Düsseldorf Der Verkaufsschlager

Düsseldorf · Schwiegermütter lieben ihn, Schwiegersöhne nicht so sehr: QVC-Moderator Sascha Heyna hat kein Problem damit, ein Spießer zu sein.

Einblicke hinter die Kulissen von QVC mit Sascha Heyna
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Einblicke hinter die Kulissen von QVC mit Sascha Heyna

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In der Welt, in der das Glück nur einen Anruf entfernt ist, sitzt ein Mann auf einem Bett und sagt: "Das fühlt sich so hammermäßig an." Der Mann heißt Sascha Heyna, ist 38 Jahre alt, schlank, trägt kurze grau melierte Haare, ein Sakko, ein weißes Hemd und Jeans. Der Moderator des Verkaufssenders QVC hat die Augen weit aufgerissen. Die Bettdecke, die er immer wieder anfasst, ist mit Mikrofasern gefüllt.

"Aber das fühlt sich an wie Daunen", sagt er. Neben ihm liegt eine Frau, die nun aufsteht und sich eine dieser Mikrofaser-Daunen auf ihre Handinnenfläche legt. "Gucken Sie mal", sagt sie freudig in die Kamera, "diese Daune fliegt nicht nach unten, sondern nach oben." Sie pustet auf ihre Hand, die Daune fliegt tatsächlich zuerst nach oben und segelt dann zu Boden.

Doch noch mehr als die Frau wird Sascha Heyna in den kommenden Minuten seine Begeisterung steigern. Er wird einen ganzen Beutel Mikrofaser-Daunen in einem durchsichtigen Zylinder zusammendrücken, und wenn er die Hand zurückzieht, werden sie sich wieder aufbauschen. Er wird ein Kopfkissen, das ebenfalls mit dem Wundermaterial gefüllt ist, zusammenrollen, und es wird sich wieder von selbst aufplustern. Und wer es nicht glaubt, dem sagt er es noch mal und noch mal: "Es fühlt sich an wie Daunen, aber es sind keine Daunen."

Eine ganze Stunde lang wird der Mann den Zuschauern von QVC an diesem Mittwochnachmittag im Düsseldorfer Studio vorschwärmen, warum sie die Decke und das Kopfkissen unbedingt kaufen müssen. Nach kaum einer Viertelstunde wird er sagen, dass bereits 2000 Sets verkauft seien. Er wird sagen "Wir gehen gnadenlos auf die Begrenzung zu". Man hat das Gefühl, dass er in der ganzen Zeit nicht einmal die Augen schließt.

Der Kölner Sascha Heyna ist einer von 23 Moderatoren, die für den Teleshopping-Sender QVC arbeiten, und er ist einer der bekanntesten. Es ist an diesem Tag bereits seine zweite Show, eben noch hat er im kleineren Studio nebenan Schmuck aus der Dominikanischen Republik beworben. 15 Stunden steht er pro Woche live vor den Kameras in den Studios des Senders in der Nähe des Düsseldorfer Hafens. Seit 2001 gehört er zum Team. Damals arbeitete er in der Talkshow-Redaktion von Andreas Türck, als er eine Stellenanzeige von QVC las und sich erfolgreich als Moderator bewarb. Er wollte nur ein Jahr bleiben, doch dann brach die große Krise übers Fernsehen hinein, nur die Shoppingkanäle waren nicht betroffen. Also blieb er. "Ich bin hier auf einem sicheren Schiff und habe meine tägliche Spielwiese. Warum sollte ich das aufgeben?"

Keine dumme Entscheidung. Seit 1996 ist der amerikanische Verkaufssender QVC auch in Deutschland vertreten, alles begann in Düsseldorf. Hier stehen die Fernsehstudios und die Verwaltung, hier sind 800 Mitarbeiter beschäftigt, deutschlandweit sind es 3700. 2012 hat das Unternehmen einen Umsatz von 743 Millionen Euro gemacht.

