Düsseldorf Die Eingeborenen der Altstadt

Düsseldorf · Seit 150 Jahren gibt es in der Lambertusstraße die Rahmenhandlung Guntermann. Ein Familienbetrieb über fünf Generationen. Und eine Konstante in der sich stetig verändernden Düsseldorfer Altstadt.

 Klaus Schugen in seinem Laden mit einem Bild des Gründers der Rahmenhandlung, Peter Guntermann.

Klaus Schugen in seinem Laden mit einem Bild des Gründers der Rahmenhandlung, Peter Guntermann.

Foto: Bernd Schaller

Man sollte ja meinen, dass es gerade in der Altstadt eine gewisse Kontinuität gibt. Wo, wenn nicht hier, hinter den alten Giebeln, den schiefen Wänden, in dieser historischen Kulisse? Doch tatsächlich ist die Rahmenhandlung Guntermann in der Lambertusstraße eine Ausnahme, eine Konstante in dem Stadtteil, der sogar noch mehr als andere einem fortlaufenden Wandel unterworfen ist, wie wohl niemand besser weiß als Klaus Schugen, Inhaber, Vergolder, Rahmenbauer und eingeborener Altstadt-Bewohner.

Schugen macht, was er macht, in der fünften Generation. Er ist stolz auf diese Kontinuität, er zelebriert sie in diesen Tagen schon alleine dadurch, dass ein großes Ölgemälde im Schaufenster seines Ladens auf einer Staffelei steht. Zu Füßen seines Ururgroßvaters und Gründers Peter Guntermann liegen auch diverse Dokumente, Bescheinigungen, Pläne, die die Geschichte des Geschäftes dokumentieren. "Mit ihm fing alles an", sagt Schugen, 1864. Damals kämpfte Preußen an der Seite Österreichs gegen Dänemark, in den USA tobte der Bürgerkrieg und in Großbritannien ereignete sich der erste Mord in einem Zugabteil.

Peter Guntermann kam aus Hilden, hatte aber einige Jahre im Ausland verbracht, bevor er sich in Düsseldorf niederließ. In Paris etwa hatte er einen Teil seiner Gesellenzeit verbracht. Das Geschäft eröffnete er zunächst im Haus Altestadt 7. Nicht einmal 20 Jahre später ließ er zwei Häuser auf der Lambertusstraße erbauen. Einer seiner Kunden war ein junger Architekt an der Kunstakademie, den er für die Fassaden gewinnen konnte: Bruno Schmitz sollte später Monumentalbauten für Wilhelm II. bauen, darunter das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica. Die Häuser an der Lambertusstraße nannte er seine "Jugendsünden".

Im Grunde hat sich seit damals nicht viel geändert, sagt Schugen. Immer noch ist die Werkstatt im Hinterhaus, die Werktische sind dieselben wie damals, auch wenn zwischendurch die Arbeitsplatten erneuert wurden. Natürlich gibt es inzwischen auch moderne Installationen, doch die Nägel etwa mit denen Schugen die Rahmen der ihm anvertrauten Bilder fertigt, liegen immer noch in den alten Blechdosen des Urgroßvaters. Dosen, die einst Rübenkraut enthielten, aus denen sich sein Urgroßvater, seine Großmutter und seine Mutter schon bedienten. Schugen nennt sich selbst einen "Exoten", und er weiß nicht, ob die Tradition seiner Familie nach ihm weitergeführt wird. Seine Kinder tendieren in eine andere Richtung, "doch wer weiß, vielleicht hat ja irgendwann ein Enkelkind Spaß daran", sagt er. Doch gibt es immer weniger Menschen, die ihre Bilder so rahmen lassen, das Handwerk des Vergoldens - eine aufwendige Prozedur, die entsprechend teuer ist - ist in Zeiten, in denen in jedem Baumarkt Rahmen für ein paar Euro angeboten werden, immer weniger gefragt.

Hauchdünn ist die Goldschicht, die Schugen mit einem Pinsel aus Eichhörnchenhaar auf einen Rahmen aufträgt, der zuvor mit Leim aus Hasenhaut behandelt wurde. Er poliert das Gold mit einem Achatstift. Einen Lehrling hat er nicht. "Das ist ein Luxus, den ich mir leiste. Ich brauche meine Freiheit", sagt er. Er liebt seinen Beruf, und kann sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Ebenso wenig kann er sich vorstellen, dass Haus in der Lambertusstraße zu verkaufen. Auch wenn rundherum luxussaniert wird und neue Eigentumswohnungen im hochpreisigen Segment entstehen. Schön sei, was in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Teil der Altstadt passiert ist, er begrüßt das neu entstehende Andreasquartier, er hofft, dass die Lebensqualität in der Altstadt weiter steigt. Und freut sich auf die neue Nachbarschaft. Als alter Eingeborener.

(RP)
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