und den Gerüchten ein Ende bereitete. Von da an stand auch ihrer politischen Karriere kaum mehr etwas im Weg.

Philipps Tochter kommt herein, einen Sohn, eine Tochter und einen Schulfreund im Schlepptau. Turnschuhsohlen quietschen auf dem Parkett, die Oma verteilt Geschenke von einem Ausflug nach Cuxhaven, tätschelt Köpfe, lächelt selig. Der Sprung im Glas? Längst vergessen.

NächsteFolge: Monika Düker, Landtagsabgeordnete der Grünen. Alle Folgen gibt es im Internet unter

(RP)
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