Was bei anderen Sendern die Einschaltquote ist, das ist bei QVC die Verkaufsquote. Schleichwerbung gibt es nicht, schließlich ist alles Werbung. Die Zielgruppe, weiblich und älter als 35, soll nicht nur den Sender schauen, sondern vor allem die Produkte bestellen. 23 von 24 Stunden wird live gesendet und beworben: Gewürzregale, Gesichtscremes, Joghurtpulver, Pullover in Leopardenoptik, Blumendünger, Handys.

Heyna weiß, dass er am Verkauf gemessen wird und nicht an den Zuschauerzahlen oder an der Qualität seiner Moderationen. "Es ist ein knallhartes Geschäft, hier geht es ums Geld", hat er im Gespräch mit dem Medienmagazin "dwdl" mal gesagt. Trotzdem sieht er sich eher als Unterhalter denn als Verkäufer. Zwar ist er gelernter Journalist, hat dort aber meist im Boulevard gearbeitet. Seine Ausbildung hat er bei einem Schlagersender gemacht.

Das mit der Unterhaltung passt QVC gut, schließlich ist es Teil der Verkaufsstrategie. Die beschreibt das Unternehmen auf seiner Website als "Backyard Fence Selling". Das bedeutet: Der Zuschauer soll sich fühlen, als würde ihm der Nachbar über den Gartenzaun hinweg ein Produkt empfehlen. So soll die Ware "natürlich, direkt und persönlich" präsentiert werden. Nicht Argumente verkaufen Produkte, sondern Emotionen. Für diese sorgt der Moderator zusammen mit dem Gast, der gleichzeitig Experte für das Produkt ist. Ihr Gespräch bietet Gelegenheit, die Vorzüge der Ware aufzuführen. Der Gast gehört entweder zum Unternehmen, das das Produkt liefert, oder ist über eine Agentur zu dem Job gekommen und hat sich vor dem Auftritt über das Verkaufsobjekt informiert.

Und so preist Heyna mit Gästen an seiner Seite Ware an. Mit dem ihm eigenen Enthusiasmus. Dass sein Lebensmotto lautet "Reicht dir das Leben Zitronen — mach Limonade draus", glaubt man ihm sofort. Er räumt ein, dass ihm nicht alle Dinge gefallen, die er in seinen Sendungen vorstellt, er gibt das auch gelegentlich vor der Kamera zu, aber er sagt, dass sein Geschmack nicht maßgeblich sei. Bedeutet: Wenn jemand eine flammenlose LED-Kerze gut findet, dann soll er sie eben bestellen. Nur Handwerkssendungen macht er nicht, das ist überhaupt nicht sein Thema. Die Redaktion gibt ihm Karten an die Hand, auf der die wichtigsten Informationen stehen, aber er moderiert frei. Einen festen Ablauf gibt es nicht. Ein Risiko bei einer Live-Sendung, aber das gehört dazu. Dann sagt ihm der Koch eben, dass Heyna in der Pfanne gerade etwas gebraten hat, das nur noch für den Müll taugt. Oder er macht die vorgestellten Transportkisten eben kaputt.

An diesem Mittwoch gibt es keine Panne. Auch nicht in der Show, in der er mit seinem Gast Simone Servos Schmuck präsentiert, Larimar-Steine aus der Dominikanischen Republik. Zusammen mit Servos sitzt er hinter einem Tisch vor Stellwänden mit Fototapete, vier Kameras sind vor ihnen aufgebaut. Sie stellen Ohrringe, Ketten, Armbänder vor. Heyna sagt Sätze wie "Der Ring passt großartig zu einem T-Shirt mit Jeans, der Ring passt großartig, wenn Sie das große Glamour-Outfit anhaben" und "Der kann sehr leger daherkommen" und "Das ist ne ganz eigene Ecke vom Design, eine ganz, ganz eigene Ecke" und "Vom Look her ist der Stein sehr sehr jung". Zwischendurch ruft er immer wieder dazwischen, wenn ein Produkt im Lager knapp wird, er ist über einen Knopf im Ohr mit der Regie verbunden, die wiederum mit der Bestellhotline verbunden ist. Keine 20 Prozent des Umsatzes werden online gemacht, die Leute rufen lieber an. Es würde QVC wenig helfen, wenn der Hinweis auf knapp werdende Ware nicht stimmen würde, wenn also das Produkt noch reichlich auf Lager ist, dann würden sie schließlich darauf sitzenbleiben. Aber es treibt noch einmal den Verkauf an, wenn die Leute hören, dass eine Ware zur Neige geht. Je schneller sich die Lager leeren, desto besser. Dann ist wieder Platz für Neues. Läuft ein Produkt überhaupt nicht, geht der Moderator zum nächsten über.

