Kolumne die Woche in Düsseldorf Das neue Düsseldorf braucht noch Hilfe

Düsseldorf · Die Stadt ist in den vergangenen beiden Jahren moderner und internationaler geworden - durch Arbeitnehmer und Touristen ebenso wie durch Festivals und temporäre Kulturstätten. Bei aller Euphorie gerät eines in den Hintergrund: Es ist noch nicht klar, ob das so bleibt.

Parklife bringt die Düsseldorfer zum Picknick mit DJs in die Grünanlagen.

Parklife bringt die Düsseldorfer zum Picknick mit DJs in die Grünanlagen.

Foto: Andreas Endermann

Zwei Szenen, ein Problem - Szene 1: Am vergangenen Wochenende begrüßt Veranstalter Hamed Shahi die Besucher eines Konzerts des New-Fall-Festivals. Eigentlich nur zur Einleitung des Künstlers sagt er, dass er sich freue, wie sich das Festival entwickelt habe und dass es nun so international sei. Das Publikum beginnt zu klatschen und plötzlich klingt das, als stünde der Künstler schon auf der Bühne und kurz vor der Zugabe. Szene 2: Der Kulturausschuss berät über Zuschüsse. Für das New-Fall-Festival bleibt der Betrag unverändert, die Hoffnung auf eine Erhöhung erfüllt sich nicht.

Mit Blick auf die angespannte Haushaltslage erscheint es verständlich, dass die Stadt weitere Ausgaben vermeidet. Oft, eigentlich immer war es in den vergangenen Monaten so, dass erst härtestes Sparen von der Stadtspitze und der Ampel-Kooperation verlangt und anschließend jeder Vorschlag umfassend zerlegt wurde. Deshalb soll es an dieser Stelle auch nicht darum gehen, mehr Zuschüsse für die jungen Attraktionen dieser Stadt einzufordern. Es geht um die Fragen, in welcher Stadt wir leben wollen und welches Bild von der Stadt die Welt wahrnimmt.

Sehr bald wird die Düsseldorfer Marketing-Gesellschaft ihr Konzept für den neuen Auftritt der Stadt vorstellen. Das Ziel ist bereits bekannt: Düsseldorf soll nicht mehr die Position der leistungsstarken, aber wenig sympathischen Stadt einnehmen, die es aktuell mit Frankfurt oder Stuttgart teilt. Es geht darum herauszustellen, dass Düsseldorf vielmehr Kopenhagen ähnelt. Die dänische Hauptstadt legt Wert auf Gemeinschaft und Freiheit, auf Offenheit und Selbstverwirklichung. Sie ist fahrrad- und familienfreundlich, kulturell und architektonisch spannend und erfindet immer wieder neue Freizeitangebote, die es so mindestens in Europa selten gibt.

Zwei Szenen, kein Problem - Szene 1: Internationale Kulturjournalisten besuchen vergangene Woche Düsseldorf. Sie stehen mitten auf der Ratinger Straße, trinken ein Bier, erfahren dabei, dass im Café an der Ecke Joseph Beuys gerne saß. Kraftwerk und Punk, Beuys und Fotoschule, Altstadt und Medienhafen - "warum passiert in einer so relativ kleinen Stadt so viel?", fragen sie. Sie sind offensichtlich angetan von dem Ort, den sie da unterschätzt haben. Szene 2: Internationale Mitarbeiter eines hier ansässigen Internetportals veröffentlichen ein Video über ihre neue Heimatstadt. Sie haben ein Jahr lang Bilder aus der Stadt gesammelt: Rollnacht, Rheinpark, Stadtstrand, japanische Viertel, Kiefernstraße, Königsallee. Das häufigste Wort im Text ist "unsere".

Unter dem Namen "Laden ein" gab es kurzzeitige Restaurants im postPost am Bahnhof.

Unter dem Namen "Laden ein" gab es kurzzeitige Restaurants im postPost am Bahnhof.

Foto: Anne Orthen

Düsseldorf hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal mächtig verändert. Es sind noch deutlich mehr internationale Besucher, Studenten und Arbeitnehmer in die Stadt gekommen, und für sie gibt es inzwischen noch deutlich mehr Angebote, die sie im Internet mit der Welt teilen: Parklife, die Picknicks mit DJs in den Grünanlagen. Das Open-Source-Festival auf der Rennbahn mit einem der schönsten musikalisch begleiteten Sonnenuntergänge überhaupt. Orte, die vor dem Abriss eines alten und dem Bau eines neuen Gebäudes vorübergehend für Kultur genutzt werden wie das postPost am Bahnhof oder das Boui Boui Bilk. Das kostenlose Angebot "Sport im Park". Die Kunst in den U-Bahnhöfen, in denen es extra keine Werbung gibt. Das Schauspielhaus, das unter seinem neuen Intendanten besondere Formate und an vielen Orten in der Stadt besondere Momente schafft.

Die beschriebenen vier Szenen, die Schlussfolgerung: Der Auftritt des neuen Düsseldorf kann auf viele positive, emotionale Bilder setzen. Bei aller Euphorie muss ein Gedanke trotzdem bearbeitet werden. Die Stadt befindet sich in einer Übergangsphase. Viele der genannten Attraktionen sind familienfreundlich und nachhaltig. Der Erfolg beruht darauf, dass das authentisch ist und bleiben muss. Das bedeutet aber auch, dass höhere oder zum Teil überhaupt Eintrittspreise ausscheiden und viele Unternehmen als Sponsoren automatisch nicht in Betracht kommen. Die jungen Attraktionen sind Glücksfälle. Dieses Glück braucht Pflege, die Veranstaltungen brauchen noch Hilfe, damit sie bleiben.

 Gute Kulisse im doppelten Wortsinne: das Open-Source-Festival auf der Rennbahn.

Gute Kulisse im doppelten Wortsinne: das Open-Source-Festival auf der Rennbahn.

Foto: Andreas Endermann

Oberbürgermeister Thomas Geisel hat die Orte und Termine besucht, Konzerte eröffnet, Angebote ausprobiert. Das sind gute, wichtige Signale, vielleicht, hoffentlich Boten eines Bekenntnisses: Veranstaltungen und Konzepte, die gut für die Umwelt sind, die Familien mögen und die international wirken, sollten das Privileg genießen, dass Hilfen diverser Art gesponnen und ersonnen werden.

Das New-Fall-Festival hat seine Tickets in diesem Jahr zu Fahrkarten gemacht, damit die Besucher umweltfreundlich zu den Konzerten fahren können. Dafür zahlen die Macher einen Betrag an die Rheinbahn, der einem Fünftel ihrer Zuschüsse entspricht.

Ein Beispiel, ein Fragezeichen.

(RP)
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