Parkhaus Schauspielhaus Der Meister verlässt die Hebebühne

Düsseldorf · Jürgen Friedrich hat 34 Jahre lang in den Tiefen des Parkhauses Schauspielhaus alles repariert, was vier Reifen hat. Darunter Autos, die schon fast dem Schrott geweiht waren. Jetzt hört der exzellente Autoschrauber auf. Gestern senkte sich in der Werkstatt die Hebebühne zum letzten Mal.

 Das Lächeln des Kfz-Mechanikers Jürgen Friedrich: Es war bekannt und beliebt wie er selbst.

Das Lächeln des Kfz-Mechanikers Jürgen Friedrich: Es war bekannt und beliebt wie er selbst.

Foto: RP, Andreas Bretz

Bei ihm fühlt man sich geborgen wie bei einem Freund. Er hat Mitgefühl bei einem "Kolbenfresser", und für den klemmenden Türknopf spart sich Jürgen Friedrich jede Menge Geduld auf, bis das verdammte Ding wieder richtig funktioniert. Manche schwärmen sogar, "bei ihm mache ich Geräusche nach, ohne mir komisch vorzukommen".

Wenn Kfz-Meister Jürgen Friedrich das hört, lächelt er. Kfz-Mechaniker müssen eben keine Muffelköppe sein. Er lächelt oft, schon seit 34 Jahren in seiner Werkstatt auf der ersten Tiefebene des Parkhauses Schauspielhaus. Doch damit ist jetzt Schluss. Nicht mit dem Lachen. Mit dem Auto reparieren! Gestern schloss der 70-Jährige zum letzten Mal die quietschenden Stahltüren zu seiner Werkstatt ab.

Das gesamte Werkzeug, die restlichen Ersatzteile, die Diagnosegeräte räumt er nach Weihnachten in seine private Garage in Düsseldorf. Die Hebebühne ist schon an einen Bekannten verkauft. "Nö, ich bin nicht sentimental. Lange habe er hin und her überlegt, aber "das ist jetzt abgeschlossen. Es geht nicht anders."

Über Jahrzehnte hatten etliche Thyssenkrupp-Mitarbeiter ihre Autos in der Tiefgarage abgestellt — und wenn an ihnen was kaputt war, kamen sie zu Friedrich in den Untergrund. Seit dem Auszug des Konzerns aus dem Dreischeibenhaus im Sommer fehlen die Kunden. Selbst die Waschanlage ledert immer weniger Autos ab.

"Ne', das ist ein Problem mit den Achsen. Das müssen wir uns genauer ansehen. Kriegen wir aber hin", sagt der Mann im blauen Kittel. Mit ölverschmierten Fingern und erhobenen Händen reckt Friedrich seinen Kopf zur Werkstattecke: "Legen Sie Schlüssel und Papiere da hin. Am Nachmittag können Sie ihn abholen."

"Ihn" gab man immer gerne in seine ölverschmierten Hände. Als 14-Jähriger hatte Jürgen Friedrich wie viele kleine Jungs in den Nachkriegsjahren eine Lehre als Kfz-Mechaniker gemacht. Jahrelang arbeitete er als Geselle. Lernte so, auch in die letzten Winkel der Fahrzeuginnereien vorzudringen. Er kannte schließlich alle Marken, Modelle, und die kleinen Geheimnisse zwischen Auspuff und Zahnriemen.

"1976 machte ich mich selbstständig. Ich pachtete die Tankstelle auf dem Gustaf-Gründgens-Platz und dazu gleich noch die Räume hier unten in der Tiefgarage."

Es war ideal: Tagsüber konnten die Parhauskunden ihr Auto für kleines Geld handwaschen lassen. Wer Ernstes am Auto befürchtete, ließ Daimler oder Mini, Schrottmühle oder Nobelkarosse bei Friedrich. Bezahlt wurde immer in bar. Oder per Rechnung mit der Post. Wer es bis 17 Uhr bei Werkstattende nicht schaffte, konnte beim Parkhauswächter zahlen und bekam die Wagenschlüssel. "Das funktionierte alles immer mit viel Vertrauen."

Ärger gab's selten. "Wenn einer meinte, ich hätte nicht gut gearbeitet, dann sollte er mich in Ruhe lassen. Zahlen musste er dann nicht."

Selbst wenn die bittere Diagnose am Nachmittag nur noch "Zahnriemen fratze " lautete, hatte Friedrich sein charmantes Lächeln für den Besitzer übrig. Natürlich nicht zynisch, es war immer als echtes Mitleid gemeint.

Unten in der Garage lief das Geschäft immer besser. Oben mit der Tankstelle war 1998 Schluss. "Selbst mit Bedienung lohnte es sich nicht mehr", erzählt Friedrich.

Immer öfter stand ab den 70er-Jahren der Kollege Computer neben der Hebebühne. Er half Friedrich die Fehler der technisch immer zuverlässiger werdenden Autos zu finden. Doch Friedrich gab bei der Reparatur den Schraubenschlüssel nie aus der Hand.

Heute, wo ein Reifen nur geflickt wird, wenn der Computer "Hat einen Platten" diagnostiziert, gibt's hier noch richtig Werkstatt: halbierte Plastikkanister, die als Ölauffangwannen herhalten, schmierige Zangen und spritzende Flüssigkeiten, die mit dem Fettlappen weggewischt werden. "Eigentlich habe ich jedes Auto reparieren können", sagt er.

Mit seinem Schrauberende müssen auch seine beiden Mitarbeiter gehen. Gut 20 Jahre haben sie mit ihm im Untergrund repariert. Nach den letzten Aufräumarbeiten ist zum Monatsende endgültig Feierabend.

Jetzt, wo Schluss mit der Werkstatt ist, steigt Friedrich um. Vor einigen Monaten hat er sich ein Rennrad gekauft, damit will er jetzt öfter Touren machen. Aber immer mit einem charmantem Lächeln auf den Lippen.

(RP)
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