Düsseldorfer Sänger der Toten Hosen Campino wird 50 Jahre alt

Düsseldorf · Düsseldorfs zweitberühmtester Heimatdichter feiert Geburtstag. Der Sänger der Toten Hosen ist mit der Zeit gelassener geworden und sitzt nicht mehr in jeder Talkshow. In diesen Tagen ist Campino populär wie selten zuvor. Dabei stand es Mitte der 80er Jahre nicht gut um ihn.

So feierten Campino und die Spieler den Fortuna-Aufstieg
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Foto: TONIGHT

Andreas Frege steht am Fenster des Hauptquartiers der Toten Hosen und blickt auf das Hafenbecken. Er wirft aus dem sechsten Stock der ehemaligen Plange-Mühle mit Gummibärchen auf zwei Schwäne — und verfehlt sie knapp. Es ist ein Freitag im Frühjahr 2012: Frege spielte den Mitarbeitern seiner Plattenfirma "JKP" (Abkürzung für "Jochens Kleine Plattenfirma") soeben seine neuen Lieder vor. Die Snacks hat er eigenhändig herangeschleppt: zwei Plastiktüten mit Salzgebäck, Süßigkeiten und Schampus — ganz der fürsorgliche Chef.

In der Nacht zuvor war das fünfzehnte Studioalbum in 30 Jahren Bandgeschichte fertig geworden. Es war der magische Moment, in dem der Künstler seine Stücke aus den Händen gibt, und die Hörer damit machen können, was sie wollen. Campino, wie er von allen genannt wird, wirkte erleichtert. Hinterher ging über der Hafenbrücke langsam die Sonne unter. Er sagt: "In Australien könnte es in diesem Moment auch nicht schöner sein." Wenige Wochen später wird das Album "Ballast der Republik" Platz eins der deutschen Charts erreichen. Die Single "Tage wie diese" wird die Hymne des Sommers.

Frege feiert heute seinen 50. Geburtstag. Er ist in diesen Tagen sehr gerne und sehr viel in Düsseldorf, nicht nur weil Fortuna so erfolgreich spielt. Nach Berlin pendelt er nur deshalb regelmäßig, weil dort sein achtjähriger Sohn Lenny wohnt, die Mutter ist die Schauspielerin Karina Krawczyk. Dem wärmenden Mantel seiner Band ist der geborene Frontmann Campino nie entkommen. Warum sollte er auch? Mit den Toten Hosen startete er die deutsche Pop-Punk-Revolution. Inzwischen überstrahlt der Erfolg seiner Band den von Lindenberg und Westernhagen. Ihre bandeigene "Mundorgel", die 2006 unter dem Titel "Das Alte und das Neue Testament" erschien, verzeichnet 238 Lieder, die meisten stammen aus Freges Feder. Dem Schriftsteller Jan Weiler, der gerade an der autorisierten Band-Biographie arbeitet, gilt der Sänger als "unterschätzter Texter". In Düsseldorf ist er der zweitberühmteste Heimatdichter — nach Heinrich Heine.

Die Öffentlichkeit lernte in den 80er Jahren einen anderen Mann kennen: Sie war gleichermaßen fasziniert wie genervt vom Großmaul, das sich in den Talkshows lümmelte, nicht immer ganz nüchtern. In den 90er Jahren lernte man ihn als tiefgründigen Menschen kennen, der im Kloster nach Konzentration suchte. Und wenn er vor Zehntausenden in Südamerika oder Osteuropa auftrat, war er auch immer ein bisschen deutscher Botschafter. Nicht nur seine Songtexte sind heute weltbekannt; Campino hat als Schauspieler unter Klaus Maria Brandauer ("Dreigroschenoper" im Berliner Admiralspalast) und Wim Wenders (die Kino-Produktion "Palermo Shooting") gearbeitet.

Wichtig sind Campino Loyalität und Freundschaft. Mit Andreas von Holst, Andreas Meurer und Michael Breitkopf, die die anderen Toten Hosen sind, hat er vor mehr als zehn Jahren ein Familiengrab angemietet. Sie haben stürmische Zeiten überstanden, als ihr Drogenkonsum Ende der 80er Jahre eskalierte und Frege infolgedessen einen Stimmbandriss und Kreislaufkollaps erlitt. Die Ärzte warnten: "Wenn Sie das noch drei Monate machen, können sie ihre Stimme vergessen." Seitdem absolviert Frege vor Shows Gesangsübungen, wie es Opernsänger tun.

Seinen 50. Geburtstag verbringt Frege nicht in seiner Geburtsstadt, sondern in Wien. Er wird morgen bei seinem ersten Konzert in der Tonhalle auch eine akustische Fassung von "Hier kommt Alex" singen, seinem bekanntesten Text neben "Zehn kleine Jägermeister" und natürlich "Tage wie diese": Pünktlich zum doppelten Jubiläum ist es ihm gelungen, einen Nummer-Eins-Hit zu schreiben, der ganz ohne alkoholische Ingredienzien auskommt. Die Texte sind ernsthafter geworden, persönlicher, der Texter selbst gelassener. Als Frege einmal nach seiner persönliche Zukunft gefragt wurde, sagte er: "Ich habe weder vor, Prediger zu werden noch Maler. Ich habe dafür kein Talent. Ich habe überhaupt kein Talent, obwohl: Ich bin ein Charmeur. Das ist das Einzige, was mir in die Wiege gelegt worden ist. Und ich kann Euch sagen, man kommt verdammt weit damit."

(RP/top/das)
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