Breiti von den Toten Hosen "Ich würde wieder nach China fahren"

Düsseldorf · Der Gitarrist der Toten Hosen über die China-Reise der Band, die Erfahrungen mit der Zensurbehörde und die Partylaune in Peking. Ihre Echos will die Band übrigens nicht zurückgeben.

 Breiti beim Interview in der Zentrale der Toten Hosen an der Ronsdorfer Straße. Der Gitarrist ist in Derendorf aufgewachsen und lebt in Düsseldorf.

Breiti beim Interview in der Zentrale der Toten Hosen an der Ronsdorfer Straße. Der Gitarrist ist in Derendorf aufgewachsen und lebt in Düsseldorf.

Foto: Anne Orthen

Breiti ist der Rhythmusgitarrist der Toten Hosen und keiner, der gerne viel spricht. Zumindest versucht er, alles Überflüssige wegzulassen. Der gebürtige Düsseldorfer ist ein politischer Kopf und sicher hauptverantwortlich dafür, dass die Düsseldorfer Band enge Bande zur Organisation Pro Asyl pflegt. Zudem ist er seit frühester Jugend Fortuna-Fan. Über den Aufstieg hat er sich sehr gefreut und ist "sehr glücklich, dass Herr Funkel da ist. Wenn es möglich ist, die Klasse zu halten, dann mit ihm." Aber um Fußball geht's nicht in diesem Interview, zu dem wir Breiti im Hosen-Hauptquartier an der Ronsdorfer Straße treffen. Das erste Konzert der Open-air-Tournee steht an, die Band ist gerade von einer China-Reise zurückgekehrt.

Was hast du als erstes erzählt, als du aus China zu Hause angerufen hast?

Breiti Es ist das passiert, was ich mir immer erhoffe, wenn ich mit der Band unterwegs bin, nämlich tolle Leute kennenzulernen und etwas von deren Leben zu erfahren. Im Fall China Dinge, die bei uns nicht in den Nachrichten vorkommen, denn außer den politischen Eckdaten weiß man bei uns über China ja eigentlich nicht viel. Es ist ein riesiges Land mit einer ganz eigenen Kultur, Philosophie und einer Geschichte von mehreren tausend Jahren, die die Mentalität bis heute prägt. Für mich war die Reise auch eine Anregung, mich mehr mit der Geschichte Chinas zu beschäftigen. Bei uns im Westen wird etwa über den sogenannten Kuli-Handel nichts erzählt. Als der Sklavenhandel im 19.Jahrhundert verboten wurde, wurden statt Afrikanern Zigtausende Chinesen zwangsweise nach Amerika und anderswo verschleppt. Die Chinatowns an der US-Westküste gehen beispielsweise darauf zurück. Davon hatte ich tatsächlich noch nie etwas gehört.

Wie schafft man den Zugang zur Gesellschaft?

Breiti Wenn wir andere Bands treffen, die dieselben musikalischen Vorbilder haben wie wir, gibt es sofort eine gemeinsame Ebene, auf der man sich austauschen kann. Wir waren bei anderen Bands im Proberaum, bei Konzerten in kleinen Clubs, und haben auch selber spontan in dem angesagten Punkrock-Club in Peking gespielt. Solche Begegnungen würden sich nie ergeben, wenn man als Tourist irgendwo hinreist.

Von dir stammt der Ausspruch, die Toten Hosen seinen "basisdemokratisch-hippiemäßig" organisiert. War denn die Entscheidung für China 5:0? Es hätte ja schon am Essen scheitern können.

Breiti Die Entscheidung fiel einstimmig, denn wenn wir die Chance haben, irgendwo hinzufahren, wo wir noch nie gespielt haben, zögern wir normalerweise keine Sekunde. Wenn wir eine Steckdose bekommen und die Möglichkeit zu spielen, dann machen wir das. Manchmal mussten wir diese Möglichkeit suchen, beispielsweise in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Da waren wir in den achtziger Jahren viel unterwegs, auch illegal, und haben lernen können, welche Bedeutung es für Menschen, die in einer Diktatur leben, haben kann, an einem Konzert teilzunehmen. Was das chinesische Essen angeht: Das war wirklich großartig. Mit für uns ungewohnten Geschmäckern, die es wohl auch gibt, wurden wir rücksichtsvollerweise verschont.

Wie kontrolliert leben die Chinesen?

