Off-Rooms in Düsseldorf Fast jeden Abend Livemusik trotz Corona

Die Park-Kultur an der Oststraße nutzt die Corona-Krise für ein außergewöhnliches Streaming-Format. Zugriffe gibt es weltweit. Allerdings muss der Off-Room spätestens 2022 aus dem Haus, das abgerissen wird, ausziehen.

 Jörg Cölsmann und Roland Ermrich (r.) haben die Konzertreihe initiiert.

Jörg Cölsmann und Roland Ermrich (r.) haben die Konzertreihe initiiert.

Foto: Marc Ingel

Alles ist endlich, manchmal sogar die Kultur. Seit 2008 nutzt der Verein „Düsseldorf darstellen und vermitteln“ ein leerstehendes Haus an der Oststraße 118 als kulturellen Off-Room für Ausstellungen, Lesungen, Vorträge, Konzerte, Workshops. Park-Kultur wurde das Projekt getauft, weil dem Haus auch ein Parkhaus angeschlossen ist. Aber es war immer klar, dass dies nur eine Zwischennutzung sein würde, irgendwann kommt ein Investor, will das Gebäude abreißen und neu bauen. Anfang des Jahres war es soweit. Die Bauvoranfrage der Project Immobilien aus Köln passierte die politischen Gremien. „Spätestens Anfang 2022 müssen wir hier wohl raus“, sagt der Vereinsvorsitzende und Projektleiter vor Ort, Roland Ermrich. Vielleicht ist dann am Worringer Platz ein Neuanfang möglich.

Ermrich findet das alles auch gar nicht so schlimm, denn er begrüßt prinzipiell die Schaffung von neuem Wohnraum. Und die Zwischennutzung von aufgegebenen Ladenlokalen oder Abbruchhäusern in Wartestellung für Kunst und Kultur, wie sein Verein sie gerade praktiziert, zählt zu seinen Lieblingsthemen. Rund 30 solcher Objekte gebe es aktuell gerade in der Stadtmitte zwischen Berliner Allee und Hauptbahnhof – wären nur die bürokratischen Hürden nicht so hoch, tatsächlich muss jedes Mal ein Bauantrag gestellt werden. „Da dauert die Bearbeitung schon mindestens drei Monate“, sagt Ermrich.

 Auch der Liedermacher Eddy Schulz trat mit seiner Band schon in der Park-Kultur auf. Er singt gerne über die Katastrophen des Lebens – passt irgendwie in diese Zeit. 

Auch der Liedermacher Eddy Schulz trat mit seiner Band schon in der Park-Kultur auf. Er singt gerne über die Katastrophen des Lebens – passt irgendwie in diese Zeit. 

Foto: Marc Ingel

Bei der Park-Kultur hat das zum Glück funktioniert, der Aufwand war letztlich überschaubar. 400 Euro haben Feuerlöscher, Rauchmelder und Exit-Schilder gekostet, 7000 Euro aber auch wiederum die Baugenehmigung inklusive zweier Gutachten. Immerhin, es hat sich gelohnt, die Park-Kultur wurde zur Anlaufstelle in einem Viertel, das eigentlich keine eigene Identität hat. „Hier wohnen 100 verschiedene Nationalitäten auf engstem, verdichtetem Raum, die fühlen sich nicht unbedingt mit ihrem Quartier verbunden“, sagt Ermrich.

 Lilian-Maria und Rolf Springer interpretieren Jazz, Pop und Grunge auf ihre ganz eigene Art.

Lilian-Maria und Rolf Springer interpretieren Jazz, Pop und Grunge auf ihre ganz eigene Art.

Foto: Marc Ingel

In der Park-Kultur waren Ermrich und seine Mitstreiter dennoch immer bemüht, genau das zu fördern, integrierend zu wirken. 30 Ausstellungen gab es in den vergangenen zwölf Jahren allein, die 200 Quadratmeter wurden Vereinen zur Verfügung gestellt, die sonst nirgends einen Raum fanden. Bücher erschienen, Blogs wurden erstellt, auf der Webseite D-Mitte wurde das Leben in der Stadtmitte dargestellt. Und dann kam im März, das, was alles plötzlich aushebelte.

Zur Überbrückung (und weil Ermrich halt ohnehin nichts Besseres zu tun hatte) wurde zusammen mit dem DJ Jörg Cölsmann die Idee geboren, in der Park-Kultur der lokalen Musikszene ein Podium zu geben und die Live-Konzerte auf dem Streamingkanal der Internetseite (www.dmitte.de/tv) allen zugänglich zu machen. Aus zwei wurden drei, dann zehn, inzwischen sind es mehr als 30 Konzerte, und fast täglich kommt zwischen 20.15 und 21.15 Uhr ein weiterer Auftritt hinzu. Rock, Pop, Oper, DJ-Sets, Hip-Hop, Grunge, Jazz, Tango, Chansons, Gospel und Polka – alles geht, und wenn die Passanten während der Konzerte durch das große Schaufenster schauen, trauen sie ihren Augen kaum, „das hat was von Waschsalon-Ambiente“, meint Ermrich.

Auf Facebook hat er einmal sogar 15.000 Aufrufe gezählt, während Cölsmann die Zugriffe weltweit analysiert hat: 11.000 waren es in einem Monat, führend sind die USA vor Spanien, aus 29 Ländern insgesamt haben sich Besucher eingeloggt. „Anfangs war unsere Ausrüstung hier noch sehr rudimentär, aber inzwischen sind wir schon durchaus semi-professionell“, sagt Cölsmann. Mittlerweile gibt es zusätzlich auch noch Interview-Runden, und auf der Internetseite sind alle bereits stattgefundenen Konzerte abrufbar in einer Mediathek hinterlegt. „Irgendwann im Juli oder August, wenn wieder ein halbwegs normaler Alltag eingekehrt ist, werden wir das auf ein- bis zweimal die Woche reduzieren. Am Jahresende werden es dennoch so an die 80 bis 90 Konzerte sein – davon fast 90 Prozent nur mit Düsseldorfer Musikern“, erzählt Ermrich.

Bald soll es auch wieder Vorträge und Lesungen geben, für den 12. Juni (19.30 Uhr) ist mit „Schachmatt – unsere Erde am Limit“ zudem die erste Ausstellung seit Corona geplant. Aber die Live-Streams sind Roland Ermrich schon besonders ans Herz gewachsen: „Digitale Möglichkeiten haben sich während Corona in der Praxis bewährt. So schaffen wir unzählige virtuelle Off-Rooms.“

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