Es werden auch Zuschauer in die Sendung durchgestellt. Die Regie blendet den Namen von Frau Baasen aus Düsseldorf nur mit einem a ein, also sagt Heyna: "Nicht an den Vokalen sparen, Vokale kosten nichts." Frau Knöppke aus Essen erzählt von ihrem Urlaub in der Dominikanischen Republik und sagt wie Frau Baasen, dass die Larimarsteine dort viel teurer seien als bei QVC. Heyna gesteht, dass er den Herbst total gemütlich findet, Servos aber möchte lieber barfuß über einen Karibikstrand laufen. Er fragt auch, ob es Haie in der Dominikanischen Republik gibt. Als Servos vermutet, dass die nicht so nahe an den Strand kommen, sagt er: "Hundebesitzer sagen auch immer, die wollen bloß spielen."

Sascha Heyna ist eine Zielscheibe für Spott. Eine, die so groß ist, dass selbst ein Blinder sie nicht verfehlen würde. Man findet schnell Gründe, ihn und seine Art nicht zu mögen, so wie man schnell Gründe findet, Verkaufssender nicht zu mögen, die per Definition über den Verkauf hinaus keinen weiteren Zweck haben. Die Wahrscheinlichkeit steigt, je jünger und männlicher man ist. Nicht nur, dass er Moderator im Verkaufsfernsehen ist. Er ist auch Schlagersänger. Seine Songs tragen Titel wie "Ich lebe nur für dich" und "Für deine Liebe geh ich durchs Feuer", im Video zu "Ich glaub an Wunder" packen Kinder mit großen Augen Weihnachtsgeschenke, und Heyna sieht mit verträumtem Blick durchs beschlagene Fenster nach draußen. Es rieselt Schnee-Ersatz. Er ist im Musikantenstadl aufgetreten. Seine aktuelle Platte, die Jack White produziert hat, bewirbt er regelmäßig in seiner Sendung. Einmal sagt er: "Das ist kein großes Kunstwerk, sondern einfach nur gute Laune." Die Bewertungen bei Amazon reichen von "ein echter Partyknaller" bis "braucht die Welt nicht".

Doch Heyna weiß, dass die Kombination aus Bratpfannenverkäufer und Schnulzensänger ihn zur Zielscheibe für Gags macht, und weil er das weiß, macht es nicht so richtig Spaß, sich über ihn lustig zu machen. Nachdem Oliver Kalkofe die Schlagerauftritte in der "Mattscheibe" parodiert hatte, besuchte ihn Heyna bei einem seiner Live-Auftritte und bewegte mit ihm zusammen zum Gesang die Lippen. Bevor man Heyna mit seinem Image konfrontiert, hat er schon zugegeben, dass er sich für den größten Spießer der Welt hält. Als andere Jugendliche gegen ihre Eltern rebellierten, hat er sie vermutlich zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Man nimmt ihm diese Art ab, weil es bei 15 Stunden Live-Fernsehen pro Woche viel zu anstrengend wäre, jemanden darzustellen, der man nicht ist.

Einmal in der Sendung mit den Larimar-Steinen werden Heyna und Gast grundsätzlich. Wer ohne Drehbuch spricht, der kommt von Schmuck gerne mal auf die großen Themen unserer Zeit.

Sie: "Die Leute in der Karibik werden auch etwas ruhiger sein vom Temperament."

Er: "Wir sehen manches sehr verbissen. Hier wird viel ausdiskutiert."

Sie: "Ich denke, man muss sich manchmal mehr Zeit nehmen, nicht alles vorbeirasen lassen. Der Larimar ist der richtige Stein, um einen ein bisschen runterzuholen."

Er: "Übrigens, Größe 16 ist gleich weg."

Reicht dir das Leben Zitronen — mach Limonade draus. Die Saftpresse ist heute im Angebot.

(RP)
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