Erinnerungen Die mutige Lore Pfeiffer-Wentzel

Düsseldorf · Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schwiegervater von Lore Pfeiffer-Wentzel von den Nazis hingerichtet, weil er verdächtigt wurde, am Attentat auf Hitler beteiligt gewesen zu sein. Die 91-Jährige hat jetzt ihre Erinnerungen an die Zeit niedergeschrieben.

 Lore Pfeiffer-Wenzel wohnt heute neben der Familie ihres Sohnes.

Lore Pfeiffer-Wenzel wohnt heute neben der Familie ihres Sohnes.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Es gibt nur noch wenige Menschen, die uns Geschichten aus dem Krieg erzählen können. Eine von ihnen ist Lore Pfeiffer-Wentzel, eine 91 Jahre alte Düsseldorferin, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat und die am eigenen Leib erfahren musste, wie willkürlich die Hitler-Dikatur mit Menschen umgegangen ist. Dennoch blickt sie dankbar auf ihr Leben zurück: "Ich hatte Glück."

In ihrer Autobiografie "Ein recht mutiges Herz" berichtet Pfeiffer-Wentzel von ihren zwei Leben. Das erste — und für sie dramatischere — dauerte von 1920 bis 1953. Damals lebte sie in Halle an der Saale. Aus gutem Haus stammend, genoss die junge Lore eine ausgezeichnete Schulbildung und hätte gerne, wenn es die Nazis nicht verboten hätten, studiert. So arbeitete die Tochter eines Arztes als Rotkreuzschwester und versorgte die Verletzten, die am Bahnhof ankamen.

Ihre erste Liebe war Carl-Friedrich Wentzel. Der Sohn eines Landbesitzers verliebte sich ebenfalls in die schöne Lore, die beiden heirateten 1941 und bekamen 19944 einen Sohn. Das Familienglück schien perfekt, doch der Krieg warf seine dunklen Schatten über das Leben der Lore Wentzel. Ihr geliebter Schwiegervater Carl, der dem Sohn einst sagte "Die würde ich auch heiraten", wurde 1944 von der Gestapo verhaftet. Der Grund: Die Regierung verdächtigte ihn, am Hitler-Attentat beteiligt gewesen zu sein. Die Schwiegermutter Ella nahmen die Nazis ebenfalls fest und sperrte sie in das KZ Ravensburg.

Für Lore begann eine vier Monate dauernde Tortur: Jeglicher Kontakt zu Carl brach ab, Lore schaffte es nur zufällig, ihn im Gefängnis Berlin zu sehen — zerschunden, gefoltert stand der ehemals strahlende Mann vor ihr. Die Familie hatte keine Chance auf Gerechtigkeit. Carl wurde zum Tode durch den Strang verurteilt. "Als ich davon erfuhr, bat ich um den Leichnam", erzählt die 91-Jährige heute. "Der Offizier sagte mir, dass die Leichen verbrannt und die Asche und das Blut zum Düngen der Äcker benutzt würden." Da verlor sie jegliche Kraft, fuhr zu ihrem Mann zurück und trauerte. Noch heute trägt sie eine alte Armbanduhr des Schwiegervaters. Mit Kraft und Mut schaffte sie es, den Krieg zu überstehen und ihrem Sohn Stefan ein gutes Zuhause zu geben. Der Ehemann Carl-Friedrich hingegen zerbrach, litt offenbar unter Depressionen. "Eines Tages, an Weihnachten, sagte er: Ich gehe." Tränen stehen in den Augen der Lore Pfeiffer-Wentzel. Noch heute, über 60 Jahre später, verletzen sie diese Worte. Ein Schmerz, der nie vorübergehen wird.

Doch dann begann das zweite Leben: 1953 zog Lore mit Stefan zu ihrer Schwester nach Düsseldorf. Dort traf sie einen früheren Freund wieder, den Herrenausstatter Rolf Pfeiffer. Sie arbeitete ebenfalls in der Modebranche, entwarf Kleidung und verkaufte sie erfolgreich. 1959 heiratete sie Rolf Pfeiffer. Gemeinsam bekamen sie vier Kinder. Damit endet das Buch. Für Lore Pfeiffer-Wentzel jedoch fing damit das richtige, das gute Leben erst an.

Heute wohnt sie neben der Familie ihres Sohnes Matthias, der das Geschäft des Vaters, der früh verstarb, übernahm. Gezeichnet vom Schicksal ist sie nicht. Vielmehr strahlen ihre braunen Augen und das gütige Lächeln eine Stärke und Zuversicht aus, die jedem sagt: "Du schaffst alles, was du willst — alles was du dazu brauchst, ist ein kleines bisschen Mut."

(RP)
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