Kommentar Der Wille des Bürgers zählt — manchmal

Düsseldorf · Für die Neugestaltung der Schadowstraße hat es mehrere Umfragen bei Bürgern, Anliegern und Händlern gegeben. Das Votum war klar für eine Fußgängerzone. Dennoch liegt jetzt ein Konzept auf dem Tisch, bei dem Autos Teil der Einkaufsstraße bleiben.

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In den anstehenden Wahlkämpfen wird ein Wort wieder partei- übergreifend eine Hauptrolle spielen: Bürgerbeteiligung. Jede Partei will nah am Bürger sein, also den Wähler ernst nehmen, damit er auch diesmal das Kreuzchen an der richtigen Stelle macht. Wird in einer Stadt Neues geplant — ob Gebäude, Freiflächen oder Straßen — ist die Beteiligung der Bürger festes Element des Verfahrens. Die Pläne werden öffentlich ausgelegt, manchmal gibt es auch Informationsabende, bei denen Fragen beantwortet werden und auch ein wenig diskutiert werden darf. Am Ende wird alles in dicken Papierpaketen dokumentiert — und meist stimmt die jeweils regierende Mehrheit für den Plan, den sie ohnehin von vornherein am besten gefunden hat.

So ist nun mal die politische Realität. Was jetzt am Beispiel Schadowstraße gerade besonders gut zu sehen ist. Die Diskussion darüber, wie die Einkaufsstraße, die noch vor wenigen Jahren zu den umsatzstärksten Deutschlands zählte (das war vor Beginn der Bauarbeiten), gestaltet werden soll, ist so alt wie die Debatte über die U-Bahnstrecke namens Wehrhahn-Linie selbst: Soll sie Fußgängerzone werden, wie bereits der westliche Ast? Soll — bis auf die Bahnen, die ab 2015 unterirdisch fahren — alles so bleiben, wie es ist? Oder wagt man ein Experiment mit dem Modell "shared space", bei dem Fußgänger, Rad- und Autofahrer sich die Fläche gleichberechtigt teilen?

Von Beginn an gibt es zwei Lager: Die betroffenen Einzelhändler plädieren in einer sehr deutlichen Mehrheit für eine Fußgängerzone, die schwarz-gelben Ratsregierenden scheuen ebenso klar davor zurück. Man will ja nicht den Autoverkehr blockieren und verteufelt prinzipiell die Fußgängerzone mit Hinweis auf Sündenfälle mit ausgestorbenen Innenstädten nach Ladenschluss. Die Stadt gab sich dennoch bürgernah, veranstaltete einen "BürgerDialog" mit Fachforen, Experten aus anderen Städten, einer Schau im Schauspielhaus-Foyer.

Parallel gab es Umfragen. Allein die Industrieund Handelskammer befragte fast 3000 Passanten und Einzelhändler — auf der Schadowstraße und anderen Einkaufsstraßen der Innenstadt. Das Votum war eindeutig: Drei Viertel der Passanten und zwei Drittel der Händler sprachen sich für die Fußgängerzone aus. Doch das Konzept, das nun auf dem Tisch liegt, spiegelt — in abgemilderter Form — wider, was von Beginn an der Plan der Regierenden im Rathaus war. Verblüffend? Nein, politischer Alltag. Und diesmal sogar bürgerfreundlicher als sonst üblich.

Immerhin hat man sich unter den sich selbst auferlegten Bedingungen Mühe gegeben, den Fußgängern so viel Raum wie möglich zu geben, nämlich 20 von insgesamt 25 Metern Straßenbreite. Also fast schon eine Fußgängerzone. Dass mittendurch eine Fahrbahn führt — ein Randaspekt. Schließlich fahren die Autos nur in eine Richtung und das maximal mit Tempo 20. Das Ass im Ärmel ist der Radweg, nutzbar nach Westen wie nach Osten. Der aber muss mit den Autos geteilt werden.

Damit nicht der Verdacht entsteht, es handle sich um "shared space", wird die Fahrbahn mit einer drei Zentimeter hohen Kante vom Fußgängerbereich abgetrennt. Die Stadt hat es sich nicht leicht gemacht, schließlich gilt es, viele Interessen unter einen Hut zu bringen und auch die anderen Straßen nicht zu sehr zu belasten.

Entstanden ist am Ende aber ein Mischmasch. Vielleicht funktioniert es. Wahrscheinlicher aber ist, dass sich am Ende alle in die Quere kommen und keiner zufrieden ist. Besser wäre gewesen, die Bürger richtig zu beteiligen und ihren Willen wirklich umzusetzen. Auch wenn der nicht der eigenen Idee entspricht.

(anch)
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