Stasi ganz jeck DDR-Spion beim Rosenmontagszug

Düsseldorf · Unterlagen der Birthler-Behörde zeigen: Ost-Berlins Geheimdienst sandte 1988 einen Kameramann nach Düsseldorf, um den Rosenmontagszug und den Straßenkarneval auszuspionieren. Vor allem die Gerresheimer Bürgerwehr faszinierte die Ost-Agenten.

Achtung, das ist kein Witz: Die Stasi hat den Düsseldorfer Karneval ausspioniert. Die "Bild"-Zeitung entdeckte entsprechende Unterlagen in Akten, die man aus der Birthler-Behörde in Berlin bekommen hatte. Danach kümmerte sich ein Stasi-Mann aus Leipzig um die Düsseldorfer Narren. Unter dem Decknamen "Hermann" nahm er Kontakt zu hiesigen Karnevalisten auf. Der Straßenkarneval, der Rosenmontagszug und die Gerresheimer Bürgerwehr hatten ganz besonders die Neugier der Agenten geweckt.

Auf dieses Kuriosum aus den letzten Jahren des DDR-Regimes angesprochen, ist unter den hiesigen Narren der Spaß groß: "Hermann? Bei Hermann denke ich nur an Hermann Schmitz. Aber der war dat nicht, dann wäre die DDR noch früher untergegangen." Fazit: Man nimmt es mit Humor, zumal sich keiner erklären kann, was die Stasi gewollt hat, als sie Jecken im Jahr 1988 (Motto: "Je öller, je döller") unter die Lupe nahm.

Und keiner hat bis jetzt davon erfahren. Jügen Rieck, selbst Berliner und seit den späten 80er Jahren in Düsseldorf beim Karneval dabei: "Davon habe ich noch nie gehört." Aber gelacht hat er herzlich über die Aktion, zumal er seine Jecken hier kennt und weiß, dass es (nicht immer zu seinem Amüsement) sehr leicht ist, von denen alles zu erfahren, was gerade so unterwegs ist im Winterbrauchtum. Verdeckte Aktionen sind dafür nicht nötig.

Jobsi Driessen, damals Präsident der Gerresheimer Bürgerwehr, fiel ebenfalls aus allen Wolken, als er von dieser Posse aus dem Osten hörte. "Das höre ich zum ersten Mal." Der Mann nimmt es ebenfalls mit Humor: "Die haben bestimmt gedacht, wir sind eine paramilitärische Organisation und wollten wissen, was sie von uns zu befürchten haben, wenn es mal kracht." Dieser Eindruck werde natürlich noch unterstützt durch die Tatsache, dass man im Rosenmontagszug ja immer eine Kanone mit sich führe. Dieses Ding hat übrigens auch einen Decknamen: Sie heißt Elke. Ist allerdings ganz harmlos!

Apropos Decknamen: Wie immer bei der Stasi gibt man den Kontaktpersonen gern vermeintlich unverfänglich klingende Namen. Der Kameramann beispielsweise, der - ahnungslos — für Hermann aus Leipzig per Video-Kamera den Zoch aufnahm, wird in den Akten als "Bote" geführt. Und sein Assistent, der ihm zur Hand ging bei Interviews, hört stasi-intern auf den schönen Namen "Wurm".

Einen Ansprechpartner, den man aus den Reihen der Bürgerwehr rekrutierte, nannten die Schlapphüte "Relais" - was wohl für eine gute Verbindung sprechen sollte und die Bürgerwehr derzeit dazu bringt, dass man sich (erstens) schlapp lacht und (zweitens) fragt, wer das wohl damals gewesen sein könnte. Erste Spekulationen gibt es bereits...

Der Sprecher der Birthler-Behörde jedoch sieht das Ganze in einem durchaus ernsten historischen Zusammenhang. Er sagt: "Die Stasi hat sich nicht für den Karneval interessiert. Der Spitzel, der dort eingesetzt war, war hochqualifiziert und hatte einen professionellen Arbeitsauftrag. Er war 'Werber', das heißt er sollte Kontakte, Adressen von 'operativ interessanten' Personen ausfindig machen, die für die Stasi hilfreich sein könnten. Also Menschen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Und das geht mitten in einem sozialen Netzwerk am besten. Im Rheinland gehört dazu natürlich der Karneval. Der Karneval ist ein ausgeprägtes soziales Netz, da lag die Stasi aus ihrer Sicht goldrichtig. Ob die Aktion erfolgreich war, lässt sich nicht sagen, weil die Stasi keine Statistik darüber erhob, wer wen angeworben hatte. Das gehört zum System der Konspiration, dass der Werber nicht wissen sollte, wen er angeworben hatte." Und weiter: "Die Stasi war ein gesamtdeutsches Phänomen. Es gab alleine von der Abteilung Auslandsaufklärung HVA 1700 feste IMs in Westdeutschland."

Engelbert Oxenfort, damals Präsident der Prinzengarde Blau-Weiss: "Davon habe ich noch nie gehört. Vermutlich haben die uns ausgesucht, weil hier die interessanteren Leute sind. Oder vielleicht wollten die einfach mal einen schönen Orden bekommen. Auf jeden Fall ist das eine Lachnummer."

(RP)
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