Kritik der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf Betten Hönscheidt weist Vorwurf zurück

Düsseldorf · Die Hönscheidt-Chefin sieht sich von der Jüdischen Gemeinde zu Unrecht beschuldigt: Ihr Großvater habe das Geschäft 1938 rechtmäßig einem Juden abgekauft. Die Jüdische Gemeinde bezweifelt das – und meint: Darum geht es gar nicht.

 "Familienunternehmen seit 1938" – mit diesem Slogan feiert Betten Hönscheidt sein 75-jähriges Bestehen. Die Jüdische Gemeinde kritisiert, dass die jüdische Vergangenheit des Geschäfts dabei verschwiegen wird.

"Familienunternehmen seit 1938" – mit diesem Slogan feiert Betten Hönscheidt sein 75-jähriges Bestehen. Die Jüdische Gemeinde kritisiert, dass die jüdische Vergangenheit des Geschäfts dabei verschwiegen wird.

Foto: Andreas Endermann

Die Hönscheidt-Chefin sieht sich von der Jüdischen Gemeinde zu Unrecht beschuldigt: Ihr Großvater habe das Geschäft 1938 rechtmäßig einem Juden abgekauft. Die Jüdische Gemeinde bezweifelt das — und meint: Darum geht es gar nicht.

 Die Jüdische Gemeinde kritisiert, dass die jüdische Vergangenheit des Geschäfts dabei verschwiegen wird.

Die Jüdische Gemeinde kritisiert, dass die jüdische Vergangenheit des Geschäfts dabei verschwiegen wird.

Foto: Stadtarchiv

Im Streit zwischen der Jüdischen Gemeinde und dem Bettengeschäft Hönscheidt sind die Fronten verhärtet. Hönscheidt-Geschäftsführerin Ines Reusch weist den Vorwurf zurück, ihr Großvater Werner Hönscheidt habe das Geschäft 1938 einem Juden zu einem zu geringen Preis abgekauft und so von der "Arisierung" jüdischer Geschäfte in der NS-Zeit profitiert. Die Jüdische Gemeinde hält derweil an ihrer Darstellung fest. Sie ärgert sich vor allem darüber, dass die Firma mit ihrem 75-jährigen Bestehen wirbt, ohne zu erwähnen, dass das Geschäft bereits seit 1865 in jüdischem Besitz bestand. "Dadurch nutzt das Geschäft den Termin der Arisierung zur Reklame", sagt Verwaltungsdirektor Michael Szentei-Heise.

Betten Hönscheidt verteilt an seine Kunden in den Filialen an Schadowstraße und Carlsplatz auf Anfrage ein Schreiben von Chefin Ines Reusch. "Wir werden in Bezug auf die Gründung unseres Geschäftes in einen Zusammenhang gesetzt, den wir so nicht hinnehmen möchten", heißt es dort. Der Kauf sei rechtmäßig gewesen. "Der Erwerb durch meinen Großvater wurde im Jahre 1950 durch die Militärregierung und das Amt für Wiedergutmachung geprüft, aufgeklärt und rechtlich abgeschlossen." Es sei schade, dass die Jüdische Gemeinde nicht direkt auf das Geschäft zugegangen sei. "Wir sind betroffen über die Art und Weise, mit der wir in nunmehr dritter Generation beschuldigt werden."

Auslöser des Streits war, dass sich die Jüdische Gemeinde über eine Werbung zum Jubiläum geärgert hatte. Betten Hönscheidt erwecke in der Reklame den Eindruck, das Stammhaus an der Schadowstraße sei im November 1938 gegründet worden — und verschweige, dass der Laden zuvor dem Juden Fritz Grossmann gehört habe. Die Gemeinde ist sich sicher, dass Grossmann das Geschäft unter dem Druck der NS-Verfolgung unter Wert verkaufen musste. Zwar wurde dieser Einzelfall bislang nicht von Historikern untersucht, aber in der Stadt sind viele ähnliche Fälle einer solchen "Arisierung" belegt (siehe Artikel unten).

Zudem erinnern sich Gemeindemitglieder daran, dass Grossmann mit 27000 Reichsmark einen viel zu geringen Betrag für das Geschäft erhalten habe. Er wurde kurze Zeit nach dem Verkauf in das KZ Dachau deportiert und 1940 im KZ Buchenwald ermordet. Seine Frau Marta Grossmann wurde nach Minsk deportiert und dort ermordet. Die beiden Söhne entkamen mit einem Kindertransport und leben heute in den USA; sie haben keine Kontakte mehr nach Düsseldorf.

Laut dem Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde, Michael Szentei-Heise, ist die damalige "Arisierung" dieses Geschäfts seit langem bekannt. Die Aussagekraft der angeblichen Aufarbeitung im Jahr 1950, die Hönscheidt-Geschäftsführerin Reusch anführt, zweifelt er an. Die Zeitumstände im November 1938 würden stark dafür sprechen, dass Grossmann unter Druck verkaufen musste — es handelte sich um den Monat, in dem auch die Novemberpogrome stattfanden.

Der damalige Vorgang sei aber nicht der Auslöser für den Protest gewesen. "Die Geschichte lässt sich nicht mehr ändern", sagt Szentei-Heise. Es habe ihn vielmehr geärgert, dass das Geschäft in der Werbung die Vergangenheit verschweige. "Frau Reusch soll mit Gesundheit und Erfolg ihr Geschäft führen, aber sie sollte geschichtsbewusst sein", sagt Szentei-Heise.

Möglicherweise führt die aktuelle Debatte dazu, dass die Geschichte von Betten Hönscheidt neu bewertet wird: Geschäftsführerin Ines Reusch denkt darüber nach, einen unabhängigen Historiker zu beauftragen.

(RP)
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