Düsseldorf Der Altrhein bekommt ein neues Bett

Düsseldorf · Die Renaturierung des Altrheins in der Urdenbacher Kämpe ist abgeschlossen, die Deiche sind durchstochen. Jetzt muss sich das Gewässer nur noch seinen Weg bahnen. Spaziergänger können ab Freitag wieder den Wanderweg benutzen.

 Holger Pieren von der Biologischen Station Haus Bürgel genießt den Blick von der Aussichtsplattform auf den Altrhein.

Holger Pieren von der Biologischen Station Haus Bürgel genießt den Blick von der Aussichtsplattform auf den Altrhein.

Foto: Günter von Ameln

Holger Pieren steht auf der Aussichtsplattform und blickt zufrieden auf den unter ihm liegenden Altrhein. Die Schilflandschaft komplettiert die Idylle, dazu scheint noch die Sonne. Und was wünscht sich der Mitarbeiter der Biologischen Station Haus Bürgel? Regen. "Vor vier Wochen hat es zuletzt geregnet, und Hochwasser hat es auch nicht gegeben." Regen sei notwendig, sagt der Biologe, damit das Gewässer sich seinen Weg bahnen kann — in sein ursprüngliches Bett.

Seit gestern sind die Arbeiten zur Renaturierung des Altrheins in der Urdenbacher Kämpe offiziell abgeschlossen, und der Deich ist an zwei Stellen geöffnet. Jetzt kann das Wasser langsam wieder seinen natürlichen Weg nehmen. Umweltdezernentin Helga Stulgies präsentierte stolz das sehr wertvolle Schutzgebiet "Flora-Fauna-Habitat-Gebiet", das noch einzigartig in Nordrhein-Westfalen ist.

Extreme Überschwemmungen haben in den 1950er Jahren dazugeführt, zwei Entwässerungsgräben und einen Deich für den Altrhein zu bauen und ihn zu begradigen. "Ziel war es, den Landwirten die Wiesenbewirtschaftung und Heuernte auch während des sommerlichen Hochwassers zu ermöglichen", so Stulgies. Dadurch gab es eine wesentlich höhere Fließgeschwindigkeit für das Gewässer, und viele Pflanzen konnten sich nicht mehr ansammeln, sondern wurden weggeschwemmt, Fische kamen nicht mehr zum Laichen.

Das soll jetzt anders werden. Durch die Deichöffnung kommt das Wasser langsam in die Auen, Experten sprechen von so genannten Niederungsgewässer. Dort können Sand- und Schlammbänke entstehen und Wasserpflanzen sich ansiedeln. Davon ist auch die Umweltdezernentin überzeugt. Doch dies sei ein spannender und dynamischer Prozess.

Im August vergangenen Jahres haben die Arbeiten begonnen. Damals ist der Deich in Hellerhof mit dem Bagger gebrochen worden. Und zwar genau an der Stelle, an der der Garather Mühlenbach in die Kämpe fließt. Heute ist dort eine von zwei neuen Brücken installiert.

Die andere liegt 2,5 Kilometer weiter, am zweiten Deichbruch, in Urdenbach an Piels Loch. Durch die beiden Vertiefungen kann sich das Gewässer seinen neuen Weg suchen, "ohne dass wir das beeinflussen", wie Stulgies betonte. Die beiden Brücken über den Deichöffnungen verbinden einen beliebten Wanderweg, der ab Freitag für Spaziergänger wieder geöffnet ist. Denn Ziel des Projektes war es von Anfang an, auch die Erholungssuchenden näher an das Gewässer heranzuführen.

1,78 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, an dem die Stadt, das Land, die NRW-Stiftung, der Bergisch-Rheinische Wasserverband und die Biologische Station Haus Bürgel beteiligt waren. Schon 1989 wurden die ersten 100 Hektar privater Ackerfläche gekauft. Da bewies die Biologische Station Weitsicht, in deren Arbeitsprogramm seitdem jedes Jahr der Urdenbacher Altrhein stand, wie sich Elke Löpke, Leiterin der Biologischen Station Haus Bürgel, erinnert.

Jetzt ist das Projekt "Naturnahe Entwicklung der Altrheinaue in der Urdenbacher Kämpe" abgeschlossen. Auch wenn es gestern nur ein Rinnsal war, gab es in der Aue schon Einiges zu sehen. Helga Stulgies hatte einen Eisvogel erblickt, und Elke Löpke war begeistert von den kleinen Krebsen, die im Wasser unter der Aussichtsplattform schwammen.

Und es soll mehr Leben in die Urdenbacher Kämpe kommen: Dann, wenn sich das Gebiet bei Überflutung wie ein Schwamm mit Wasser vollsaugt. Davon ist auch die Leiterin der Biologischen Station überzeugt. Doch es sei ein langsamer Prozess, der Jahre dauern kann bis Fische wie Hecht und Schleie, dort wieder ablaichen. Und auch die seltene Karausche, eine Karpfenart, könnte in der Kämpe wieder heimisch werden — genauso wie zahlreiche Libellenarten und der Kammmolch. Deshalb hofft Holger Pieren auf Regen, damit Bewegung in die Aue kommt.

(RP)
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