Kolumne Rund ums Rathaus Das Haushalts-Paradoxon

Meinung | Düsseldorf · Die Stadt Düsseldorf ist bei ihren Finanzen am Limit. Doch bei jedem Spar-Vorschlag hagelt es erst aus der Bevölkerung Protest, dann aus der Politik. Der fehlende Mut sowohl von Seiten der Stadtverwaltung als auch des Rates macht die Sache nicht einfacher.

 Manchmal ist Oberbürgermeister Thomas Geisel ganz allein - etwa, wenn die Politik Verwaltungsideen für Sparen oder höhere Gebühren kassiert.

Manchmal ist Oberbürgermeister Thomas Geisel ganz allein - etwa, wenn die Politik Verwaltungsideen für Sparen oder höhere Gebühren kassiert.

Foto: A. Endermann

Was Kommunikation angeht, agiert Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) nicht immer glücklich. Gerne bringt er als Testballon Provokantes in die Debatte, meist ohne Absprache mit politischen Partnern oder führenden Kräften in der Stadtverwaltung. Folgt erwartungsgemäß der Aufschrei in der Bevölkerung oder einzelnen Gruppen, rudert er rhetorisch zurück, betont, er sei missverstanden, falsch wiedergegeben oder nicht informiert worden. Ob Schauspielhaus-Sanierung, die Benennung des Flughafens nach Johannes Rau, wegfallende Parkplätze an der Königsallee oder, ganz zu Beginn seiner Amtszeit, die teilweise Wiedereinführung der Kita-Gebühren, das Hin und Her um den Streichelzoo im Südpark - es gibt viele Beispiele.

Doch die Art der Strategie ist das eine, die Notwendigkeit, Unangenehmes in die Wege zu leiten, das andere. Viele Fragen, die Geisel aufwirft, sind grundsätzlich berechtigt. Denn Düsseldorf befindet sich in diesen Wochen an einem Scheideweg, im Raum steht die zentrale Entscheidung: Nimmt die Stadt dauerhaft neue Schulden auf oder fährt sie einen spürbaren Sparkurs? Für beide Möglichkeiten gibt es Befürworter und Gegner, jeweils munitioniert mit Argumenten. Dumm nur, dass beide Lager in der rot-grün-gelben Regierungs-Kooperations namens Ampel vertreten sind. Die SPD hat nichts gegen Schulden, die FDP lehnt sie strikt ab, die Grünen pendeln irgendwo dazwischen. Die Folge: Stillstand in einer Situation, in der Handeln wichtiger denn je wäre.

Denn die noch vor einigen Jahren üppigen Reserven sind nahezu komplett aufgebraucht. Immer wieder - auch unter schwarz-gelber Stadtregierung - sind Defizite im Haushalt nur durch einen Griff ins Sparpolster ausgeglichen worden. Großprojekte wie Wehrhahn-Linie und Kö-Bogen wurden ohne Kreditaufnahmen finanziert. Manches blieb dabei liegen, muss jetzt abgearbeitet werden (wie die Schulbaumaßnahmen) oder bleibt weiter liegen (wie die Sanierungen mancher städtischer Kulturgebäude).

Auf jeden Fall stehen hohe Investitionen an: Rund 700 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren in Schulen fließen. Die Sozialausgaben steigen - auch wegen der Unterbringung von bisher mehr als 7000 geflüchteten Menschen. Beim Personal, dem größten Einzel-Posten im Etat, stehen bald die neuen Tarifverhandlungen an. Die Steuereinnahmen entwickeln sich weniger üppig als erhofft. Und geplante hochpreisige Verkäufe, die reichlich Bares in die Stadtkasse spülen sollten, gestalten sich schwierig: Der fest einkalkulierte Verkauf des Flughafen-Geländes (bis zu 630 Millionen Euro) ist vorerst geplatzt. Der Verkauf der Kanäle an die Stadtentwässerung (bis zu 520 Millionen Euro) gilt zwar als aussichtsreich, ist aber noch nicht vollzogen. Dennoch soll Kämmerin Dorothée Schneider dafür nun schon mal eine Summe in den Haushaltsentwurf für 2017 gesetzt haben.

Kurzum, die Lage ist äußerst ernst. Als Lösungen bleiben nur: Sparen, Investitionen aufschieben und/oder Gebühren erhöhen (Steuern sind bisher davon ausgenommen). Eine Mischung aus all dem haben Geisel und seine Stadtverwaltung als Kurs eingeschlagen. Seit dem Sommer trifft sich die städtische Führungsriege regelmäßig zu Haushaltsklausuren, möglichst alle Bereiche (außer jene mit Pflichtaufgaben) sollen einen Beitrag leisten. Mit dem Konzept Verwaltung 2020 soll auch die Belegschaft um 20 Prozent verschlankt werden - beim größten Aufwandsposten ein Muss.

Doch was passiert? Einsparungen bei der Werkstatt für angepasste Arbeit, die auch den Streichelzoo im Südpark betreut - Aufschrei, Geisel und die Politik rudern zurück. Sparen bei den Spielplatzsanierungen - Aufschrei, Geisel und die Politik rudern zurück. Das Schauspielhaus wird wegen hoher Sanierungskosten zur Disposition gestellt - Aufschrei, die Politik rudert zurück. Erneute Gebührenerhöhung bei der Musikschule - Aufschrei, die FDP blockt an der Seite der CDU-Opposition. Höhere Gebühren für den Offenen Ganztag - Aufschrei, die Politik rudert zurück. Reduzierung des Personals - Aufschrei der Gewerkschaften, Unwohlsein bei der SPD.

Bei allem Verständnis für politische Befindlichkeiten, besonders vor einem Jahr mit zwei Wahlen: So wird der städtische Haushalt nie auf ein solides Fundament gesetzt. Stattdessen spielen sich Verwaltung und Stadtrat die Bombe gegenseitig zu. Motto: Hauptsache, sie explodiert nicht in meinem Feld.

Jetzt sind Haltung und Ehrlichkeit gefragt: Wie wichtig ist uns die wirtschaftliche Schuldenfreiheit? Sind wir bereit, auf manches zu verzichten, um sie zu erhalten? Wo kann gespart werden? Welche Gebühren können erhöht werden? Gilt das auch für Steuern? Was kann, was will sich die Stadt leisten? Das wird nicht ohne empörten Widerhall gehen. Den muss Politik aber aushalten können. Voraussetzung ist ein klares Konzept, das durchgehalten wird. Und nicht das hilflose Reagieren auf Stimmungen.

(RP)
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