Straßenstrich Charlottenstraße Blaue Briefe an 167 Freier

Düsseldorf · Rund um den Straßenstrich ist es ruhiger geworden. Ordnungs- und Sicherheitsdienst sowie Polizei beklagen, dass noch immer zu viele Männer das Elend der Mädchen ausnutzen.

Die Wagen, die auffällig langsam und oft im Viertel rund um die Charlottenstraße unterwegs sind, sagen viel über ihre Fahrer. Gute Mittelklasse meist, hinten mit Kindersitz. "Die Freier", sagt Holger Körber, "könnten sich durchaus ein Bordell hinterm Bahndamm leisten. Sie wollen aber das Elend und die Not der Mädchen sehen, sie suchen die Krankheit und die Nähe des Todes." Körber ist Chef des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD), der den Straßenstrich kontrolliert. Das Elend der Mädchen ist ihre Drogen-Abhängigkeit. Oft sind sie auch obdachlos. Die zehn, 20Euro pro Freier brauchen sie dringend, steigen daher auch in Autos ein, deren Fahrer als gewalttätig gelten.

Das sagte Körber bei einer Diskussion zum Thema "Polizei zwischen Ermittlungen und Sozialarbeit" im Trebe-Café am Montagabend, und er nannte Zahlen:

167 Freier hat der OSD im vergangenen Jahr überführt. Die Ertappten erwartet nach Düsseldorfer Straßensatzung nicht nur eine Anzeige, sondern auch ein Bußgeld in Höhe von 250 Euro und ein Blauer Brief. Der geht nach Hause. "Das ist für viele Männer das Schlimmste", erzählt Körber. "Wir haben schon oft die Bitte gehört, den Brief doch anderswo hinzuschicken, damit die Ehefrau ihn nicht findet."

Ehefrauen, die im Übrigen auch körperlich gefährdet sind: Immer wieder fallen "brave" Familienväter auf, die auf dem Straßenstrich Sex ohne Kondom kaufen wollen. "Aids und Hepatitis sind nicht ausgerottet", warnt Kay Funk vom Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer, der die Notschlafstelle "Knackpunkt" am Straßenstrich betreibt. "Die Kreisläufe möchte ich mir besser nicht ausmalen." Er spricht von etwa 150 Mädchen und jungen Frauen, die drogenkrank sind und auf der Straße leben. Die Zahl ist seit zehn Jahren praktisch konstant, ebenso wie die Zahl der Drogenabhängigen insgesamt, die mit etwa 2500 angegeben wird.

OSD und Polizei fahren auf dem Straßenstrich eine Doppel-Strategie: Den Mädchen helfen, so weit es geht. Die Freier überführen und zur Kasse bitten. "Wenn ich jemanden sehe, der etwas Verbotenes macht, muss ich eingreifen", erklärt Janine Schmidt. Die junge Frau ist Kriminaloberkommissarin und viel auf Streife. "Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch helfen kann." So hatte sie lange Toiletten-Artikel mit, die sie an obdachlose Frauen verteilt hat. Sie fragt nach, ob die Düsseldorfer Schutz-Einrichtungen wie Knackpunkt und Trebe-Café bekannt sind, weist den Weg. "Unsere Kommunikation ist inzwischen so gut, dass wir einander vertrauen", sagt dessen Leiterin Martina Wenzel. "Die Polizei akzeptiert, dass das Trebe-Café ein Schutzraum ist und kommt nur bis zur Türschwelle."

Es sei schon vorgekommen, dass ein Polizist ein 14-jähriges Mädchen schlicht "abgegeben" habe mit den Worten: "Kümmert euch bitte." Dass der Spagat zwischen Recht und Ordnung auf der einen Seite und der Hilfe auf der anderen nicht leicht ist, geben Schmidt und Körber zu. Sozialarbeiter Kay Funk bestätigt, dass "auch wir hinzu gelernt haben und inzwischen die Ordnungskräfte nicht mehr als Gegner ansehen." Partner - das wäre zu viel gesagt, "denn dann käme niemand mehr in die Schutz-Einrichtungen", so Körber.

(RP)
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