Breiti Die Zensur scheint in China allgegenwärtig zu sein, aber die Menschen dort lassen sich nicht unterkriegen und machen das Beste aus der Situation. Ich war überrascht, wie viele Bands es dort gibt, wie viele Künstler und Galerien, und wie viele Konzerte dort stattfinden. Da geht es oft darum, Dinge so auszudrücken, dass die Zensur es nicht mitbekommt. Auf der anderen Seite hat eine Punkband wie "Brain Failure", die wir dort kennengelernt haben, schon mehrwöchige Tourneen in den USA gespielt. Insofern sind die Verhältnisse in China noch besser als in den Diktaturen Zentralasiens, wo wir auch schon gewesen sind und wo Konzerte wie unsere normalerweise gar nicht möglich sind. Das war dort nur mit Hilfe der deutschen Botschaften möglich.

Den Toten Hosen wurden bei ihren Auftritten in China vier Songs untersagt, war zu lesen.

Breiti Es waren zwei, unter anderem "Liebeslied", bei dem es um eine Straßenschlacht in Berlin zwischen Demonstranten und der Polizei geht, das andere habe ich vergessen, es war eigentlich harmlos. Ein Song wie ,Pushed again' blieb dagegen auf der Playlist. Das hat uns schon gewundert, zumal das Lied auf Englisch ist und wohl viel eher hätte verstanden werden können.

Dann hättet ihr die zensierten Songs ja einfach doch spielen können.

Breiti Das hätten wir tun können, aber warum sollten wir dem Veranstalter, der uns eingeladen hat, Probleme bereiten? So etwas hätte für ihn einschneidende Folgen haben können, etwa Konzertverbote. Das wäre kontraproduktiv und nicht in unserem Sinn. Viele Leute haben uns erzählt, dass die Behörden eine Art Paranoia haben und Angst, dass sie die Kontrolle verlieren. Jeder Protest, der zu einer Bewegung werden könne, müsse unterdrückt werden. Es hat wohl schon Fälle gegeben, wo bei Zuwiderhandlungen gleich ein ganzer Musikstil für ein paar Monate verboten wurde.

Da hattet ihr es als Punks hier besser.

Breiti Uns wird auf solchen Reisen immer wieder klar, dass wir in einer freien Gesellschaft leben und viele Sorgen überhaupt nicht haben. Wir schreiben unsere Texte und spielen sie, fertig. Wie haben Meinungsfreiheit, freie Wahlen, Religionsfreiheit. Davon kann ein Großteil der Menschheit nur träumen.

Hast du auch nicht gedacht, noch mal wertkonservativ zu werden.

Breiti (lacht) Es ging ja schon in unserer frühen Jugend darum, diese Werte zu verteidigen. Es hat sich nichts geändert, wir haben nur andere Formen gefunden, damit umzugehen.

Wie anders waren die Konzerte in Usbekistan, wo ihr auch schon wart?

Breiti In Usbekistan oder auch in Tadschikistan war es so, dass teilweise schon auf den Eintrittskarten auf das absolute Alkohol- und Tanzverbot hingewiesen wurde und sehr viele Polizisten im Publikum waren, zivil gekleidet und in Uniform. Die Leute haben aber trotzdem Pogo getanzt und voll mitgemacht, obwohl sie es nicht durften. Es war total berührend zu sehen, wie sie sich gefreut haben, diese Energie endlich einmal ausleben zu können.

Würdest du privat wieder nach China reisen?

Breiti Sofort. Die Atmosphäre in Peking beispielsweise hat mich überrascht. Die Leute dort waren sehr offen und hilfsbereit, was in einer 20-Millionen-Metropole ja nicht selbstverständlich ist. Man musste sie beim Konzert auch nicht lange zur Party bitten, wenn man dem Publikum dort etwas anbietet, sind sie sofort dabei und machen mit.

Die Toten Hosen sammeln Länderpunkte. Wo würdet ihr sonst noch gerne spielen?

Breiti Mich würde Indonesien sehr interessieren. Uns wurde immer wieder erzählt, unter anderem von Bands wie "Bad Religion", dass es da trotz schwieriger Verhältnisse unheimlich viele Konzerte und Punks gibt.

Aktuelle Frage zum Schluss: Campino hat bei der Echo-Verleihung seine kritischen Worte an Kollegah und Farid Bang gerichtet. Gebt ihr jetzt auch noch eure Echos zurück?

Breiti Darum ging es ja nicht. Es wäre vielleicht ein bisschen theatralisch von uns, die Echos zurückzugeben. Campino hat ja gesagt, was zu sagen war. Wer nicht bei der Veranstaltung war und seinen Protest kundtun will, indem er seine Echos zurückgibt, kann das ja machen.

(ujr)
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