Blind Date Interview Niedrigwasser brachte viele Dinge zum Vorschein

Interview | Düsseldorf · Bei der Stadt Düsseldorf kümmert sich Martin Schröer um das Thema Bevölkerungsschutz – etwa um das Auffinden von Bomben-Blindgängern. Er verrät, wo diese besonders häufig gefunden werden.

141222
Blind date für Nicole
Kampfmittelräumdienst
Foto: Andreas Bretz

141222 Blind date für Nicole Kampfmittelräumdienst Foto: Andreas Bretz

Foto: Bretz, Andreas (abr)

In der Adventszeit wichteln sich die RP-Redakteure in der Lokalredaktion gegenseitig Blind Dates mit Interview-Partnern zu. Erst vor Ort erfahren wir, auf wen wir treffen. Heute ist das Martin Schröer, der in der Stadtverwaltung mit der Suche nach Kampfmitteln zu tun hat.

An Ihrer Jacke sehe ich, dass Sie bei der Feuerwehr sind. Löschen Sie Brände?

Antwort Nein, damit habe ich nichts zu tun. Ich arbeite in einem ganz anderen Bereich, nämlich der Gefahrenabwehr, genauer: Ich kümmere mich um den Nachweis der Kampfmittelfreiheit bei Baumaßnahmen.

Das klingt zunächst einmal sehr amtlich.

Antwort Es ist aber eigentlich sehr praktisch und bedeutet, dass Bauherren für eine Baugenehmigung erst sicherstellen müssen, dass auf ihrem Grundstück nicht vielleicht gefährliche Dinge wie Bombenblindgänger oder Ähnliches lagern. Ich beurteile im ersten Schritt, ob für die geplante Maßnahme überhaupt eine Prüfung erforderlich ist – was immer dann gilt, wenn in den Boden eingegriffen wird, also beispielsweise eine Grube ausgehoben wird.

Ist das so viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg denn so engmaschig nötig?

Antwort In der Tat werden bis heute ständig Kampfmittel in Düsseldorf gefunden, neben Blindgängern beispielsweise auch Granaten, Waffen oder Munition. Natürlich nicht alle davon bei solchen gezielten Prüfungen; vieles sind auch Zufallsfunde von Spaziergängern oder von Menschen, die eine Wohnung oder ein Haus ausräumen.

Leute finden also einfach beim gemütlichen Spaziergang eine Granate?

Antwort Das ist gar nicht mal so ungewöhnlich. Besonders häufig ist das übrigens vorgekommen, als im Rhein in diesem Jahr wieder Niedrigwasser herrschte. Da kamen an den Ufern tatsächlich viele Dinge zum Vorschein, sogar eine Wassermine wurde gefunden. Manches stellt sich natürlich beim näheren Hinsehen auch als harmloser Elektroschrott heraus.

Kommen wir zurück zu dem Bauherren, was muss der also nun tun, wenn die Prüfung nötig ist?

Antwort Es muss über uns bei der Bezirksregierung ein Antrag auf Prüfung der vorliegenden Luftbildaufnahmen von dem Grundstück gestellt werden. Dabei wird dann geschaut, ob auf dem Areal Verdachtspunkte sind, die näher geprüft werden müssen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Luftaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg an einer Stelle einen Bombeneinschlag zeigen, aber keinen riesigen Krater – das ist ein Hinweis, dass es sich um einen Blindgänger handelt.

Ich vermute, wenn man so einen Verdachtspunkt hat, dann hat man als Bauherr ziemliches Pech, oder?

Antwort Unter Umständen zieht das einiges nach sich. Man muss gegebenenfalls die Gelände-Oberkante entsprechend dem Zustand im Jahr 1945 wiederherstellen lassen, und zwar auf eigene Kosten – da ist in manchen Fällen einiges abzutragen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst erscheint dann von Ort, und wenn Kampfmittel gefunden werden, dann werden sie abtransportiert.

Manchmal gibt es aber auch aufwendige Entschärfungen vor Ort, oder?

Antwort Das hängt vom genauen Fund ab und ist der seltenere Fall. So etwas ist natürlich auch für uns eine absolute Ausnahmesituation. Ich bin selbst ja nicht in der Nähe der Bombe, aber auch ich bin in solchen Fällen extrem aufgeregt – für uns geht der eigentlichen Entschärfung ja eine umfassende Planung voraus, Stunden vorher werden beispielsweise Sperrungen aufgebaut und oftmals Menschen in einem größeren Umkreis evakuiert.

Man hatte zuletzt den Eindruck, dass viele Menschen sich solchen Evakuierungen widersetzen – etwa bei der großen Entschärfungsaktion an der Moltkestraße.

Antwort Da haben Sie Recht. Es gibt leider heutzutage mehr Menschen, die Schwierigkeiten damit haben, sich – aus Ihrer Sicht – etwas vorschreiben zu lassen. Da sieht man dann plötzlich in einem längst evakuierten Haus jemanden hinter dem Fenster, oder irgendwo geht das Licht an. Dann müssen die Einsatzkräfte leider nochmal ran um die Leute dazu zu bewegen, ihr Haus zu verlassen. Die Haltung einiger weniger bedeutet in diesen Fällen für tausende andere Menschen, dass sie noch länger brauchen, bis sie wieder in ihr Haus dürfen.

War schonmal jemand richtig sauer auf Sie, weil er nicht einfach weiter bauen durfte?

Antwort Das kommt vor, auch wenn ich natürlich gar keinen Ermessensspielraum habe. Derjenige denkt in dem Moment einfach, dass ich ihn aufhalte – aber ich muss es eben so machen. Um solche Prüfungen kommt keiner herum: Ich selbst saniere gerade in Meerbusch ein Haus von 1964, unter dem sich möglicherweise ein Schützenloch befindet. Wollte ich das Haus abreißen oder einen Pool bauen, müsste auch das geprüft werden.

Gibt es in Düsseldorf Bereiche, in denen besonders häufig etwas gefunden wird?

Antwort Allgemein ist das sehr breit verteilt, aber im Flughafen-Umfeld kommt so etwas beispielsweise öfter vor als anderswo, denn der war natürlich im Zweiten Weltkrieg ein häufiges Angriffsziel der Alliierten.

Können Sie inzwischen schon einschätzen, ob an einer bestimmten Stelle wohl ein Verdachtspunkt zu erwarten ist?

Antwort Natürlich entwickelt man mit der Zeit ein gewisses Gefühl dafür, ob das eine öfter betroffene Gegend ist und was die Prüfung ergeben könnte. Aber ich habe mit meinem Bauchgefühl auch schon in beiden Richtungen falschgelegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort