Kolumne: Die Woche In Düsseldorf Beim Gruß geht's um Form und Förmchen

Düsseldorf · Lothar Inden, Chef der St. Sebastianus-Schützen von 1316, dürfte in den vergangenen Tagen mehrfach zum Schweißtuch gegriffen haben. Und das nicht etwa nur wegen der hochsommerlichen Temperaturen, sondern wegen der beiden Oberbürgermeister.

 Der strittige Moment: Schützen-Chef Lothar Inden (graues Jackett) begrüßt Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, links Schützen-Oberst Günther Pannenbecker, Kirmes-Architekt Thomas König, rechts hinten Thomas Geisel mit Kämmerer Manfred Abrahams.

Der strittige Moment: Schützen-Chef Lothar Inden (graues Jackett) begrüßt Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, links Schützen-Oberst Günther Pannenbecker, Kirmes-Architekt Thomas König, rechts hinten Thomas Geisel mit Kämmerer Manfred Abrahams.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Der eine, Dirk Elbers, bald nicht mehr im Amt, hatte es vorgezogen, abzutauchen und alle Schützenfesttermine von Vertretern wahrnehmen zu lassen. Menschlich nachvollziehbar, dennoch heikel, weil dieser letzte Eindruck bleiben wird, bevor er bald sein Amt auch de facto verliert. Unprofessionell war noch einer der sachlicheren Kommentare zu diesem Verhalten, die Schützen zeigten sich tief enttäuscht.

Der andere, Thomas Geisel, ist zwar gewählt, aber wird erst Anfang September offiziell antreten. Was ihn aber nicht daran hindert, schon jetzt sehr präsent zu sein in der Stadt - im Prinzip macht er gerade eine Art "warming up" für die Aufgabe im Rathaus, man könnte auch - wie bei einem Hotel - von einem "soft opening" sprechen. Er kann sozusagen schon mal zuschauen, lernen, künftig Fehler vermeiden.

Aber das Ganze hat auch eine knifflige Seite, nämlich die protokollarische. Und die mündete jetzt allen Ernstes in die Frage: Wie begrüße ich als Chef der Schützen einen anwesenden, gewählten OB, der aber noch nicht inthronisiert ist? Schützen-Boss Inden entschied sich für eine Lösung, von der wir nun wissen, dass sie falsch war: Er begrüßte Geisel gar nicht.

Nun würde der zum Formlosen neigende Rheinländer achselzuckend sagen "Na und?" und meinen, das wäre an sich kein Problem - aber Geisel machte es zu einem. Er beschwerte sich nämlich ("ungehörig") und sprach Inden auf diesen vermeintlichen Fauxpas an. Der versuchte sich rauszureden, ohne Erfolg - und stand am Ende als der vermeintlich SPD-feindliche Brauchtumsfreund da, der immer noch schwarz-gelben Zeiten und einem OB Elbers nachhängt. Das jedenfalls unterstellten ihm zahlreiche Genossen in den sozialen Netzwerken. Dies jedoch in völliger Verkennung der Tatsache, dass die Schützen in ihren Reihen Vertreter aller demokratischen Parteien haben.

Weil Geisel außerdem vor einigen Wochen eine Einladung der Neusser Schützen (Achtung, Konkurrenz!) angenommen hatte und wohl bei deren Parade beim großen Schützenfest Ende August dabei sein wird, entstand plötzlich eine Grüß-Affäre von bilateraler Bedeutung zwischen Düsseldorf und Neuss: Hier die - bekanntlich extrem linkslastigen - Neusser Schützen, die den Düsseldorfer Sozi-OB solidarisch an ihre ordensgeschmückte Brust nehmen, dort die verbohrten Düsseldorfer Sebastianer, womöglich fremdelnd mit dem suspekten roten Rathaus-Chef.

Ironie? Eine Posse? Aber klar doch - schade nur, dass sie zeitlich nicht näher am Rosenmontagszug passierte. Wagenbauer Jacques Tilly ließe gerne und bissig grüßen - im Zweifel alle Beteiligten. Der designierte OB jedenfalls käme ganz groß raus dabei. Womit wir bei der zentralen Figur der Sache wären: Thomas Geisel. Was ihn bewogen haben mag, überhaupt zu monieren, nicht gegrüßt worden zu sein, weiß nur er allein. Schließlich waren es u.a. genau solche Auftritte, die seinen Vorgänger im Amt den Job kosteten - abgehobene Attitüde mit zeitweise skurriler Wertschätzung für präzise eingehaltene Rangfolgen bei Grußworten und Sitzordnungen.

Da fragt sich der Außenstehende zwangsläufig: Hängt's am Amt, ist das ansteckend? Bringt die Wahl plötzlich ein Gen zur Wirkung, das kleinlich auf die stets korrekte Form pocht - und eine Reaktion auslöst wie bei Kindern, denen im Sandkasten einer das Förmchen klaut?

Sollte das so sein, hat Geisel sechs schwere Jahre vor sich - es wird nämlich noch eine Weile dauern, bis ihn mehr als 50 Prozent der Düsseldorfer kennen und - bleiben wir im Bild - formgerecht grüßen.

Die Wirkung eines solchen Verhaltens ist jedenfalls verheerend, weil die Menschen wissen, dass man den wahren Charakter im Umgang mit anderen, vor allem mit vermeintlich Untergebenen erkennt. Da wird jedes Wort - zurecht - auf die Goldwaage gelegt. Und wenn der künftig Einflussreiche (wie neulich bei Düsseldorf-In) zwei Security-Mitarbeiter anherrscht, weil sie es wagen, ihn nicht zu (er-)kennen, wird er sich bald wundern, welche Kreise die Berichte über solche (wenig formvollendete) Auftritte ziehen. Natürlich kann ihm das im Einzelnen egal sein. Das war bei Elbers auch so. Aber aus vielen Steinchen wird am Ende das Mosaik, ein Gesamtbild - und wenn das überwiegend negativ ist, unterstellt man Geisel, einen Stil fortzusetzen, den zu beenden er versprochen hat. Denn dieses Versprechen ist nicht als simple Formsache verstanden worden.

(-ho)
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