Rethelstraße Düsseldorf Am Freitag fällt das Urteil im Rotlicht-Prozess

Düsseldorf · Vor vier Jahren galt er wegen der vielen Beteiligten als Mammutprozess. Inzwischen verdient das Verfahren gegen einen Bordellwirt und seine Mitarbeiter den Titel wegen seiner Dauer.

 Am 1. Juli 2013 drängten Zuschauer und Journalisten zur Prozesseröffnung - das Interesse ist längst deutlich abgeflaut.

Am 1. Juli 2013 drängten Zuschauer und Journalisten zur Prozesseröffnung - das Interesse ist längst deutlich abgeflaut.

Foto: wuk

Als Ruhmesblatt der Justiz wird dieser Prozess wohl nicht in die Annalen des Landgerichts eingehen. Fünf Jahre nach einer Polizei-Razzia gegen organisierte Kriminalität in drei Bordellen an der Rethelstraße und einem Erotik-Hotel in Bahnhofsnähe sowie vier Jahre nach Verhandlungsbeginn gegen neun Verdächtige will die 10. Strafkammer am Freitag (ab 11.30 Uhr) das Urteil verkünden. Damit zählt der sogenannte Rotlicht-Prozess zu einem der längsten Düsseldorfer Strafverfahren.

Ob der Prozess mit dem Urteil nach über 250 Verhandlungstagen, die nach Schätzungen mehrere Millionen Euro gekostet haben dürften, wirklich vorbei ist, bleibt offen. In solchen Mammutverfahren entdecken Verteidiger meist etliche Revisionsgründe. Falls der Bundesgerichtshof das Urteil nicht oder nur teilweise absegnet, könnte sogar eine Neu-Auflage nötig werden.

Die Anklage Bandenmäßig organisierten Betrug an über 20 Bordellkunden, räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung wurde im Juli 2013 dem Ex-Wollersheim-Kumpel Tomas M. (52) und acht seiner Mitarbeiter vorgeworfen, darunter vier Frauen.

 "Rethel-Tom" wie Thomas M. im Rotlicht-Milieu heißt, wird seit seiner Inhaftierung im Juli 2012 von Anwalt Johannes Daners (l.) vertreten.

"Rethel-Tom" wie Thomas M. im Rotlicht-Milieu heißt, wird seit seiner Inhaftierung im Juli 2012 von Anwalt Johannes Daners (l.) vertreten.

Foto: Schaller Bernd

Sie sollen als Wirtschafter, Servicekräfte oder Prostituierte unter Regie von Bordell-Boss M. solvente Rotlicht-Kunden gezielt durch Alkohol oder K.-o.-Tropfen betäubt und danach deren Kreditkarten bis ans Limit belastet haben.

Manche der Gäste, die erst frühmorgens wieder zu sich kamen, sollen sogar noch gedrängt worden sein, mit einem Bordell-Mitarbeiter zur Bank zu fahren. Den Gesamtschaden bezifferte die Anklage mit mehreren hunderttausend Euro. Der zunächst mitbeschuldigte Bert Wollersheim, TV-bekannter Mit-Inhaber der Bordellbetriebe, war durch die Ermittlungen entlastet worden.

Die Prozessdauer Alle Angeklagten schwiegen zunächst zu den Vorwürfen — bis einer nach dem anderen aus dem Prozess ausschied. Wegen Schwangerschaft, schwerer Erkrankung und anderen Gründen lichteten sich die Reihen der Angeklagten. Eine Ex-Prostituierte wurde zwischendurch freigesprochen, ein anderer Mitarbeiter abgeurteilt. Die Verfahren gegen fünf Verdächtige wurden abgetrennt, sollen irgendwann gesondert verhandelt werden.

 Für Richter Markus Fuchs war es der erste große Prozess als Vorsitzender,

Für Richter Markus Fuchs war es der erste große Prozess als Vorsitzender,

Foto: Kannegießer

Übrig blieben nur Bordell-Chef M. und einer seiner Mitarbeiter (36). Die lange Verhandlungsdauer begründen Richter und Anwälte unterschiedlich. Einige der Verteidiger sagen dem Vorsitzenden bei seinem ersten großen Strafverfahren chaotische Prozessführung nach, weil nicht einzelne Tatkomplexe strukturiert abgehandelt wurden, sondern alles durcheinander ging. Schon vernommene Zeugen mussten teilweise mehrfach noch einmal befragt werden.

Das Gericht wiederum hat zwei Anwälten eine Abmahnung erteilt, ihnen sogar den Ausschluss vom Verfahren angedroht, weil sie ihre Pflichten als Verteidiger angeblich nicht oder nicht ausreichend wahrgenommen hätten. Die derart vergiftete Atmosphäre trug jedenfalls nicht dazu bei, dass auch nur in Teilbereichen ein Konsens zu erreichen gewesen wäre. Die inzwischen horrenden Prozesskosten müssen im Falle von Schuldsprüchen die Verurteilten tragen. Bei einem Freispruch hat die Staatskasse alles zu zahlen.

Plädoyers Nach vierjähriger Verhandlung kommen Staatsanwälte und Verteidiger zu gegensätzlichen Bewertungen. Fakt ist: Eine heimliche Abgabe von K.-o.-Tropfen an Bordell-Kunden war in keinem Fall nachzuweisen. Die Staatsanwälte halten die Schuld von M. als Drahtzieher eines organisierten Serienbetruges dennoch für erwiesen und forderten, dass er nach rund fünf Jahren fast ununterbrochener U-Haft jetzt zu neun Jahren und einem Monat Haft verurteilt wird. Dessen Anwälte dagegen fordern Freispruch. Sie finden, kein einziger Anklagepunkt sei hieb- und stichfest nachgewiesen worden.

(RP)
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