Urlaub als Corona-Opfer Der Crash der Reise- und Tourismusindustrie

Düsseldorf/Frankfurt · Die Tui beantragt so wie Lufthansa Staatshilfe, Flugpläne werden bis zu 90 Prozent ausgedünnt, am Flughafen Düsseldorf droht Kurzarbeit. Teile des Airports werden eventuell dichtgemacht, weil sowieso niemand fliegt.

Weltweit bleiben die Flugzeuge am Boden, so wie hier in Wladiwostok.

Weltweit bleiben die Flugzeuge am Boden, so wie hier in Wladiwostok.

Foto: imago images

Die Corona-Krise holt die Tourismus- und Luftfahrtbranche mit immer größerer Wucht ein. Europas größter Tourismuskonzern Tui hat Staatshilfe beantragt und das Aussetzen aller Pauschalreisen und Kreuzfahrten erst einmal bis Ende März angekündigt. Die Lufthansa hat bei ihrer Tochtergesellschaft AUA das Einstellen des kompletten Flugbetriebes entschieden und beantragt ebenfalls Unterstützung des deutschen Staates. Wie andere große Fluglinien dünnte die Lufthansa wegen der Einreisestopps von immer mehr Ländern in der Corona-Krise den Flugplan noch weiter aus. Ab Dienstag werden 90 Prozent der Langstreckenflüge und 80 Prozent der Kurzstreckenflüge in Europa bis 12. April ausfallen. In den letzten Wochen stürzte die Lufthansa-Aktie um fast 50 Prozent ab.

Tui erklärte, Urlauber in Ferienregionen so schnell wie möglich zurückholen zu wollen. Das Nachtflugverbot in Düsseldorf wurde gelockert, damit solche Jets zurückkommen können. „Im Moment befinden wir uns alle in einer nie da gewesenen Ausnahmesituation. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, alle Urlauber wieder zuverlässig nach Hause zu bringen“, sagte Marek Andryszak, Vorsitzender der Tui-Deutschland-Geschäftsführung.Die Aktie stürzte um 25 Prozent am Montag ab.

Die Krise zieht immer größere Kreise gerade in NRW. Der Düsseldorfer Veranstalter Alltours stellt das Geschäft bis zum 27. März ein.

Die in Düsseldorf sehr aktive Airline Niki beendet in der Nacht zu Dienstag vorläufig den Flugverkehr. Reisende sollten umbuchen, wurde erklärt, doch mit welcher Airline eine Rückkehr beispielsweise aus Spanien noch möglich ist, blieb unklar.

Das Sicherheitsunternehmen Kötter Securities will Kurzarbeit in Düsseldorf und Köln für die insgesamt 1700 Flugsicherheitsassistenten beantragen. Die Passagierzahl am Airport der NRW-Hauptstadt ist um mehr als 60 Prozent abgestürzt, sagen Insider. „Manchmal kommen nur fünf Leute aus einem Flugzeug“, heißt es.

Peter Lange, Chef von Kötter Securities, sagte unserer Redaktion: „Wir werden heute vorsorglich Kurzarbeit für die Standorte Düsseldorf und Köln  beantragen für den Fall, dass die Zahl der angeforderten Kontrollstunden von der Bundespolizei stark gesenkt wird. Weil das Passagieraufkommen sehr deutlich sinkt, halte ich das kurzfristig für denkbar.“

Flughafenchef Thomas Schnalke erklärte zwar in einem Statement, er hoffe noch immer auf eine Erholung des Geschäftes im Sommer. Aber aktuell erwäge das Management, Teile des Airports zeitweise dichtzumachen, weil sowieso keine Passagiere kommen. Schnalke sagte außerdem, das Unternehmen prüfe, Teile der Hilfspakete der Bundesregierung anzunehmen. Kurzarbeit werde geprüft, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Offen ist, ob der Airport vielleicht auch finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen könnte. Schnalke gibt sich trotzdem optimistisch: „Wir haben in der Vergangenheit bereits verschiedene Krisen bewältigt und werden auch die aktuelle Situation im Team erfolgreich meistern.“

In Berlin kamen Vertreter der Bunderegierung mit den Vertretern der Tourismus- und Airlineindustrie zusammen. Dabei erklärte Thomas Jarzombek, Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, es werde erst einmal keine speziellen Finanzhilfen für die Reisebranche geben. Die bislang verabschiedeten Maßnahmen - ein ausgeweitetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen und Steuerstundungen - reichten zunächst aus, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Düsseldorf.

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Er ergänzte aber auch, an eine Verstaatlichung von Unternehmen zu ihrer Rettung sei aktuell nicht gewollt, was nur den Schluss zulässt, ein solcher Schritt wäre im Extremfall nicht ausgeschlossen.

Ein Sprecher der Lufthansa erklärte, die Airline begrüße das Krisenmanagement der Bundesregierung. Die Flugbegleitergewerkschaft UFO kritisierte hingegen, Kurzarbeitergeld und Kredite reichten bei weitem nicht aus, um die Branche durch die schwere Krise zu bringen.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) forderte, dass der Staat der Branche noch deutlich mehr helfe. So solle der Bund den Reiseunternehmen die Kosten zurückgeben, wenn sie Kunden angezahlte Reisen wieder erstatten, weil diese nicht stattfinden:  „Durch die dynamische Verbreitung des Coronavirus gerät die gesamte Reisewirtschaft in eine nie dagewesene Krisensituation, die sie selbst nicht zu verantworten hat“,sagte Norbert Fiebig, Präsident des DRV. Der Staat müsse also einen speziellen Schutzfirm für die Reiseunternehmen und Airlines aufbauen.

Die drei großen Luftfahrt-Allianzen Star Alliance, Skyteam und Oneworld forderten Regierungen und Geschäftpartner weltweit zur Unterstützung auf. Alle möglichen Maßnahmen müssten geprüft werden, erklärten die Gruppen, die zusammen 60 Prozent der Fluglinien weltweit ausmachen. Neben dem Aussetzen der Regeln für Start- und Landerechte sollten Flughafenbetreiber ihre Gebühren reduzieren. Die finanziellen Folgen des weltweiten Corona-Ausbruchs seien ohne Beispiel, sagte Skyteam-Chefin Kristin Colville.

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Baden-Württemberg kündigte als erstes Bundesland an, in den nächsten Tagen den Personen-Flugverkehr an den Airports des Landes einstellen. Passagiere, die jetzt noch im Ausland sind, sollen noch nach Hause zurückfliegen können. Die hessische Landesregierung erklärte, der größte deutsche Flughafen Frankfurt müsse offen bleiben, und setzte das Nachtflugverbot aus. „Der Luftverkehr darf nicht zum vollkommenen Erliegen kommen“, warnte Luftfahrtkoordinator Jarzombek.

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