Kolumne Die Woche Im Rathaus Das soziale Netzwerk als Waffe

Meinung | Düsseldorf · CDU-Politiker verbreiten angebliche Aussagen des Grünen-Ratsherrn Norbert Czerwinski über Facebook. Und sind sich keiner schuld bewusst, obwohl der massiv bedroht wird. Ein Beispiel für allzu sorglose politische Kommunikation im Netz.

Es ist ja nicht so, dass sich die Düsseldorfer Politiker in schlechter Gesellschaft befänden. Oder zumindest nicht in unbekannter Gesellschaft. Wie man soziale Netzwerke in der Politik ohne Rücksicht auf Fakten oder deren Prüfung nutzt, hat im großen Stil gerade der designierte US-Präsident Donald Trump vorgemacht. Der pöbelte sich im Wahlkampf über Twitter erfolgreich wenn nicht in die Herzen, so zumindest in die Köpfe der Amerikaner. Auf lokaler Ebene haben zuletzt besonders die Politiker der CDU gezeigt, wie man mit wenig Aufwand viel anrichten kann.

Die Nutzung sozialer Netzwerke ist für Düsseldorfs Politiker längst ein wesentliches Instrument ihrer Kommunikation. Immerhin: Botschaften verbreiten sich dort einfach und schnell. Man kann sich in Echtzeit den (potenziellen) Wählern mitteilen, mit Fotos menschliche Nähe erzeugen und an den Kommentaren ablesen, ob man ins Schwarze getroffen hat. "Facebook ermöglicht es Ihnen, auch bei gerade laufenden Debatten direkt auf die Argumente Ihrer Kollegen öffentlich einzugehen", heißt es in einem Facebook-Leitfaden für Politiker aus dem Jahr 2014.

Für manchen scheint das aber zu bedeuten: Man muss im Zweifel nicht mal eine Botschaft haben; es reicht, den politischen Gegner an den virtuellen Pranger zu stellen. Dann kann das Netzwerk zur scharfen Waffe werden. Jüngstes Beispiel war das, was Grünen-Politiker Norbert Czerwinski passierte. Eine Boulevardzeitung hatte eine Aussage von ihm über den Baum am Rathaus falsch zitiert - es entstand der Eindruck, Czerwinski wolle den städtischen Weihnachtsbaum verbieten. Schon hagelte es Beleidigungen und Drohungen. Das falsche Zitat geteilt hatte auch der Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Thomas Jarzombek. Das ist umso auffälliger, als der auch internetpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, also sozusagen vom Fach. Seinem Bedauern über die Drohungen gegen Czerwinski fügte er hinzu: "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das wegen meines Beitrags ist."

Das lässt erahnen, dass der Internetfachmann das Internet und seine Mechanismen sagen wir: zumindest nicht komplett durchschaut hat. Beiträge, einmal geschrieben oder eben auch nur weiter geteilt, verbreiten sich dort rasant. Sie werden dutzendfach, manchmal hundertfach weiter verbreitet - gerne auch, ohne vorher ihren Wahrheitsgehalt geprüft oder sie überhaupt gelesen zu haben. Und sie schüren so häufig Ängste, Ressentiments und, ja, Hass.

Dass zuweilen Klicken vor Lesen kommt, haben Jarzombeks Parteifreunde bewiesen: Nur Tage, nachdem Czerwinski das Problem in der letzten Ratssitzung des Jahres öffentlich angesprochen hatte, teilten die CDU-Ratsherren Andreas Hartnigk, Olaf Lehne und Giuseppe Saitta erneut ein vermeintliches Czerwinski-Zitat auf Facebook. Eingebettet in einen Beitrag des Portals "Halle Leaks", das zum äußersten rechten Spektrum gehört. Lehne sagte unserer Redaktion dazu, es sei nicht seine Aufgabe zu prüfen, ob die Aussagen des Artikels stimmen oder von wem sie stammen. Ist das wirklich die Meinung des Ratsherren? Dass es in Ordnung sei, alles weiterzutragen, das irgendjemand (!) in Buchstaben gegossen hat? Ohne die Quelle zu kennen, ihre Zuverlässigkeit, ihre möglichen Ziele und Absichten? Alle drei Herren hatten den Beitrag schnell wieder von ihren Seiten gelöscht, was man als Zeichen der Einsicht werten könnte oder schlicht der Vorsicht, weil sich die Quelle schon beim zweiten Hinsehen als überaus fragwürdig erwies.

In einer Diskussion des Deutschlandfunk über Hasskommentare und die Verbreitung von Falschmeldungen im Internet hat Thomas Jarzombek jüngst erklärt, Journalisten seien gefragt, falsche Nachrichten als solche zu entlarven. Womöglich würde das Problem aber näher an der Wurzel gepackt, wenn man die Zahl der überhaupt verbreiteten Falschmeldungen verringerte. Das kann durch Facebooks Pläne geschehen, "Fake News" künftig als solche zu kennzeichen. Und dadurch, dass auch Politiker - bei aller erlaubten Zuspitzung - den Finger (oder Mauszeiger) nicht mehr so locker am "Teilen"-Knopf haben.

(nic)
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