Kolumne Mein Düsseldorf Des Carlsplatz-Kunden spezieller Stil

Düsseldorf · Auf dem Markt gibt es nicht nur gehobene Waren, auch die ewige Jugend.

Wer Düsseldorfs Carlsplatz wirklich kennt, weiß um dessen Eigenheiten: einmaliges Angebot, einmalige Preise, ab und zu ein schräger Missetäter in der Führungs-Crew oder ein im benachbarten Supermarkt Erdbeeren nach-kaufender Obsthändler. Dazu im Hintergrund teilweise Mafia-ähnlich Strukturen. Zuletzt fiel uns eine weitere Eigenheit auf. Unbewusst hatten wir sie schon länger registriert, uns auch schon mal lustig gemacht über eine besondere Art reiferer Herren. Mit Paisley-Tuch, senffarbener Cordhose, Barbour-Jacke in Pink und Slippern aus edlem Leder sowie geflochtenem Korb schreiten sie samstags von Händler zu Händler und nerven mit Fragen nach linksdrehenden Joghurtkulturen und "Sind die Kumquats auch wirklich aus kontrolliertem Anbau?" oder "Soll ich das Bresse-Huhn in einem 1986er St. Émilion grand cru cassé garen? Tut es nicht auch der 94er Brunello de Montalcino?" Sie gehören zum Carlsplatz wie Fisch-Pahlke und Pfannen-Wolfgang, sind sozusagen Teil des sehenswerten Gesamtkunstwerkes.

Nun jedoch wissen wir: Sie sind keineswegs Einzelfälle, sondern Teil einer größeren Community, neuerdings konzentriert auftretend vor dem Wagen des WDR-Schmeckleckers Dave Hänsel. Der ist nämlich seit kurzem auf dem Markt, versucht sich dort als Frittenmacher und Weinverkäufer. Ob und wie das gelingt, ist derzeit schwer zu beurteilen, doch eine Fangemeinde hat sich bereits etabliert.

Und nun hocken oder stehen sie dort - sichtlich nicht mehr ganz taufrisch, man könnte auch sagen: in die Jahre gekommen und einige von ihnen offenbar in einer sich endlos drehenden Zeitschleife, die damals, in den späten 60ern, begonnen haben muss. In jenen Zeiten, in denen Charlie Büchter im Pferdestall und später im Sam's ein Glas Cola für unfassbare acht DM verkaufte und ein jeder sich gebauchpinselt fühlte, dessen eigene Flasche Wodka mit Namen in einem speziellen Regal hinter dem Tresen wartete. Sprach einen dann noch der Barkeeper mit Vornamen an, war das perfekt - man war wer, entrückt im Altstadtadel höchster Provenienz.

Lange vorbei, neue Adressen sind angesagt, ihr Verfallsdatum wird immer kürzer.

Aber einige der damaligen Aficionados sind halt übriggeblieben, suchen neue Bühnen für den persönlichen Auftritt. Den haben sie nun, präsentieren sich, als wären nicht 40, 50 Jahre vergangen. Klar, keiner trägt mehr Schlaghosen, Schockfarben und Hemdkragen im Frühstücksbrett-Format. Aber den Touch der Jugend, den möchten sie immer noch spüren und haben daher eine Art juvenilen Carlsplatz-Kleidungsstil, ein eigenes Design, einen eigenen Auftritt entwickelt. Also muss es für SIE beispielsweise die hautenge, hellgrüne Reiterhose mit gesteppten Nähten sein, in schwarzen Rockerstiefeln steckend, kombiniert mit Lederjacke, engem T-Shirt ohne - nun ja, kein Kommentar! - BH, schlammfarbenem Nagellack und einem Kilo klirrenden Modeschmuck am welken Hals und hageren Handgelenk, an dem (rechts!) die echte Rolex von Wohlstand oder (links!) ein Jaeger-LeCoultre-Fake von der letzten Antalya-Reise kündet. Die Haare sind, natürlich, auf jung gefärbt, und der Blick von achtern lässt Männer den Hals verdrehen - bis frau sich umdreht und trotz ein paar hundert Gramm Make-up den Gang der Jahre nicht spurlos verschwinden lassen kann, weil das Gesicht natürlich sportlich gebräunt, aber ansonsten der Zwilling eines stark beanspruchten Lederhandschuhs ist.

Bei IHM ist es ebenfalls krass: Runde Nickelbrille oder tropfenförmige Ray-Ban über Malle-Bräune, das zwar schüttere, aber lange Haar im Nacken gezopft, grau-weißer Drei-Tage-Bart, dazu ein voluminöser Schal mit Stars and Stripes, Piloten-Jacke, Jeans, am Finger ein paar dicke Ringe. Das sind wohl die Herren namens U-70, deren Selbstdarstellung in Internet-Kontaktportalen mit dem Satz "Kein Opa-Typ!" endet. Auffallend: Es wird wenig geraucht (Ausnahme: feine Robustos aus Kuba), die Gespräche drehen sich um Golf (nicht das Auto!), SUV, veganes Essen und probate Mittel gegen Verstopfung. Tattoos sind selten, weil: als die Haut noch straff genug war für solche Kunstwerke, waren sie ein No-go, weil Markenzeichen von Knast-Größen.

(RP)
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