Düsseldorf Der Ampelwächter von Heerdt

Düsseldorf · Hinter dem Dominikuskrankenhaus in Heerdt blockiert derzeit eine Baustelle die Fahrbahn. Der Verkehr wird per Ampel geregelt. Dass Notarztwagen immer Grün haben, regelt ein Wachposten.

Siegmar Kemper ist der Ampelwächter von Heerdt. Kommt ein Krankenwagen, schaltet er für den die Ampel auf grün.

Siegmar Kemper ist der Ampelwächter von Heerdt. Kommt ein Krankenwagen, schaltet er für den die Ampel auf grün.

Foto: Andreas Bretz

Rote Knöpfe, auf die irgendjemand irgendwo irgendwann drückt, haben die Fantasien der Filmemacher und Thriller-Autoren beflügelt. Bomben explodieren, Raketen starten, Dynamit geht normalerweise per Knopfdruck hoch. So dramatisch sind die Folgen nicht, wenn Herr Kemper seinen Schalter bedienen würde. Zudem tut er es auch sehr selten.

Das Ding hat das Format einer halben Pampelmuse, prangt auf einem Technik-Kasten, der per Kabel mit zwei Ampelmasten verbunden ist. Das Ganze steht auf der Kribbenstraße, Ecke Rheinallee in Heerdt, spektakulärer Blick auf den Fluss inklusive. Siegmar Kemper wartet daneben, guckt fast schon liebevoll auf den Knopf — seinen Knopf. Manchmal geht er auf und ab, bleibt aber immer in der Nähe. Für den Fall der Fälle. Ein bisschen erinnert er an einen der Juroren aus "Voice of Germany", vor sich den Buzzer. Der Unterschied: Kemper sieht und weiß, wann er drücken muss. Er ist nämlich Herr über eine provisorische Technik, die im Jargon der Fachleute Lichtzeichenanlage heißt — vulgo: Ampel. Die hier ist temporär, also nur zeitweise da. Und zwar so lange, wie die Stadtwerke dort in einem zwei mal zwei Meter großen Loch vor sich hin werkeln. Was sie da tun, weiß Herr Kemper nicht so genau, vermutlich arbeiten sie an einer Fernwärmeleitung, die vom gegenüberliegenden Kraftwerk Lausward durch den Rhein nach Oberkassel kommt und Wärme liefern soll. Wie lange die Baustelle da bleibt, weiß er auch nicht, wohl noch ein paar Tage.

Zurück zur Ampel: Die lässt den Verkehr laufen — zuerst hat die eine Richtung Grün, dann die andere. Weil aber über diese Route auch die Krankenfahrten fürs Dominikuskrankenhaus laufen und man im Notfall ja nicht verlangen kann, dass die rot-weißen Flitzer mit Blaulicht und Signalhorn bei Rot warten, ist Herr Kemper da. Wenn so ein Wagen auftaucht, dann kommt sein Einsatz: Er drückt auf den dicken, roten Knopf — und der Krankenwagen hat freie Fahrt. Wie oft das vorkommt? "In den letzten drei Tagen einmal", sagt Herr Kemper.

Aha.

Und welche Krankenwagen haben überhaupt dieses Vorrecht? "Nur die, die im Alarmeinsatz sind, also mit Blaulicht und Signal." Klar, leuchtet ein.

Herr Kemper, 43 Jahre alt, lebt in Oberkassel, ist in Düsseldorf geboren und von Haus aus Garten- und Landschaftsgärtner. "Aber das hier wird besser bezahlt", erklärt er den Jobwechsel. Es macht ihm Spaß, zumal die Firma, für die er arbeitet (Basis GmbH, Essen), normalerweise spezialisiert ist auf die Bewachung von Schienenbaustellen. Die Rheinbahn ist ihr Kunde. "Und auf diesen Baustellen ist mehr los, da kommt ja alle paar Minuten eine Bahn", sagt Herr Kemper.

Davon ist er am Heerdter Krankenhaus weit entfernt. Aber er macht nicht den Eindruck, als störte ihn das allzu sehr. Auch wenn der Tag ganz schön lang wird, denn die Schicht von Herrn Kemper dauert von 8 bis 17 Uhr. Und nun kriecht auch noch die Kälte langsam die Beine hoch. Was er anhat? Drei Jacken und eine lange Unterhose, natürlich. Die Nachbarn haben jedenfalls Mitleid mit Herrn Kemper. Eine Frau bringt manchmal Kaffee. Und gestern gab's vom Chef ein Auto zum Aufwärmen. Fahren wird er nicht damit: Der Herr der Ampel hat keinen Führerschein.

(RP)
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