Deutsch-Russischer Freundschaftsverein aus Düsseldorf Vom doppelten Gorbatschow bis in die Sauna des Patriarchen

Düsseldorf · 16 riesige Flugzeuge voller Hilfsgüter schickte der Verein Deutsch-Russische Freundschaft Düsseldorf-Moskau in den 1990er Jahren nach Russland. Dabei hatte alles mit einem Charity-Gag begonnen.

Die Geschichte des Vereins Verein Deutsch-Russische Freundschaft Düsseldorf Moskau
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So entstand der Verein Deutsch-Russische Freundschaft Düsseldorf Moskau

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Foto: Albert H. Bitter

Eigentlich fing alles mit einem Gag an. Einem PR-Stunt im Düsseldorf der späten 80er Jahre, als die Macher unserer Gesellschaft gerne mal mit dem ganz großen Besteck arbeiteten.

Einer dieser Macher war Albert Bitter – und wie sehr die ganze Sache ausufern würde, konnte er anfangs einfach nicht wissen.

Bitter war damals Herausgeber des Top-Magazins, einer Illustrierten, die sich den schönen Seiten des Lebens widmete. Im Herbst 1988 entschied er, man werde den Geschäftskunden zu Weihnachten diesmal kein Präsent machen, das am Ende in der Ecke landet – sondern in ihrem Namen russische Waisenkinder beschenken. „Wir wollten etwas Sinnvolles auf die Beine stellen“, sagt Bitter.

1988 war das Jahr, in dem Michail Gorbatschow als KPdSU-Parteichef darum rang, seinen Öffnungskurs durchzusetzen. In der Bevölkerung gab es Widerstand. Manche fürchteten, bald vom Kapitalismus vereinnahmt zu werden. „Doch hierzulande war Gorbatschow sehr geachtet“, erinnert sich Albert Bitter.

Wer dann genau auf die geniale Idee kam, ein Gorbatschow-Double zu engagieren und es auf einer Benefiz-Gala auftreten zu lassen, ist nicht überliefert. Dass der Gag etwas ausartete, war aber ganz bestimmt Bitters Verdienst. Der überredete nämlich die Polizei dazu, ihm eine Staatspräsidenten-Eskorte zur Verfügung zu stellen. Die Innenstadt sei abgeriegelt worden, so Bitter. „Das wäre heute gar nicht mehr möglich.“ Gemeinsam mit dem falschen Gorbatschow entstieg der Top-Magazin-Herausgeber schließlich vor dem WZ-Center auf der Kö einer schwarzen Mercedes-Limousine, die, so will es die Legende, von insgesamt vier Polizeiautos und 17 Motorradpolizisten eskortiert wurde. Eine Band spielte die Nationalhymne der UDSSR. Keiner der etwa 1000 Partygäste hätte sich noch getraut zu bezweifeln, dass hier der echte Gorbatschow um Spenden für russische Waisen bat. Selbst als Bitter den Streich schließlich beendete und die Gäste informierte (mit zitternden Knien, wie er später gestand), kam noch „viel Geld“ zusammen – wieviel es war, ist nicht überliefert.

Als nächstes machte Bitter einen Deal mit dem russischen Botschafter: Von dem Geld wurde nur zur Hälfte Spielzeug angeschafft. Die andere Hälfte wurde in Medikamente, Spritzen und Kanülen für eine Kinderklinik investiert. Dafür wollte der Botschafter den Transport organisieren. Im Januar kam ein Anruf: Man habe ein Flugzeug organisiert. Eine Antonov.

Nach eigener Aussage trieb Bitter das den Schweiß auf die Stirn. Die Antonov ist bis heute eins der größten Transportflugzeuge der Welt. Die AN 22, die damals in Köln-Bonn landete, hat einen Frachtraum von 33 Metern Länge und je 4,40 Metern Breite und Höhe. Sie kann 80 Tonnen Güter transportieren. „So viel hatte ich nicht“, stellt Bitter im Nachhinein trocken fest. Was man nicht hat, muss man besorgen – das war dem Düsseldorfer klar. Er aktivierte seine Kontakte im Handel und schaffte es tatsächlich, palettenweise Schokolade, Baby-Nahrung, Verbandsmaterial und andere Güter zu organisieren. Die Antonov war voll, die Blamage abgewendet.

Diese Aktion war der Beginn des Vereins Deutsch-Russische Freundschaft Düsseldorf-Moskau. 1990 gründete Bitter ihn mit eigens ausgewählten Mitstreitern. „Es waren Männer, von denen ich wusste, dass sie helfen können und wollen“, sagt er. Spediteure und Lageristen waren zum Beispiel dabei, aber auch ein Blumenhändler. Der bestückte dann die Events und Messestände des Vereins. Mit zwölf Personen fing alles an. 16 Mal brachte der Verein Hilfsgüter nach Moskau, in einem Gesamtwert von 13 Millionen Euro. Sie kamen einer Kinderklinik und einem Kinderheim zugute. Bei jedem Transport reisten einige Vereinsmitglieder mit, damit die Ware auch sicher am Bestimmungsort ankam.

Und die Russen waren dankbar. Auf den Fotos aus jener Zeit ist zu sehen, dass den Vereinsmitgliedern zu Ehren Banketts gegeben wurden. Sie trafen die höchsten Männer im Staat, tranken Altbier auf dem Roten Platz – und entspannten sich in der Sauna des russischen Patriarchen. „Wir wohnten in einem Luxushotel, das die orthodoxe Kirche in einem Kloster eingerichtet hatte“, erzählt Bitter mehr oder weniger schulterzuckend. „So kam es, dass wir auch den Patriarchen kennenlernten.“ Und Sauna gehörte offenbar einfach dazu.

Als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Russland wandelten, konzentrierte sich der Verein mehr auf kulturellen Austausch. Dass das verhältnismäßig kleine Düsseldorf mit der 11-Millionen-Einwohner-Metropole Moskau eine Städtepartnerschaft einging, ist nur ein Ergebnis der Arbeit des Vereins Deutsch-Russische Freundschaft.

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