Protestaktion Die Ärmsten leiden unter Krisen enorm

Düsseldorf · FiftyFifty macht mit einer Aktion vor dem Düsseldorfer Rathaus auf die prekäre Lage der Betroffenen aufmerksam. Es ist der Auftakt einer ganzen Protestreihe.

 Vor dem Rathaus hat der Verein FiftyFifty bei einer Protestaktion 140 Tüten mit der Aufschrift „Das Geld ist alle“ aufgestellt.

Vor dem Rathaus hat der Verein FiftyFifty bei einer Protestaktion 140 Tüten mit der Aufschrift „Das Geld ist alle“ aufgestellt.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Rund 20 Prozent der Düsseldorfer seien von Armut betroffen. Für sie „ist am Ende des Geldes noch sehr viel Monat übrig“, wie Hubert Ostendorf, Gründer von FiftyFifty bei einer Kundgebung am Donnerstag vor dem Rathaus sagt. 140 Papiertüten mit der Aufschrift „Das Geld ist alle...“ hat der gemeinnützige Verein zur Unterstützung von Obdachlosen vor dem Rathaus aufgestellt, „um die Politik und Gesellschaft schon frühzeitig auf die Thematik aufmerksam zu machen, dass immer mehr Menschen in Armut leben“, wie der Sprecher des Vereins, Oliver Ongaro, erklärt.

Einige der rund 350 Verkäuferinnen und Verkäufer des gleichnamigen Straßenmagazins sind mit dabei und erzählen ihre Geschichten. Django beispielsweise verkauft seit Jahren mit seiner Frau zusammen die FiftyFifty in Kaiserswerth: „Inzwischen verkaufen wir gerade einmal 20 bis 30 Zeitungen im Monat.“ Früher seien es mehr als 100 gewesen, davon habe man etwas gehabt. „Aber wenn mit Grundsicherung und Erwerbsminderungsrente nach Miete und anderen Fixkosten 300 Euro für zwei Personen übrig bleiben, steht man außerhalb der Gesellschaft.“

Diese Erfahrung teilen sie mit vielen anderen FiftyFifty-Verkäuferinnen und -Verkäufern. Vanessa sieht einen Zusammenhang mit der Pandemie – die den Verkauf zusätzlich erschwere. Viel bleibt dabei nicht übrig. Wenn dann, wie zum Beispiel bei Steffi, noch zusätzliche Kosten etwa für Medikamente hinzukommen, wird es noch einmal kritischer.

Diese Auswirkungen spüren wiederum die Tafeln, die inzwischen Kunden ablehnen müssen, aber auch die Altstadt-Armenküche von Pater Wolfgang. Rund 280 Essen verteile man inzwischen täglich, deutlich mehr als noch vor einiger Zeit. Die Zutaten dazu werden eingekauft, finanziert wird der Verein über Spenden und Förderungen. In der Regel sollen sich die Menschen mit 50 Cent pro Mahlzeit beteiligen, „doch auch das ist vielen inzwischen nicht mehr möglich“, berichtet Pater Wolfgang. Dies alles sei nicht nur ein Problem ausgelöst durch den Krieg, die Inflation oder Pandemie. Vielmehr sei es ein systemisches Problem. Es werde mit Lebensmitteln spekuliert; Reiche würden sich immer mehr bereichern und auf der Strecke blieben diejenigen, die es ohnehin schwer hätten.

Heiko muss ebenfalls die Armenküche in Anspruch nehmen. Er hat lange Jahre auf der Straße gelebt und im Rahmen von „Housing First“ hat er über den Verein nun seit rund zwei Jahren eine Wohnung. Das Geld ist knapp. „Das gesamte Projekt ist durch die extremen Energiekosten in Gefahr“, sagt Hubert Ostendorf.

Hinzu kämen die Regelsätze der Sozialhilfe, die viel zu niedrig seien und nicht an die aktuellen Ereignisse angepasst würden. „155 Euro sind für Essen, Getränke und Tabak im Monat nach Hartz-4-Regelung vorgesehen“, erzählt Ostendorf. Das seien gerade einmal fünf Euro pro Tag – und schon vor der hohen Inflation menschenunwürdig. Bei einer Steigerung der Lebensmittelpreise um bis zu zwölf Prozent sei das kaum noch zu stemmen. Rein statistisch würde so das Geld an vollen drei Tagen fehlen, sagt er weiter. Auch die Einmalzahlungen der Bundesregierung seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Obgleich der Politik schon viele gute Vorschläge gemacht worden seien, um die Armut zu bekämpfen, würden diese doch immer mit der Argumentation, dass nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, abgelehnt. „Aber gleichzeitig wird der Rüstungsetat um 100 Milliarden Euro aufgestockt“, hält Ostendorf fest. Ein Umdenken sei hier dringend notwendig.

Doch auch die Düsseldorfer könnten aktiv helfen: Würden alle 350 FiftyFifty-Verkäufer pro Monat 100 Zeitungen verkaufen – was damit gleichzusetzen sei, dass gerade einmal fünf Prozent der Stadtbevölkerung eine Zeitung kaufen müsste, wäre diesen Menschen schon deutlich geholfen.

Auch Kö-Peter, der „bekannteste Bettler der Kö“, berichtet, dass er schlicht nicht mehr über die Runden komme: „Ich bekomme einen regelrechten Schock, wenn ich in die Läden gehe.“ Dabei trinke er nicht, er rauche nicht – und dennoch reiche es hinten und vorne nicht. Für seine beiden Hunde bekomme er Unterstützung von Freunden und Bekannten. Er fasst die Hoffnungen der hier Versammelten auf eine Wirkung der Proteste zusammen: „Es muss ein Ende haben, dass die Ärmsten der Ärmsten noch ärmer werden.“

Für den kommenden Donnerstag kündigt FiftyFifty eine weitere Aktion zum Thema Neun-Euro-Ticket an.

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