Düsseldorf Das bin ja fast ich

Düsseldorf · Wer der Welt als Figur erhalten bleiben möchte, kann sich im Doob 3D Store scannen und drucken lassen. Unser Autor hat's ausprobiert.

 Unser Autor Sebastian Dalkowski im Original...

Unser Autor Sebastian Dalkowski im Original...

Foto: Andreas Bretz

Die Frage, mit der ich mich zu beschäftigen hatte, lautete nicht: Wer bin ich? Jeder ist jeden Tag etwas anderes, und es macht einen nur verrückt, wenn man zu lange darüber nachdenkt. Die Frage, mit der ich mich zu beschäftigen hatte, lautete: Wie soll die Welt mich sehen? Jedenfalls der Teil der Weltbevölkerung, der mir nähersteht.

 und als 25 Zentimeter große Miniaturfigur.

und als 25 Zentimeter große Miniaturfigur.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Im Ladenlokal der Doob Group AG (Liefergasse 1a) kann man sich einscannen und als Figur ausdrucken lassen, auf Wunsch sogar in Lebensgröße. Der technische Vorgang ist schnell erklärt: Der Kunde geht mit der jungen Mitarbeiterin oder dem jungen Mitarbeiter in den Keller des Geschäfts und stellt sich in eine Art Zelt aus weißem Stoff, in dem 40 Kameras befestigt sind. Diese scannen den Kunden in 0,01 Sekunden vollständig ab, die Bilder landen im Computer. Mit Hilfe einer Software entsteht daraus ein Modell, das in Neuss in 3D ausgedruckt wird. Nach vier bis sechs Tagen ist die von innen hohle Figur aus Gips und Kunststoff fertig. Wegen der großen Nachfrage beträgt die Wartezeit momentan allerdings mehrere Wochen. Eine zehn Zentimeter große Miniatur kostet 99 Euro, Lebensgröße 1,80 Meter knapp 20 000 Euro. Dinge, die man in der Hand hält oder auf den Kopf setzt, kosten extra. Wenn die Figur umfällt, dann bricht mit ziemlicher Sicherheit irgendwas ab. Sie ist also kein Spielzeug, sondern etwas, das man sich anschaut wie eine teure Vase.

Doch in Wahrheit interessierten mich technische Details nicht. In Wahrheit sind auch die Kunden nicht wegen der technischen Details da. Sie kommen aus der Schweiz, Österreich, Spanien oder Thailand, weil sie sich der Welt als Figur hinterlassen wollen. Und erst da wird es kompliziert, aber richtig. Auch für mich. Wie soll meine Figur aussehen? Wie will ich, dass die Welt mich sieht?

Manche Leute haben es da einfacher. Es gibt Brautpaare, die sich am schönsten Tag ihres Lebens einscannen lassen. Es gibt Väter, die die Hand auf die Schulter ihres Sohnes legen. Man kann auch gleich das übliche Familienfoto durch ein Familienstandbild ersetzen. Es gibt schwangere Frauen, die sich mit ihrem dicken Bauch ausdrucken lassen, und dicke Männer, die sich mit ihrem dicken Bauch ausdrucken lassen. Die Berater raten davon ab, sich dünner oder schöner zu machen als in der Realität. Viele dieser Figuren stehen im Ladenlokal. Einigen Figuren sah ich an, dass sich die Originale nicht wirklich viele Gedanken gemacht haben. Männer in Anzügen zum Beispiel.

Andere haben sich da schon mehr Mühe gegeben. In den Regalen stehen Magier im Umhang, Musiker mit E-Gitarre, eine Frau, die eine Brezel wirft, ein Mann im Outfit eines römischen Soldaten, ein Paketbote mit einem Paket, Sportler mit ihrem Wakeboard, Snowboard und Skateboard. Oliver Neuville, ja DER Oliver Neuville, im Trikot der Nationalmannschaft, der mit beiden Daumen auf seine Rückennummer zeigt. Der Surfer Björn Dunkerbeck mit der Kappe seines Sponsoren. Eine Frau mit ihrem Papagei auf der Schulter. Söldner, Diven, noch mehr Fußballspieler. Manche behalten die Figuren für sich, andere verschenken sie. An den Partner, an die Oma, an die Eltern.

Nun also war ich an der Reihe. Sollte mich die Welt von meiner besten Seite sehen oder von meiner realistischen? Sollte sie mich mit gekämmten Haaren und Anzug sehen oder doch mit dem ollen grauen Pullover und Neun-Tage-Bart? Ich entschied mich für meine beste realistische Seite - Jeans und blauer Pullover, darunter ein weißes Hemd. Morgens im Bad warf ich den Rasierer an.

Doch ich war noch nicht zufrieden. Ich brauchte etwas, das mich von den anderen Figuren unterschied, etwas, das noch kein anderer mit zum Scannen gebracht hatte. Eine eingerollte Zeitung unter dem Arm war mir etwas zu naheliegend. Ich hätte mir eine gezackte Narbe auf die Stirn malen können, weil mir eine gewisse Nähe zu einem berühmten Zauberlehrling nachgesagt wird. Albern. Schließlich nahm ich etwas mit, ohne das ich morgens niemals das Haus verließ, das aber niemand sonst für ein Foto mitnehmen würde.

Zelt aus weißem Stoff, Blitzlicht, 0,01 Sekunden. Dann vergingen einige Wochen, bis ich eine Mail bekam: "Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, das Ihre Figur im Ladenlokal eingetroffen ist und zur Abholung bereit steht."

Die 25 Zentimeter große Figur, die mir die Kundenberaterin Maren Szech am nächsten Tag überreichte, erkannte ich sofort. Okay, das Gesicht war wie auch bei Computerspielen das größte Problem. Es wirkte nicht zu 100 Prozent menschlich, das aber konnte auch an meinem Gesichtsausdruck liegen, der nicht immer zu 100 Prozent menschlich ist. Aber die Falten in der Jeans, die Flecken auf den Lederschuhen, meine Frisur, das kam mir doch alles sehr gut ausgedruckt vor. Dem Apfel, den ich in meiner Hand hielt, konnte man sogar ansehen, dass er ein Elstar war.

(RP)
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