Gedenken Sie geben den Toten einen Namen

Ludenberg · Für die 436 sowjetischen Opfer, die auf dem Ehrenfriedhof am Gallberg begraben sind, entstehen Namenstafeln.

 Jana Moers, Astrid Wolters und Isabel Mücke (v.l.) haben das Projekt initiiert. Jetzt sollen Schüler der Theodor-Andresen-Schule die Namensziegel kreieren und brennen.

Jana Moers, Astrid Wolters und Isabel Mücke (v.l.) haben das Projekt initiiert. Jetzt sollen Schüler der Theodor-Andresen-Schule die Namensziegel kreieren und brennen.

Foto: Marc Ingel

1500 Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion starben zwischen 1941 und 1945 in dem Kriegsgefangenenlazarett an der Bergischen Landstraße. 436 dieser Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen als Zwangsarbeiter ihr Dasein fristeten, wurden auf dem Friedhof an der Blanckertzstraße begraben – anonym, als die Todesfälle zu zahlreich wurden und auf dem Gerresheimer Waldfriedhof nicht mehr ausreichend Platz war. Eine Inschrift am Eingang des Ehrenfriedhofs erinnert an die Geschehnisse von damals, seit 2011 auch in Russisch.

Seit 1949 ist die Kriegsgräberstätte „Am Gallberg“ in der Obhut der Stadt. Seine heutige Gestalt erhielt sie 1963, in der Mitte des Friedhofs wurde ein russisch-orthodoxes Kreuz aufgestellt. Seit 1993 veranstaltet der Bürger- und Heimatverein Gerresheim dort regelmäßig eine Gedenkfeier am Totensonntag. Bodo und Hildegund Schmidt, ein Lehrer-Ehepaar aus Mettmann, ist es schon Ende der 80er Jahre gelungen, im Rahmen eines umfangreichen Schulprojekts erste Tote zu identifizieren, ihre Tochter Carolin Schmidt setzte die Recherchen erfolgreich fort. 1992 gab es erstmals eine Ausstellung zu diesem traurigen Kapitel deutscher Geschichte, 2012 erschien eine umfangreiche Broschüre, in der die Historie des Ehrenfriedhofs aufgearbeitet wurde. Durch die Öffnung der lange verschlossenen sowjetischen Archive war es letztlich möglich, sämtliche Namen der Beigesetzten herauszufinden.

 Jetzt soll den Verstorbenen auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof auch eine namentliche Erinnerung zugestanden werden. Astrid Wolters von der Mahn- und Gedenkstätte sowie Jana Moers vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge haben zusammen ein Projekt initiiert, bei dem auch die Theodor-Andresen-Förderschule in Gerresheim eine wichtige Rolle spielt. Denn eine Gruppe von Schülern unter Anleitung von Lehrerin Dagmar Franke obliegt es, die Ziegel anzufertigen, auf denen langfristig jeder der 436 Toten namentlich erwähnt werden soll. In einem ersten Schritt sind jedoch erst einmal maximal 60 geplant.

 Der sowjetische Ehrenfriedhof in Ludenberg ist in der Obhut der Stadt.

Der sowjetische Ehrenfriedhof in Ludenberg ist in der Obhut der Stadt.

Foto: Marc Ingel

„Wir wollten schon lange etwas zusammen mit dem Volksbund machen, dieses Projekt war die ideale Gelegenheit“, sagt Astrid Wolters. „Wir haben uns ein ähnliches Projekt in Dortmund zum Vorbild genommen, natürlich lässt sich das aber nicht ohne Weiteres eins zu eins übertragen“, erklärt Jana Moers. Isabel Mücke von der Mahn- und Gedenkstätte hat den pädagogischen Part übernommen. „Die Theodor-Andresen-Schule ist ja eine Förderschule für geistige Entwicklung, eine Einrichtung, die bei solchen komplexen Themen ja oft vernachlässigt wird. Das für einen Workshop zum Einstieg zur Verfügung gestellte Material ist auch auf die Schüler speziell abgestimmt, ohne dass der Inhalt in irgendeiner Form verfälscht gewesen wäre“, erläutert Mücke.

Wie sich die Schüler dem diffizilen Stoff dann angenähert hätten, hat auch die Projektleiterinnen überrascht. „Sie waren sehr konzentriert, emotional, auch empathisch“, hat Wolters beobachtet. „Wer geboren wird, hat einen Namen, da kann es nicht sein, dass er keinen mehr hat, wenn er stirbt. Das muss geändert werden“, so die empörte Reaktion einer jungen Beteiligten. Über die Biografien der Personen sich den einzelnen Schicksalen annähern, damit hinter dem Namen auch ein gelebtes Leben erkennbar ist, das soll auch weiterhin das Ziel sein, ergänzt Moers.

 Eines auf dem Ehrenfriedhof beigesetzten Verstorbenen wird gesondert gedacht.

Eines auf dem Ehrenfriedhof beigesetzten Verstorbenen wird gesondert gedacht.

Foto: Marc Ingel

Wie die Namensziegel, die die Schüler in ihrem eigenen Schulofen brennen und später auch bis zur Einweihung lagern können, am Ende auf dem Friedhof angebracht werden, ist noch offen, „es wird aber bestimmt kein Stelenfeld geben“, betont Wolters. Die Ziegel direkt auf den Boden zu legen, funktioniert wegen des Frosts im Winter aber ebenso wenig. Das Gartenamt soll daher mitreden dürfen, außerdem muss der russische Botschafter zustimmen. „Der Gesamteindruck des Friedhofs soll jedenfalls nicht gestört, die Anlage auch nicht zerteilt werden“, betont Moers. Nur eines stehe fest: Es soll eine würdige Lösung sein, mit der alle leben können, die sichtbar für Besucher wie Passanten ist. Auch die Finanzierung des Projekts ist nach wie vor offen, ebenso wie ein möglicher Einweihungstermin. „Vielleicht im September“, wünscht sich Astrid Wolters.

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