Die ESC-Sieger 2011 Das sind Ell und Nikki

Düsseldorf · Drei ESC-Teilnahmen, drei Plätze unter den Top Ten - die Erfolgsbilanz von Aserbaidschan war schon vor dem Finale am Samstagabend gut. Jetzt hat das Duo Ell/Nikki die kurze ESC-Geschichte des Landes mit einem Sieg gekrönt.

ESC 2011: Ell/Nikki aus Aserbaidschan holen den Titel
21 Bilder

ESC 2011: Ell/Nikki aus Aserbaidschan holen den Titel

21 Bilder

Nigar Jamal und Eldar Qasimov kämpften sich in den Wochen vor dem ESC langsam in die Spitzengruppe der Titel-Favoriten vor. Ihr Song "Running Scared", eine schmusige, leicht untergeschwindige Pop-Ballade, stammt von den Schweden Stefan Örn, Sandra Bjurman, Iain Farquharson. Die hatte im vergangenen Jahr schon das Lied "Drip Drop" für die aserbaidschanische Sängerin Safura geschrieben, die damit immerhin auf Platz fünf landete. "Running Scared" enthält keine großen musikalischen Überraschungen, war aber einer der eingängigsten Songs im Contest 2011.

Dreimal ist Aserbaidschan beim ESC angetreten, dreimal landete das Land unter den ersten Zehn. In sieben Auswahlshows des nationalen Fernsehsenders ITV setzten sich die Sängerin Nigar Jamal und der Sänger Eldar Qasimov gegen 77 Mitbewerber durch.

Während das deutsche Team es nicht für nötig befand, bei Lenas Konzert-Tour wenigstens das deutschsprachige Ausland abzudecken, gingen Eldar und Nigar im Vorfeld des Songs Contests fleißig auf Werbetour. Nicht nur bei direkten Nachbarn: Vor drei Wochen traten sie in Kiew mit der Balkan-Pop-Legende Goran Bregovic und Ruslana Lyschytschko, der ukrainischen Siegerin des Istanbuler ESC 2004, vor 4500 Zuschauern auf. Zuvor waren sie schon zu Konzerten in Estland und Russland unterwegs, sogar einen Abstecher nach Malta und San Marino unternahmen sie.

Eldar Qasimov, der im Interview mit RP-ONLINE erzählte, er würde gern Lena Meyer-Landrut treffen, spricht (wie viele junge Aserbaidschaner) Deutsch, seit er 2004 und 2008 als Stipendiat in Deutschland war. Schauspiel und Gesang studierte der 22-Jährige hier nur nebenbei. In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku begann er vor zehn Jahren eine Klavierausbildung, sein Studium widmete er jedoch internationalen Beziehungen.

Während Aserbaidschan beim ESC in kürzester Zeit zu einer echten Hausnummer geworden ist, dringt während des restlichen Jahres kaum aserbaidschanische Pop-Musik nach Westeuropa vor. Das macht es selbst den erfolgreichen ESC-Teilnehmern des Landes schwer, im professionellen Musik-Geschäft zu bleiben.

Auch Nigar Jamal hatte schon nicht mehr an eine Musik-Karriere geglaubt. Die 31-Jährige sang zwar als Kind, studierte dann aber Wirtschaft und Management und übersiedelte nach London. Sie heiratete und bekam zwei Töchter. 2010 beschloss sie, es noch einmal mit Musik zu versuchen. Sie kehrte nach Baku zurück und setzte sich in den Vorentscheiden durch.

Der in Deutschland bekannteste musikalische Exportartikel des Landes heißt Aziza Mustafa Zadeh. Im Sommer ist die "Prinzessin des Jazz", die seit 1989 in Mainz lebt, für einige Konzerte auf Tour. In ihre Jazz-Kompositionen mischt die 41-Jährige immer wieder aserbaidschanische Improvisations-Elemente.

Aziza, die als 17-Jährige den Thelonious-Monk-Klavierwettbewerb in Washington gewann (und seitdem etliche weitere Jazz-Preise), ist die Tochter von Vaqif Mustafazade, der 1979 mit nur 39 Jahren auf der Bühne verstorbenen Jazz-Legende des Landes. B. B. King und Dizzy Gillespie waren von dem Pianisten und Sänger beeindruckt.

Nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 entwickelte sich kurzzeitig eine kleine, kritische Rap-Szene, die teils mit unverdächtig patriotischen, teils mit politischem Klartext ihren Platz in der Pop-Kultur des Balkans suchte. Inzwischen ist sie fast wieder verstummt, was einerseits am Übergewicht türkischer Pop-Musik liegt. Andererseits lodern im "Land des Feuers" (das bedeutet der Name Aserbaidschan) vor allem die Öl-Feuer, die Fackel der Freiheit leuchtet seit der Unabhängigkeit nicht sehr hell.

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, die formalen "Wahlen" gelten als nicht demokratisch. Führend ist das Land in Korruptions-Rankings, aktuell liegt es auf Platz 143 von 180. Trotzdem beurteilt die EU die Entwicklung als positiv, die Beziehungen zu Deutschland sind eng. Der ESC 2012 in Baku wird in jedem Fall ein Erlebnis.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort