Düsseldorf Bewegender Abschied von Emma

Düsseldorf · Das Mädchen aus Niederkassel, dessen Schicksal ganz Düsseldorf bewegte, ist vergangene Woche an den Folgen ihrer Querschnittlähmung gestorben. Sie wurde 14 Jahre alt.

Am Mittag steigen vier bunte Luftballons in den Himmel über dem Heerdter Friedhof. Ein letzter Gruß an Emma, versehen mit Worten der Liebe und des Danks. Das Mädchen, das sich nicht bewegen konnte, hat viele und vieles bewegt, hat zuvor Michael Weichler, Freund und Nachbar der Familie, in der Auferstehungskirche gesagt, wo mehr als 200 Menschen Abschied von Emma nahmen. Sie war am Mittwoch vergangener Woche an den Folgen ihrer Querschnittlähmung gestorben.

Emmas Unfall im Herbst 2008 hat ihr Leben und das ihrer Familie radikal verändert. Sie war in den Ferien bei einer heimlichen Fahrt mit einem Quad verunglückt. Seither war sie vom Hals an gelähmt und auf künstliche Beatmung angewiesen. Das Kind, das bis zu seinem achten Lebensjahr ein schwer zu bremsender Wirbelwind war, eine talentierte Fußballerin und auch sonst stets aktiv, wachte nach Wochen im Koma in einem erstarrten Körper auf.

Eine weniger starke Persönlichkeit wäre wohl verzweifelt. Eine weniger starke Familie hätte nicht geschafft, was den Mertzokats gelang: Ihre extreme Situation zur Normalität zu machen, ihr neues, ihr anderes Leben zu akzeptieren. Michael Weichler hatte damals, 2009, eine beispiellose Hilfsaktion für Emma ins Leben gerufen. Denn Emma war nicht unfallversichert und die elterliche Maisonette-Wohnung nicht behindertengerecht. Es ist ihnen nicht leicht gefallen, Spenden anzunehmen. Aber es blieb ihnen kaum etwas anderes übrig, um ihr Zuhause zu behalten, um für Emmas Geschwister Katharina und Nikolas das vertraute Umfeld zu erhalten und dennoch Emmas besonderen Bedürfnissen gerecht werden zu können.

Die Welle der Hilfsbereitschaft war unglaublich. Fremde Menschen baten um Geld für Emma anstelle von Geburtstagsgeschenken. Unternehmen sammelten, Emmas Schulkameraden veranstalteten einen Charity-Lauf. Viele Feste wurden in den Dienst der guten Sache gestellt, auch Fortuna und die DEG setzten sich für Emma ein. Der war das riesige öffentliche Interesse eher unangenehm. Selten schenkte sie den Fotografen ein Lächeln.

Wem dieses Lächeln gewährt wurde - der wird es nie vergessen. Warm und herzlich, ein bisschen verschmitzt, oft hintergründig. Emma redete nicht viel, aber wenn, dann hatte sie auch etwas zu sagen. Aus der Sportskanone war ein nachdenkliches Mädchen geworden, das seinen Kopf genauso forderte wie vor dem Unfall seinen Körper.

Als die größte finanzielle Last von Emmas Familie genommen war, hatte Michael Weichler überlegt, mit einer Stiftung auch Emmas Zukunft abzusichern. "Ich bin doch nicht das einzige Kind im Rollstuhl", hat sie darauf geantwortet. Das hatte 2011 den Ausschlag für die Gründung der Elfmeterstiftung gegeben, die für rückenmarksverletzte Kinder und ihre Familien da sein will. Den Namen hatte - selbstverständlich - Fußballfan Emma ausgedacht. Elfmeter - eine zweite Chance.

Ihre eigene zweite Chance hat Emma so genutzt, um anderen zu helfen. Die Stiftung geht nun schon ins vierte Jahr, hat einigen Betroffenen nicht nur finanziell helfen können: Emmas Mutter Sandra kann aus ihren eigenen Erfahrungen auch mit sehr praktischem Rat helfen. Die Stiftung unterstützt auch die medizinische Forschung, um Emmas Traum eines Tages Wirklichkeit werden zu lassen: die Heilung von Querschnittlähmung.

In den Sommerferien war Emma mit ihrer Familie in Holland gewesen, das sie so liebte. Dort erlitt sie eine Infektion, die sich schnell und hartnäckig ausbreitete, auch bedingt durch die künstliche Beatmung. Sie wurde in eine Spezialklinik gebracht, doch auch dort hatte man sie nicht retten können.

Emma hasste es, wenn andere weinten. Sie hatte sich gewünscht, dass nach ihrem Tod ihre Lieben ihrer bei einem fröhlichen Fest gedenken. Gestern blieb dieser Wunsch unerfüllt. Nicht ganz: Denn bei aller Traurigkeit wird sich niemand, der sie kannte, an Emma erinnern können, ohne zu lächeln.

(RP)
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